Gezeitenblog

Die Gezeitenkonzerte 2012 und 2013 – Zahlen und Fakten aus musikalischer Sicht

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– 38 Programmhefttext-affine Konzerte
– 72 Komponisten
– 180 Werke

7 Werke, die in beiden Jahren zu hören waren:
– Bach: Suite für Violoncello solo Nr. 3 C-Dur BWV 1009 – einmal in einer Fassung für Viola solo
– Debussy: Sonate für Violine und Klavier g-Moll L 140
– Mendelssohn Bartholdy: Variations sérieuses d-Moll op. 54 U 156
– Rachmaninow: Prélude g-Moll op. 23/5, Prélude h-Moll op. 32/10, Prélude gis-Moll op. 32/12
– Schumann: Adagio und Allegro für Horn und Klavier op. 70 – einmal mit Klarinette und Klavier

ansonsten:
– 8 Konzerte mit Orchester (Sinfonieorchester, Kammerorchester, mit und ohne Solisten)
– 6 Konzerte mit vier bis acht Musikern (Streicheroktett, Streichquintett, Klavierquartett, Saxophonquartett, Streichquartett)
– 3 Konzerte in Triobesetzung (Klavier/Klarinette/Fagott, Klavier/Klarinette/Viola, Klavier/Violine, Violoncello)
– 12 Duo-Konzerte (Violine und Klavier, Viola und Klavier, Violoncello und Klavier, Klarinette und Klavier, Violine und Violoncello)
– 6 Klavier-Solokonzerte
– 1 Violoncello-Solokonzert
– 4 Lesungen mit Musik (zweimal mit Klavier, einmal mit Violine und Klavier und einmal mit der Blues Company, die letzten beiden ohne Programmhefttext)
– 5 Konzerte/Lesungen mit Werken ausschließlich eines Komponisten (Bach, Beethoven, Chopin, Mozart, Widmann)

Alle 72 Komponisten in alphabetischer Reihenfolge (und Aufführungshäufigkeit, wenn mit mehr als einem Werk vertreten – Mozart vor Schumann und Brahms):

Anonymus, Bach (6), Bartók, Beethoven (9), Berg, Bragato, Brahms (10), Bridge, Bruch, Bružaitė, Busoni (2), Chopin (3), Corelli (3), Debussy (9), Devienne, Dvořák (2), Elgar, Fils, Gade, A. Gerassimez (2), W. Gerassimez, Gershwin, Ginastera, Glinka, Grieg (5), Grünfeld, Händel, E. Hartmann, Haydn (5), Janáček (2), Kodály, Kurtág (2), Kvandal, Lachenmann, Li, Ligeti, Liszt (3), Lutosławski, Mendelssohn Bartholdy (9), Mompou*, Mozart (15), Paganini, Piazzolla (4), Poulenc, Prokofjew (2), Psathas, Rachmaninow (8), Ravel (5), Reger, Rihm, Saint-Saëns, Salieri, Sammartini, Schostakowitsch (3), Schubert (5), Schulhoff, Schumann (13), Sejourne, Sivori, Skrjabin, Strawinsky, Szymanowski, Tartini, Tüür, Verdi, Vieuxtemps, Vivaldi, Webern, Weinberg, Widmann (9), Ysaÿe, Yun (2)

* eigentlich Ausschnitte aus vier Werkteilen

…davon im 20. Jahrhundert geboren: 21 / …davon heute noch lebend: 13

– Tage, die der Programmhefttexter zwischen Ende Mai und Anfang August nicht mit mulmigem Gefühl frei hatte: 0

Abendprogramme der Gezeitenkonzerte 2013 mit Texten zu Komponisten, Werken und Künstlern
Abendprogramme der Gezeitenkonzerte 2013 mit Texten zu Komponisten, Werken und Künstlern

 

 

Die Gezeitenkonzerte 2013 in Zahlen

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– Mehr als 6.000 Besucher in 28 Gezeitenkonzerten auf deutscher Seite
– 33 Konzerte inkl. der niederländischen und der öffentlichen Generalprobe
– 30 verschiedene Spielstätten
– 230 Künstler aus über 20 Nationen
– 5 Orchesterkonzerte
– 2 Jazzkonzerte
– 3x Rhapsody in School + Erlebnistag = aktive Einbindung von mehr als 200 Kindern
– 5 Radiomitschnitte von NDR Kultur, Deutschlandradio und Radio Bremen
– 21 Streifzüge auf deutscher Seite mit über 300 Teilnehmern
– 19.000 km wurden mit den Fahrzeugen vom Volkswagen Werk Emden zurückgelegt
– 250 Teepräsente wurden als Botschafter der Teekultur Ostfrieslands in alle Welt überreicht
– 90% der Karten wurden über das Team der Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft verkauft; 10% übers Internet
– 26 Bühnen wurden gebaut
– 20 mal waren Flügel im Einsatz und wurden quer über die ostfriesische Halbinsel transportiert und vor Ort gestimmt
– 20 Personen waren hinter den Kulissen für die Gezeitenkonzerte im Einsatz
– 249 Freunde der Seite „Gezeitenkonzerte“ bei Facebook
– 1.215 Aufrufe unserer Gezeiten-TV Beiträge bis zum Ende des Festivals
– 14 Interviews fürs Radio, 11 für die ostfriesischen Tageszeitungen
– 216 Mitglieder im Freundeskreis der Gezeitenkonzerte
– 57 Blogposts im Gezeitenblog während der Gezeitenkonzerte
– 7.740 Seitenaufrufe des Gezeitenblogs von 2.338 Besuchern während des Festivalzeitraums
(Länderranking: Deutschland vor Taiwan und Norwegen, Städte: Leer, gefolgt von Aurich und Hamburg)
– Tage, die wir zwischen dem 21. Juni und dem 11. August frei hatten: 0

Das verbliebene Team der Gezeitenkonzerte 2013 am 12. August in der Ostfriesischen Landschaft: oben (v.l.n.r.): Dirk Lübben, Uwe Pape, Wibke Heß, Simon Hopf; unten: Wiebke Schoon, Gert Ufkes, Berit Sohn, Hermann Rübel. Foto: Ina Wagner
Das verbliebene Team der Gezeitenkonzerte 2013 am 12. August in der Ostfriesischen Landschaft: oben (v.l.n.r.): Dirk Lübben, Uwe Pape, Wibke Heß, Simon Hopf; unten: Wiebke Schoon, Gert Ufkes, Berit Sohn, Hermann Rübel. Foto: Ina Wagner

Das Team der Gezeitenkonzerte bedankt sich ganz herzlich bei den Künstlerinnen und Künstlern, bei den vielen Kirchengemeinden und anderen, die uns ihre Räume geöffnet und uns bei der Durchführung der Konzerte unterstützt haben, beim unvergleichlichen Publikum, bei den vielen Menschen, die uns zwischendurch mit freundlichen Worten und/oder tatkräftiger Unterstützung bedacht haben, bei den Gastfamilien unserer Gipfelstürmer, bei den Förderern und Mitgliedern des Freundeskreises, ohne deren finanzielles Engagement unser Festival nicht möglich wäre. Natürlich gilt unser Dank auch allen Medienvertretern für ihre Berichterstattung. Wir freuen uns mit Ihnen auf die Gezeitenkonzerte vom 20. Juni bis zum 10. August 2014 wiederum mit vielen faszinierenden Musikerinnen und Musikern in den wunderbaren Klangräumen auf der Ostfriesischen Halbinsel.

 

Gezeiten-TV erkundet die Stimmung

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Unerlässlich für die Gezeitenkonzerte ist eine gute Stimmung! Mieke Matthes hat für Gezeiten-TV den Moment abgepasst, als Klavierbaumeister Tamme Bockelmann sich für die letzte Stimmung für den Abschluss der Gezeitenkonzerte 2013 an den Steinway setzen wollte und ihm erst einmal das Mikrofon unter die Nase gehalten. Ohne die gute Stimmung des Flügels, so dieser denn zum Einsatz kommt, würde möglicherweise eine Verstimmung der Musiker eintreten. Dem wirkt er zuverlässig und gründlich vor jedem Gezeitenkonzert entgegen und gibt für Gezeiten-TV einen kleinen Einblick in seine Arbeit.

Gezeiten-TV im Gespräch mit Dirk Lübben zum Abschluss

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Dirk Lübben ist organisatorischer Leiter der Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft. Gemeinsam mit dem Gezeiten-Team setzt er die Ideen des künstlerischen Leiters, Matthias Kirschnereit, um. Im Gespräch mit Mieke Matthes zieht er seine Bilanz der Gezeitenkonzerte 2013 für Gezeiten-TV.

Gezeiten-TV: Mieke Matthes und Matthias Kirschnereit zum Abschluss der Gezeitenkonzerte 2013

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In der Pause der öffentlichen Probe vor dem Abschluss der Gezeitenkonzerte 2013 hat sich Mieke Matthes für Gezeiten-TV mit dem künstlerischen Leiter des Festivals, Prof. Matthias Kirschnereit unterhalten. Natürlich ging es um den Verlauf der Gezeiten 2013, gleichzeitig gab es aber auch schon einen kleinen Ausblick auf 2014. Am Abend des 11. Augusts gingen die Gezeitenkonzerte 2013 in der Emder Johannes a Lasco Bibliothek unter Beteiligung der Kammerakademie Potsdam zusammen mit Matthias Kirschnereit als Solist am Klavier zu Ende.

„Von Herzen – möge es wieder – zu Herzen gehen!“

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Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit beim Gezeitenkonzert in Sengwarden, Foto: Karlheinz Krämer
Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit beim Gezeitenkonzert in Sengwarden, Foto: Karlheinz Krämer

Der Kreis schließt sich. Am 21. Juni, einem verregneten Freitag, starteten die zweiten Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft in der Lambertikirche in Aurich. Gestern, sieben Wochen später, endeten sie in der Emder Johannes a Lasco Bibliothek. Bei beiden Konzerten sprach Matthias Kirschnereit, künstlerischer Leiter, jenes Motto von Beethoven aus, das dieser seiner Missa Solemnis voran stellte: „Von Herzen – möge es wieder – zu Herzen gehen!“
Musik ist, wie ich sie verstehe, keine Kopfsache. Sie lässt sich als Wissenschaft betreiben, als Industrie bewirtschaften und als Kunstprodukt untersuchen. Aber sie ist vor allem eines: eine Herzensangelegenheit. Kein Fall für den Kardiologen, sondern eine Kraft, die etwas auslösen kann, was uns bislang noch kein Geheimdienst dieser Welt stehlen kann: Gefühle.

So bleibt am Ende der Gezeiten 2013 mehr übrig als pure Information wie: 6000 Besucher, 32 Konzerte, Namen, Gesichter, Kirchenreihen, Fahrtkilometer, Abendprogramme usw.

Diese sieben Gezeiten-Wochen im Jahr sind etwas Besonderes. Sie stechen heraus aus 52 Wochen, die oft schnell und hektisch vorbeirauschen und in der Erinnerung verblassen. Unvergessliche Stunden können ewig bleiben. Konzerte gehören im Allgemeinen dazu. Jeder weiß, wann und wo er Alfred Brendel, die Rolling Stones oder die aufstrebende Band aus der Nachbarschaft gesehen hat. Wie oft wurden wir noch in diesem Jahr auf die Gezeiten 2012 angesprochen! Man muss nicht immer Dangast nennen. Aber sagen wir einmal: Amaryllis Quartett in Pewsum und jeder, der da war, weiß Bescheid. Ein Brahms Quintett, das so unter die Haut ging, dass ich eine Woche danach nur Brahms gehört habe.

Für das Team sind diese Wochen die intensivsten überhaupt. Schlaf, Wochenende, Urlaub – alles Fremdwörter in dieser Zeit. Aber wenn alles so gut, harmonisch und mit einer Portion Humor funktioniert, gelingt so ein Festival und Künstler, Besucher und das Team fühlen sich heimisch. Am Ende bleibt ein Gefühl von Dankbarkeit. Auch so eine geniale Eigenschaft von Musik.
Dass sie nicht zwischen Alt und Jung unterscheidet, gehört auch dazu. Und ja, man darf, man soll sogar zu Christian Tetzlaff gehen, auch wenn man vielleicht glaubt, dass man „eh keine Ahnung davon hat“. Wenn klassische Musik ein elitärer Verein wird, hat sie verloren. Das ostfriesische Publikum ist zum Glück neugierig und weltoffen. Vielleicht, weil es noch nicht zu verwöhnt ist. Aber vielleicht auch einfach so, und die Künstler spüren das. Alle wollen wiederkommen, das haben sie Matthias Kirschnereit versprochen. Und doch gibt es auch 2014 jede Menge neue Gesichter. Das Name-Dropping beginnt sicher in den nächsten Monaten.

Lilit Grigoryan beim Gezeitenkonzert in Bargebur 2013, Foto: Karlheinz Krämer
Lilit Grigoryan beim Gezeitenkonzert in Bargebur 2013, Foto: Karlheinz Krämer

Für mich persönlich war es auch in diesem Jahr ein Glück, dabei gewesen zu sein und einen winzigen Beitrag leisten zu können. In den letzten vier Jahren, in denen ich in Oldenburg lebe, hatte ich das Glück, oft die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen genießen zu können. Weil dort großartige Musik, außerordentliche Qualität und ein Gesamtprogramm geboten werden, das mitreißend ist.
Aber auch, weil diese Klasse im Nordwesten ihresgleichen gesucht hat. Insofern ist das Jahr 2012 besonders erinnerungswürdig. Weil seitdem dank Matthias Kirschnereit ein Festival in Ostfriesland besteht, das eine kleine, aber exquisite Rolle bundesweit spielt. Weil man nicht mehr zur Berliner Waldbühne fahren muss, um Christian Tetzlaff zu hören. Weil man junge Künstler wie Lilit Grigoryan entdeckt, die in einer intimen ostfriesischen Kirche Musik spielen, die sich in die Seele eingräbt. Weil man sich schon jetzt auf den Sommer 2014 freut.

Julian Steckel beim Gezeitenkonzert in Buttforde, Foto: Karlheinz Krämer
Julian Steckel beim Gezeitenkonzert in Buttforde, Foto: Karlheinz Krämer

Welche Erinnerungen von den Gezeiten 2013 übrig bleiben, überlasse ich getrost jedem einzelnen. Sei es der Bach-Abend mit Julian Steckel, die unendliche Nacht der Gipfelstürmer oder schlicht der Geschmack der Currywurst vom Haase-Catering. Jeder Abend hat seine Geschichte, seine Protagonisten und Besonderheiten. In diesem Fall hat die Langlebigkeit von Informationen im Internet ja auch eine gute Sache: Wer mag, kann alle diese Geschichten hier im Blog nachlesen. Jetzt gleich, oder im Winter, bei einer Tasse Tee und guter Musik. Und bis 2014 hält Wibke Heß Sie und mich hier auf dem Laufenden. Bis dahin!

Klassik im Probe-Modus

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Öffentliche Probe mit der Kammerakademie Potsdam in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden
Öffentliche Probe mit der Kammerakademie Potsdam in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden

Wir kennen sie in eleganten Abendroben oder dem kleinen Schwarzen, in schickem Anzug mit oder ohne Krawatte: Die Musiker und Musikerinnen der Gezeitenkonzerte sind bei ihren abendlichen Auftritten im besten Sinne des Wortes geschniegelt und gestriegelt. Doch bei der Öffentlichen Generalprobe zum Abschlusskonzert in der Emder Johannes a Lasco Bibliothek konnte man am Sonntag die Künstler mal von einer ganz anderen Seite erleben – leger und locker in jeder Hinsicht, gelöst und scheinbar ohne Lampenfieber.

“Ist das jetzt ein Techniker oder ein Musiker?”, fragte sich ein Besucher und beobachtete einen Typen mit lockigem Haar in weißem T-Shirt und kurzer Hose, der eine Geige zur Bühne trug. Und ja, es war ein Musiker und zwar von der Potsdamer Kammerakademie im, dem Wetter angemessenen, Sommeroutfit. Auch Matthias Kirschnereit, der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft, ließ es am Vormittag eher entspannt angehen – trug ein bunt geblümtes Hemd zum Drei-Tage-Bart.

Ja, bei der Generalprobe ist eben alles ein wenig anders. Und gerade das machte wohl für 350 Gäste und auch für das Team des Festivals den Reiz aus. Hier darf man auch schon mal aufstehen und das stille Örtchen aufsuchen, wenn es pressiert. Zumindest ohne böse Blicke zu ernten. Und auch die Schale mit Hustenbonbons eines bekannten Schweizer Herstellers fehlte gänzlich. Die, so erzählte ein Paar aus dem Kölner Raum, würden bei Klassikkonzerten in der Domstadt vor Beginn gereicht, um potenziell kratzende Hälse zu besänftigen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Öffentliche Generalprobe als Geheim-Tipp erwiesen.Und das mit Recht. Doch so entspannt und leger die Atmosphäre am Vormittag auch war, so konzentriert und fokussiert waren die Musiker trotz allem auf der Bühne. So wurde während der Probe an Details von Mozart’schen und Fils’schen Werken gefeilt, mit einem netten Nebeneffekt für das Publikum. Das erhaschte bei dieser Gelegenheit nämlich nicht nur einen Blick hinter die Kulissen des Konzertbetriebes, sondern kam auch noch in den Genuss manchen Satz gleich mehrfach zu hören. Ein für alle angenehmer und spannender Vormittag, der erst gegen 14:00 Uhr endete.

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Musikalische Sternstunde in Sengwarden

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Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit beim Gezeitenkonzert in Sengwarden, Foto: Karlheinz Krämer
Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit beim Gezeitenkonzert in Sengwarden, Foto: Karlheinz Krämer

Christian Tetzlaff, einer der anerkannt weltbesten Geiger, war am vergangenen Freitag zu Gast in der St.-Georgs-Kirche zu Sengwarden. Gemeinsam mit Matthias Kirschnereit spielte er Violinsonaten von Janáček, Beethoven, Mozart und Ravel. Und um meine Presseschelte gleich zu Beginn des Blog-Beitrags loszuwerden: Nicht alle maßgeblichen Zeitungen Ostfrieslands hatten Rezensenten geschickt – dabei hätte dieses Konzert für kulturinteressierte Journalisten der Region doch sogar ein privater Pflichttermin sein müssen! Womöglich zog mancher die TV-Fernbedienung vor, um sich ein langweiliges Bayern München-Heimspiel anzuschauen? Welch ein Fehlgriff! Und dabei gab es noch nicht einmal Musik von György Kurtág…

Das Konzert begann mit der eigentlich etwas unzugänglichen Violinsonate von Leoš Janáček, die der tschechische Komponist in mehreren Anläufen zwischen 1914 und 1921 komponierte, und die schon einen Beigeschmack von bitterer Kriegserfahrung hörbar werden lässt. Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit, die seit einem Vierteljahrhundert gemeinsam musizieren, fühlten sich vom ersten Takt an in diese Welt hinein und übertrugen die manchmal spröden, oft erstaunlich melodiösen, auch sperrigen Klänge des eigenwilligen Janáček-Stils auf das spannungsvoll zuhörende Publikum. Dagegen wirkte die anschließend vorgetragene klassische Violinsonate von Ludwig van Beethoven Nr. 6 A-Dur op. 30/1 von 1802 zwar nicht erholsam, aber doch auf alle Fälle beruhigend. Mit dem abschließenden, originellen Variationssatz entließen uns die beiden Künstler in die Pause.

Die Sengwarder Kirche hat nur einen Ausgang, und der Weg zum Gemeindehaus führt durch einen recht schmalen, heckengesäumten Weg. Es dauerte also entsprechend lange, bis alle Besucher ein wenig Luft schnappen, sich erfrischen und konditionell auftanken konnten. Das Wetter spielte mit, denn es blieb glücklicherweise trocken, und das Haase-Catering stand auch ohne Pavillon nicht im Regen.

Die zweite Konzerthälfte führte nun von der Klassik zur Nachromantik zurück und begann mit der e-Moll-Violinsonate KV 304 (300c) von Wolfgang Amadeus Mozart. Diese Sonate ist ein sehr spezielles Werk, der man ihren sonst so typisch erkennbaren Komponisten nicht unbedingt anhört. Mozart schrieb diese seine einzige Moll-Violinsonate (von insgesamt achtzehn) 1778 in Paris. Er hatte dort gerade den tragischen Tod seiner Mutter zu verkraften, die ihn als einziges Familienmitglied auf einer längeren Westeuropatournee begleitet hatte. Nun hieß es, die Familie zu informieren, die Formalitäten zu bewältigen und trotz allem künstlerisch wie wirtschaftlich zurecht zu kommen – was für ein Spagat! Mozarts e-Moll-Sonate klingt daher auch wie außerhalb der Zeit, an manchen Stellen wie Schubert, und sie erreicht jeden Hörer, der mit dem Herzen bei der Sache ist, in seinem tiefsten Innern. Meine Sitznachbarin, die das Stück noch nicht kannte, meinte anschließend, das man kaum darauf kommen würde, dass diese Sonate von Mozart sei. Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit lieben dieses Stück hörbar und vermittelten ihre tiefe Vertrautheit mit der Musik dem weiterhin konzentriert lauschenden Publikum, so dass eine besondere Atmosphäre entstehen konnte – gerade hier, wo manches quasi „hinter den Noten“ steht. Das letzte Werk des Abends schloss dann den Bogen zu Janáček, denn es gab die Violinsonate von Maurice Ravel, beendet 1927, nach vier Jahren Arbeit. Auch Ravel ist ein eigensinniger Komponist, der keiner „Schule“ zugeordnet werden kann und zwischen Impressionismus und Neoklassizismus seinen ganz eigenen Weg gefunden hat. Es machte ihm gar nichts aus, sogar Jazzelemente in die Kammermusik zu integrieren, somit als Mittelsatz einen „Blues“ auszupacken, wobei Christian Tetzlaff die Geige stellenweise zur Gitarre werden ließ und Matthias Kirschnereit als kongenialer Partner die bitonale Basis legte. Vorab erklang der überwiegend verhaltene Dialog des Kopfsatzes (Allegretto), von den beiden Musikern wunderschön ausbalanciert dargeboten. Die von Ravel (ironisch?) diagnostizierte Unvereinbarkeit von Geige und Klavier, die ihn – absurderweise – nicht davon abhielt, eine Sonate für genau diese Besetzung zu schreiben, dokumentiert er dann im abschließenden Perpetuum mobile-Satz (Allegro), der den Geiger gefühlt noch einmal genauso viele Noten spielen lässt wie bereits seit Konzertbeginn, während nur der Pianist das thematische Geschehen präsentiert.

Den donnernden Applaus der begeisterten Konzertbesucher, die diese musikalische Sternstunde in Sengwarden miterlebten, konterte das Duo mit zwei Zugaben von Schumann und Beethoven, die wohl mit Augenzwinkern als Reminiszenz an das tolle 2012er Konzert in Remels gedacht waren.

Dieses ausverkaufte Konzert wurde vom Medienpartner der Gezeitenkonzerte, NDR Kultur, aufgezeichnet und wird demzufolge in naher Zukunft für alle Musikinteressierten jenseits der Sengwarder Besucher nacherlebbar sein. Da kann parallel Bayern egal gegen wen (oder sogar gegen Werder) spielen – man sollte vor dem Radio sitzen und der Musik zuhören, denn es wird unvergesslich bleiben.

Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit, Foto: Karlheinz Krämer
Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit, Foto: Karlheinz Krämer

St.-Georgs-Kirche Sengwarden

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St.-Georgs-Kirche Sengwarden, Foto: Karlheinz Krämer
St.-Georgs-Kirche Sengwarden, Foto: Karlheinz Krämer

Keine Kirche in Ostfriesland wurde, wie das in anderen Regionen im Mittelalter geschah, als Wehrkirche erbaut. Viele von ihnen haben aber in Fehden und Kriegen als Rückzugsorte für die Truppen oder Zuflucht für die Dorfbewohner gedient und wurden dann wohl auch ringsum mit Wall und Graben befestigt. Die Sengwarder Kirche aus so genannten Granit“quadern“ wurde 1387 vom Häuptling Edo Wiemken aus Rüstringen erobert und 1447 abermals belagert, diesmal vom Häuptling Tanno Düren aus dem Jeverland, der die Südwand und den Chor mit 20 Steinkugeln, aus einer Kanone abgeschossen, traktierte.

→Weiterlesen… “St.-Georgs-Kirche Sengwarden”

Große Kirche Leer

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Große Kirche Leer
Große Kirche Leer

Die Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde von Leer nutzte zuerst die um 1200 am Westende von Leer erbaute St. Ludgeri-Kirche. Diese wurde jedoch zunehmend baufällig, und 1777 mussten die Gottesdienstbesucher bei einem Orkan aus der Kirche fliehen, weil sie einzustürzen drohte.

Sie mussten sie weiterhin besuchen, denn zehn Jahre sollte es noch dauern, ehe sie ihre eigene Kirche bekamen, die in den Jahren 1785-87 als Zentralbau auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes in Stile des Barock erbaut wurde. Ihren Turm, unten recht wuchtig, dann in zwei Etagen achteckig und gekrönt mit einer zierlichen Laterne und einer barocken Haube, bekam die Kirche 1805. Das auf der Turmspitze thronende Schiff ist das Symbol dafür, dass hier eine reformierte Gemeinde zu Hause ist. Das Schiff erinnert an die beim Evangelisten Matthäus geschilderte Fahrt Jesu mit seinen Jüngern auf dem See Genezareth. Die Jünger fürchteten sich vor dem „großen Ungestüm im Meer“, doch Jesus sagte zu ihnen: „Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam.“ Und der Wind beruhigte sich und „das Meer wurde still.“

Auch im Innern wird deutlich, dass es sich hier um die Kirche einer reformierten Gemeinde handelt, die die Predigt in den Mittelpunkt ihres Gottesdienstes stellt.

Akademie für Alte Musik unter der Leitung von Frank Beermann beim Gezeitenkonzert 2016, Foto: Karlheinz Krämer

Im Februar 2012 nach ausgiebiger Renovierung wiedereröffnet, zeigt sie sich in ihrer beeindruckenden Schlichtheit hell und einladend. Als Vorlage für diese Restaurierung diente ein Gemälde von 1830, das der Kirchenbauverein Große Kirche restaurieren ließ, sodass man die ursprünglichen Farben der Kirche wieder erkennen konnte. Vier Pfeiler tragen das flache Tonnengewölbe aus Holz. Eine Galerie, die ringsherum führt, wird verbunden durch kleine Räume, die sich zum Kirchenraum hin mit großen Bögen öffnen.

Das älteste Ausstattungsstück ist der sehr schlichte Taufstein aus der Vorgängerkirche, dessen Cuppa wohl aus dem frühen 13. Jahrhundert stammt. Schaft und Fuß sind neueren Datums. Erstaunlich ist die Schlichtheit dieser Taufe aus Bentheimer Sandstein, die keine floralen und ornamentalen Verzierungen zeigt, wie sie bei anderen Becken dieses Typs üblich sind. Es gibt Vermutungen, dass diese Ausschmückungen irgendwann einmal abgeschlagen wurden.

Die zierliche Kanzel, auf die das Kirchengestühl ausgerichtet ist und die erst 1787  ihren überdimensionalen Schalldeckel und die Treppe bekam, wurde 1609 von Andreas Kistemaker im Stile der späten Renaissance gebaut.

Der Abendmahlstisch mit Elementen des Rokoko und die vier Messingkronleuchter kamen 1787 in die neu erstandene Kirche.

Die prächtige Orgel mit ihrer über 400-jährigen Geschichte ist eines der ältesten Instrumente Ostfrieslands. 1609 aus dem Kloster Thedinga als kleine Orgel übernommen, erhielt sie im Laufe der Jahrhunderte durch viele Ergänzungen und Veränderungen ihre heutige repräsentative Gestalt. Im Jahre 2011 erschien eine umfassende Dokumentation von Jürgen Ahrend und Winfried Dahlke über das historische Pfeifenwerk dieses Instruments.

Monika van Lengen

Ev.-ref. Große Kirche Leer
Reformierter Kirchgang 17
26789 Leer

Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern