Gezeitenblog

Kurz vor Schluss

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v. l.: Uwe Pape, Gert Ufkes und Lothar Milkau

Nun stehen wir schon kurz vorm Abschluss unserer Gezeitenkonzerte am morgigen Freitag: Kaum zu fassen!
Das Kurpfälzische Kammerorchester (KKO) ist gemeinsam mit Dirigent Ivo Hentschel bereits von Mannheim mit dem Bus unterwegs nach Ostfriesland. Ich freue mich schon darauf, unseren Kontaktmann Sven Halfar, den Geschäftsführer vom KKO persönlich kennen zu lernen. Matthias Kirschnereit hat sich heute Nachmittag in Hamburg in den Zug gesetzt, denn heute Abend findet die erste gemeinsame Probe in der Johannes a Lasco Bibliothek (JaL) statt. Der NDR-Ü-Wagen rollt auch durch die Lande.

Berit Sohn, unsere Künstlerbetreuerin, und unser Technikteam begibt sich später ebenfalls nach Emden, um schon einmal alles vorzubereiten. Glücklicherweise können wir alle dabei auf Udo Bleeker von der JaL bauen, der immer die Nerven behält, mitdenkt und dafür sorgt, dass alles klappt. Die Bühne steht seit gestern Abend, der Flügel sollte heute bis 12:00 Uhr geliefert werden, und ich bin mir sicher, dass unser Kooperationspartner Piano-Trans das zuverlässig erledigt hat. Berit kümmert sich jetzt auch noch um die Notenpulte, zusätzlich zum Künstlercatering. Wiebke Schoon druckt gerade die Platzkarten, die später bereits ausgelegt werden. Gert Ufkes strapaziert unseren Kopierer bis an dessen Grenzen, damit morgen auch alle Konzertbesucher ein Programm in den Händen halten können. (Die Kollegen aus der Archäologie, mit denen wir uns das Gerät teilen, sind ein wenig genervt.) Hilko Gerdes, unser stellvertretender Landschaftspräsident, hat seine Stichworte für die Begrüßung morgen Abend von mir Montag schon gemailt bekommen. Und jeder fragt sich: „Habe ich noch etwas vergessen?“

Bis morgen um 11:00 Uhr, dem Beginn der öffentlichen Generalprobe (es gibt noch freie Plätze) ist noch einiges zu erledigen. Wichtig ist aber erst einmal, dass die Künstler ihren Weg nach Emden finden und eine erste knackige Probe haben, nach der sie entspannt die Nacht verbringen können, bevor es morgen um die Wurst geht. Tamme Bockelmann, unser Klavierstimmer, ist morgen vermutlich einer der Ersten, da der Flügel vor dem Vormittagskonzert noch einmal nachgestimmt werden muss. Der NDR schneidet das Konzert mit, sodass deren Crew entweder heute Abend noch oder gleich morgen die entsprechenden Kabel verlegen muss. Das Team von Haase Catering ist morgen auch bei beiden Terminen am Start.

Die Schwierigkeiten mit den Sitzplätzen

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Landschaftsforum – mit Säulen

Da wir schon seit vielen Jahren Konzerte in unseren tollen Kirchen in der Region veranstalten, feilen wir bereits einige Jahre an der Optimierung unserer Sitzpläne. Wir haben festgestellt, dass es sehr viel entspannter für sowohl Veranstalter als auch Publikum ist, mit nummerierten Plätzen zu arbeiten. Auf jedem Platz liegt relativ groß gedruckt die individuelle Bezeichnung (z. B. links, Reihe 3 Platz 4) zusammen mit dem Namen desjenigen, der die Karte bestellt hat, bereit. Am Konzertabend steht jemand vorne im Gang und ist beim Auffinden des individuellen Sitzplatzes behilflich und klärt bei Bedarf schnell, wo rechts und links ist, was immer mal wieder verwechselt wird. So reicht es für die Besucher vollkommen aus, wenn sie um kurz vor acht in die Kirche gehen, vorher können sie sich beispielsweise noch mit einem Glas Wein bei unserer Gastronomie erfrischen.

Was wir leider nicht ändern können, ist, dass es in einigen Räumen – selbst bei uns im Landschaftsforum – Säulen gibt, durch die man nicht hindurchschauen kann. Allerdings optimieren wir jedes Jahr aufs Neue unsere Übersichten, sodass so langsam fast jeder Plan perfekt sein müsste. Dass sich die Plätze in der Hör- und Sehqualität unterscheiden, zeigen die zwei bis drei Kategorien mit der unterschiedlichen Preisstaffelung. Dankbar nehmen wir jeden Hinweis auf ungünstig kategorisierte Plätze von Ihnen auf: Es ist in unserem Interesse, immer noch besser zu werden.

Nicht ändern können wir die Körpergröße unserer Gäste. Damit möchte ich sagen, dass wir nicht beeinflussen können, ob sich nun gerade eine große Dame vor einen etwas kleiner geratenen Herrn setzt oder umgekehrt. Maße fragen wir bei der Aufnahme der Bestellung (noch?) nicht ab. Ebenso verhält es sich mit den Kirchenbänken: Gemütlicher sitzt es sich auf dem Sofa. Vielen ist das Live-Erlebnis des Konzertes jedoch wichtiger. Sonst könnte man sich zu Hause auch eine CD einlegen.

Adrian Brendel und Andrej Bielow: Zwei Meister in Wittmund

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Adrian Brendel, Foto: Emile Holba

Morgen, Dienstag, 4. September, findet bereits das vorletzte nicht ausverkaufte Gezeitenkonzert in der schönen Nicolaikirche zu Wittmund statt. Dort spielen der Violinist Andrej Bielow, der bereits eine Woche zuvor bei unserem Konzert in der Großen Kirche Leer mit dem Szymanowski Quartett zu Gast war, und Adrian Brendel (Cello) zusammen. Spontan Entschlossene sind an der Abendkasse willkommen! Zudem gibt es noch die öffentliche Generalprobe (dafür gibt es noch Plätze) am Freitagvormittag in Emden, bevor dann die ersten Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft am 7. September abends um 20:00 Uhr in der Johannes a Lasco Bibliothek ihr Ende finden.

Andrej Bielow, Foto: Marco Borggreve

Aber erst einmal bin ich auf das Zusammenspiel dieser beiden fantastischen Musiker gespannt. Andrej gehört zu denen, die wirklich 365 Tage im Jahr durch die Weltgeschichte zu jetten scheinen, und dabei gefühlt mindestens 300 Konzerte spielen. Ich muss ihn morgen einmal fragen. Dadurch, dass wir seit Anfang des Jahres auf Facebook befreundet sind, bekomme ich ja mit, dass er von Hawaii in die Türkei fliegt, um dann kurz darauf in Polen wieder aufzutauchen. Herzlich gelacht hat er, als ich heute morgen gleich wusste, wohin er nach unserem Gezeitenkonzert fliegen wird. Aber da übermorgen sein Festival in Lviv in der Ukraine beginnt, wo er gemeinsam mit den Kollegen vom Szymanowski Quartett die künstlerische Leitung inne hat, war das sonnenklar. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht wusste, ob er Adrian vielleicht gleich mitnimmt. Schließlich war Andrej im Sommer erst bei Adrians Festival „Music at Plush“ zu Gast und sicher tauscht man sich aus. Das finde ich auch sehr schön. Beide sind regelmäßig Gäste der bedeutenden deutschen Festivals und spielen nebenbei in der Wigmore Hall, beim Bath Festival und in Verbier. Gemeinsam mit Kit Armstrong, dem jungen talentierten Pianisten, über den ich vor kurzem einen Artikel in der Zeit (allerdings von 2009) gelesen habe, bei dem ich mich köstlich amüsiert habe, spielen Adrian und Andrej als festes Klaviertrio zusammen.

Morgen spielen die beiden sowohl je solo als auch gemeinsam, so dass jeder seinen Entfaltungsspielraum bekommt. Bachs Suite Nr. 3 in C-Dur für Violoncello solo, eines der Meisterwerke für Cello, steht ebenso auf dem Programm wie Ysaÿes Sonate d-Moll op. 27 Nr. 3. Ysaÿe war der belgische Komponist mit dem prominenten Umgang: von Debussy über Franck, Fauré oder Elgar – er kannte sie alle. Das morgige Stück widmete er dem rumänischen Komponisten und Violinisten George Enescu, ein Werk mit wundervollen Herausforderungen, die Andrej Bielow in seinem Spiel sucht. Gemeinsam spielen sie die Sonate für Violine und Violoncello von Ravel und Kodálys Duo op. 7, ein sehr originelles Stück.

Schöner Abend auf Gut Horn

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Christian Ihle Hadland, Foto: Karlheinz Krämer

Gestern Abend gab Christian Ihle Hadland seinen von mir lang erwarteten Klavierabend auf Gut Horn in Gristede. Wie erwartet, war es ein wundervolles Gezeitenkonzert im tollen Ambiente des Anwesens von Renate Franz und Hans-Georg Frers.

Über die „Vier Albumblätter“ von Grieg, das einleitende Stück, berichtete mir ein Besucher in der Pause, dass er es sehr genossen habe, da er einfach nur die Augen geschlossen und der Musik gelauscht und dabei viele verschiedene Bilder vor seinen Augen gesehen habe. Wenn man das als Musiker schafft, hat man gewonnen, denke ich! Das zweite Stück vor der Pause war Schuberts Klaviersonate in A-Dur D 959 – zum Niederknien schön! Gerade das großangelegte Rondo (Alegretto) zum Schluss, ließ einen tatsächlich wie im Programm prophezeit „wie uferlos über zwölf Minuten lang alle Zeit der Welt vergessen“. Ein erfahrener Kritiker war der Meinung, Schubert noch nicht auf diese Weise gehört zu haben wie von Christian Hadland. Zum Abschluss gab es Janáčeks „Auf verwachsenem Pfade“, ein sehr schönes, autobiographisches Stück aus dem bewegten Leben des Künstlers. Als Zugabe – das Publikum hätte am liebsten mehr als nur eine gehabt – spielte Christian ein kurzes barockes Stück von 1591, ganz witzig, was uns vom Team sehr gut gefiel.

Mir ist dieser junge Pianist mit seiner sehr speziellen Art und Weise sehr angenehm (s. Blogpost vom 6. Mai). Wie viele Norweger, die mir bei unterschiedlichen Gelegenheiten über den Weg gelaufen sind, kommt er in einer kurzen Hose aus dem Flieger. Uwe hat ihn vom Flughafen abgeholt und schon von Weitem erkannt, obwohl er nicht aussieht wie der typische Musiker. Auf der Rückfahrt ins Hotel hat er mir erzählt, dass er den Herbst liebt: Den Geruch von nassem Laub, diese spezielle Luft (und ich weiß, in Skandinavien ist sie noch ein wenig spezieller als hier), der prasselnde Regen und man selbst sitzt im warmen Haus und tut am besten gar nichts. Was er dann wohl trägt, frage ich mich.

Im Vorfeld des Konzertes gab es etwas zu Besonderes: Unser Hauptsponsor Statoil feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen (des Mutterkonzerns in Norwegen wohlgemerkt!) und hatte einige Gäste aus dem Umfeld zu einem Empfang geladen. Da Christian Ihle Hadland zu den Heroes of Tomorrow (der Talentförderkampagne von Statoil Norwegen) gehört, lag es nahe, dies im Zusammenhang mit diesem Gezeitenkonzert auf Gut Horn zu begehen. Es war sehr interessant, den beiden kurzen Vorträgen vom Chef von Statoil Deutschland, Richard Eriksen, und seinem Vor-vor…Vorgänger, dem ersten in der 27-jährigen deutschen Geschichte des Konzerns, John Eldøy zuzuhören. Schade war, dass die norwegischen Gäste aufgrund des Streiks der Lufthansa-Flugbegleiter weder dabei noch bei dem Konzert am Abend anwesend sein konnten. Die Flüge von und nach Stavanger gehen nämlich häufig über Frankfurt. Und ausgerechnet dieser Flughafen wurde bestreikt. Das Konzert war lange im Vorfeld ausverkauft, und nun blieben gerade diese Plätze leer.

Orangerie, Gut Horn

Gut Horn hat wirklich eine spezielle Atmosphäre. Jedes Jahr kommen liebevolle Details dazu, die stets eine große Bereicherung sind, beispielsweise die neue Orangerie oder auch der tolle Leuchter in der ‘anderen’ Scheune. Die beiden Besitzer haben ein tolles Händchen und einen guten Geschmack. Gespannt bin ich, ob der Wein hinter der neuen Orangerie gut angeht. Allen, die unser Gezeitenkonzert dort verpasst haben, möchte ich das „Gut Horn Hör’n“ Festival & Landpartie vom 12. bis zum 14. Oktober ans Herz legen. Dann gibt es dort unter dem Motto „Klingende Kulinarik“ Musik und Lesungen in Verbindung mit gutem Essen und vielem mehr.

Das Szymanowski Quartett in Leer

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Szymanowski Quartett, Foto: Marco Borggreve

Nun wird man schon angesprochen, wenn man mal ein paar Tage nicht zum Bloggen kommt. Aber es stimmt ja. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich erst am Tag des Konzertes etwas über das Szymanowski Quartett schreiben würde. Dabei ist das eines der Gezeitenkonzerte, das schon lange feststeht. Das Datum wurde noch ein paarmal variiert, aber es war klar, dass die vier sympathischen Jungs dabei sein würden.

Heute Abend ist es also schon so weit: In der frisch renovierten Großen Kirche in Leer, die wirklich sehr schön geworden ist, treten Andrej Bielow (Violine), Grzegorz Kotów (Violine), Vladimir Mykytka (Viola) und Marcin Sieniawski (Violoncello) als Szymanowski Quartett auf. Sie haben sich ein meiner Meinung nach wunderschönes Programm ausgesucht. Es beginnt mit dem Streichquartett Nr. 23 f-Moll op. 20/5 von Joseph Haydn, einem der „Sonnenquartette“. Ulf Brenken hat bei uns mal wieder Aufklärungsarbeit geleistet: Die Bezeichnung ist nicht auf die wärmende, strahlende Sonne zurückzuführen, sondern stammt schlicht und ergreifend daher, dass das Titelblatt einer zeitgenössischen Druckausgabe von 1779 von einer aufgehenden Sonne verziert war. Manchmal staunt man!

Es folgt das Streichquartett Nr. 2 op. 56 des großen Namensgebers des Quartettes, Karol Szymanowski, dessen Werke leider viel zu selten in Konzerten zu hören sind. Mein persönlicher Eindruck wird einmal mehr durch Ulf Brenkens Text für das heutige Konzert untermauert, in dem er schreibt: „Karol Szymanowski [gilt] heute als Repräsentant der beginnenden Neuen Musik in Polen. Aufgrund „beharrlicher Ignoranz unserer Veranstalter und Interpreten“ werden die Kompositionen Szymanowskis nicht allzu häufig aufgeführt, was auf „ihre äußerste Konzentriertheit und sperrige Tonsprache“ (Michael Struck-Schloen) zurückgeführt werden kann. Immerhin hat ein großer Geiger wie Christian Tetzlaff beide Violinkonzerte im Repertoire (und spielt sie im November an einem Abend in Reykjavik!) Im Rahmen der Gezeitenkonzerte kann hier also ein weiterer „weißer Fleck“ von der Landkarte selten zu hörender Streichquartett gestrichen werden.“

Den Abschluss des Konzertes bildet das Streichquartett Nr. 6 f-Moll op. 80 von Felix Mendelssohn Bartholdy, das Werk, das er quasi als Requiem für seine verstorbene Schwester Fanny komponierte, ein sehr dynamisches Werk, von Trotz und Trauer geprägt, das mich sehr berührt.

Andrej Bielow durfte ich schon begegnen, die anderen Herren kenne ich noch nicht, bin aber sehr gespannt. Andrej habe ich als begeisterten Musiker und sympathischen Menschen kennengelernt. Aus dem Interview, das Karin Baumann für die Ostfriesischen Nachrichten am Samstag mit ihm geführt hatte (s. Rubrik “Presse” hier im Blog), konnte ich ihn sehr gut herauslesen. Das Szymanowski Quartett gibt es seit 1995; mittlerweile gehört es zu einem der bemerkenswertesten Streichquartette seiner Generation. Ausgebildet wurde es an der Musikhochschule Hannover von Hatto Beyerle. Seit dem Herbst 2000 unterrichtet das Quartett selbst ebenda eine Kammermusikklasse. Es ist zu Hause auf den verschiedensten Bühnen der Welt und hat zahlreiche Preise gewonnen (s. Homepage). Schön finde ich, dass das Szymanowski Quartett im Jahr 2008 das „Lviv Chamber Music Festival“ gegründet hat. Bekannt ist Lviv ja spätestens seit diesem Jahr durch die gemeinsame Fußball-EM in Polen und der Ukraine, allerdings eher unter dem deutschen Namen Lemberg. Als musikalische Grenzgänger will das Szymanowski Quartett zu einem aktiven Kulturaustausch beitragen und lädt dazu namhafte Künstlerkollegen zu gemeinsamen Konzerten nach Lviv ein. Übrigens stammt auch der junge Pianist Vasyl Kotys, der das Gipfelstürmer-Konzert in Bagband bestritten hat, von dort.

 

Gezeitenkonzerte im Zeit-Magazin

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Festivalkarte, Quelle: Zeit-Magazin August 2012

Da haben wir aber nicht schlecht gestaunt, als wir in der vorletzten Woche über den Artikel im Zeit-Magazin gestolpert sind: Die Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft gehören bereits im Jahr ihrer Geburt zu den wichtigsten Sommerfestivals in Deutschland.

Sonst ist es um die Region Weser-Ems nicht so gut bestellt. Vertreten sind im äußersten Nordwesten lediglich die Niedersächsischen Musiktage, die ganz Niedersachsen bespielen. Das Musikfest Bremen – muss man fairerweise sagen, auch wenn es aus der Karte nicht hervorgeht – bespielt ebenfalls mit wenigen Konzerten die ostfriesische Halbinsel. Zum besseren Verständnis der Karte, und um Verwunderungen vorzubeugen, sollte man sich vor Augen halten, dass es sich um die wichtigsten Sommer-Klassik-Festivals handelt. So fehlt z. B. das Usedomer Musikfestival, da es erst im September beginnt.

Was für ein Abend

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Christian Tetzlaff, Foto: Karlheinz Krämer

Vor zwei Jahren erschien im Hamburger Abendblatt ein Porträt, das Christian Tetzlaff als Gegenmodell zum massentauglichen David Garrett darstellte. Ein norddeutsch sympathischer und bodenständiger Typ sei er (immer die gleiche Kurzhaarfrisur!), der mit Starrummel nichts anfangen kann. Sein Motto: „Die Menschen zu berühren, die ins Konzert kommen und vielleicht – im Idealfall – dafür zu sorgen, dass sie ihr Leben nachher anders fühlen, ist doch ein wunderbares und wichtiges Ziel!“. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Matthias Kirschnereit dieses Motto zum Start der Gezeitenkonzerte ganz ähnlich formuliert.

„International berühmt“, „Weltstar“ – solche Worte fallen ja schnell. Aber Christian Tetzlaffs Konzerttermine sind wahrlich global. Und man muss sich nur einmal die euphorische ausländische Presse (vor allem in den USA) durchlesen, um das Renomee dieses Mannes zu verstehen. Vorige Woche spielte er in Chicago und Montreal, im September stehen die Royal Albert Hall in London, die Berliner Philharmonie, Zürich, Paris und Stockholm an.

Die Kirche Remels mutet in dieser Reihe der bedeutendsten Spielorte der Welt fast ein bisschen exotisch an. Große Dankbarkeit sprach Landschaftspräsident Helmut Collmann darum auch den Sponsoren aus, die das Konzert ermöglichten. Dankbar nahmen auch die Besucher die beiden Ausnahmemusiker an. Allen war bewusst: Dieser Abend, diese Künstler sind etwas Besonderes.

Die Kirche war so voll, dass wir auf der Bühne noch Besucher platzieren mussten. Die Musiker fühlten sich dadurch nicht gestört, und wir waren froh, den Platz nutzen zu können. Wie die beiden dann die Beethovensonate spielten, war atemberaubend. Christian Tetzlaff verfügt über ein solches Register an Ausdrucksmöglichkeiten, wie es wirklich nur ganz wenige Geiger besitzen. Auf allen Lagen war das Spiel und der vollendete Klang so nuancenreich, dass in der Kirche eine atemlose Stille herrschte.

Dass Matthias Kirschnereit die Violine perfekt ergänzte, muss ja kaum gesagt werden. Die beiden sind seit langem befreundet und sprechen musikalisch die gleiche Sprache.Etwas bange war uns um die Glockenschläge. Leider konnten die Zuschauer auf der Empore das Uhrwerk hören, und die Glocke ließ sich auch nicht ausschalten. Zum Glück passten die 22:00-Uhr-Schläge perfekt in die Pause zwischen den Schumann-Sätzen.

Schumanns Große Sonate op. 121 ist tiefgründig und vielschichtig.  Der leidenschaftlich drängende d-Moll Gestus prägt den Kopf- und Schlusssatz. Ein sehr zarter dritter Satz besteht fast nur aus gezupften Akkorden. Interessant sind auch die harmonischen Wendungen: So wird die Zieltonart D-Dur erst ganz am Ende in der Coda atemlos erreicht, fast so, als wäre es zu spät. Es bleibt das Gefühl, als würde Überdruck herrschen. Zum Glück entlädt sich der Überdruck im Konzert in den Applaus. Langer Applaus, bis die Hände schmerzen. Dann eine Zugabe. Beethoven. Nochmal langer Applaus. Was für ein Abend!

Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit, Foto: Karlheinz Krämer

Neuigkeiten zum Schluss

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Kurpfälzisches Kammerorchester Mannheim

Gestern gab es in der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden ein Pressegespräch mit Harald Lesch, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems, Bankdirektor Klaas Müller, Raiffeisenbank eG Moormerland, und Sprecher der Kreisarbeitsgemeinschaften der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Ostfriesland, Dirk Lübben und mir von der Ostfriesischen Landschaft. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Ostfriesland fördern das Schlusskonzert der Gezeitenkonzerte, und da es ein paar Neuigkeiten gab, war es an der Zeit, diese mit Hilfe der Presse auch der Öffentlichkeit mitzuteilen.

In der letzten Zeit haben sich bei uns in der Landschaft die Ereignisse überschlagen. Zuerst war Ulfert Woydt, Geschäftsführer der Heidelberger Philharmoniker, eine Zeitlang schlecht erreichbar, dann suchte er uns persönlich auf, um mitzuteilen, dass der Umbau „seiner“ Spielstätte sich so weit verzögert hatte, dass die Stadt Heidelberg ihn mit den Philharmonikern und dem Dirigenten verpflichtet habe, Anfang September umzuziehen. Wer schon einmal privat umgezogen ist, weiß, was da so alles dran hängt: Mit einem ganzen Orchester möchte ich persönlich das überhaupt nicht ausprobieren. Unsere Gesichter wurden ob dieser Ankündigung schon ein wenig länger, aber dann kam die gute Nachricht: Die Stadt Heidelberg hat für wirklich adäquaten Ersatz gesorgt, sodass unser diesjähriges Gezeiten-Schlusskonzert in der Johannes a Lasco Bibliothek vom Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim (KKO) unter der Leitung von Ivo Hentschel gemeinsam mit Matthias Kirschnereit durchgeführt wird. (Die tatsächliche Besetzung wird größer sein als die auf dem Foto abgebildete.) Der NDR war damit auch sehr zufrieden, zumal die zuständige Ansprechpartnerin für uns aus dieser Region kommt und mit der Orchesterlandschaft dort vertraut ist. Schließlich soll das Konzert mitgeschnitten werden.
Als Bonbon haben wir dann mit dem Geschäftsführer des KKO ausgeknobelt, dass noch eine öffentliche Generalprobe vormittags ab 11:00 Uhr zum halben Ticketpreis angeboten wird. Die Idee, diese auch für Schüler zu öffnen, wird sich vermutlich leider nicht verwirklichen lassen, da zurzeit Ferien sind und die Schüler und Lehrkräfte erst Anfang September in die Schulen zurückkehren. Frau Wagner von der Emder Zeitung fragte während des Pressegespräches gleich ketzerisch nach, ob sie sich das tatsächlich so vorstellen dürfte, dass bestimmte Passagen auch öfter angespielt würden. Davon gehe ich aus, und wir beide waren uns schnell einig, dass das auch seinen Reiz hat.

Wir sind sehr froh, dass sich mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken in Ostfriesland, der Oldenburgischen Landesbank und der Bremer Landesbank gleich drei konkurrierende Banken für die Förderung der Gezeitenkonzerte entschieden haben. In diese Riege der großen Unterstützer reihen sich neben Statoil als Hauptförderer auch die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur ein. Hinzu kommen die zahlreichen Konzertförderer und Einzelspender. Jedem von ihnen gilt unser großer Dank, ebenso wie unserem Kulturpartner NDR Kultur.

Nur ein Stehplatz – aber was für einer

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Christian Tetzlaff, Foto: Giorgia Bertazzi

So, nun liegen nur noch fünf Gezeitenkonzerte vor uns. Fast ergreift einen schon ein bisschen Wehmut, da bald bereits der erste Durchgang der Gezeitenkonzerte vorbei ist. Alle Konzerte, die jetzt noch kommen, sind in meinen Augen – ein jedes für sich natürlich, da sie schlecht vergleichbar sind – Highlights. In dieser Woche freue ich mich besonders auf das Zusammenspiel von Matthias Kirschnereit, den ich in diesem Jahr einige Male auch schon als Musiker erleben durfte, und Christian Tetzlaff. Seit langem sind die beiden befreundet und freuen sich jedes Mal, wenn ihnen die Gelegenheit geboten wird, gemeinsam zu musizieren. Bei unserem ersten Gespräch im Januar schwärmte mir Matthias bereits von diesem Menschen vor und lud mich zu einem – wie ich dachte – gemeinsamen Konzert in Bremerhaven ein. Leider war es mir an diesem Abend nicht möglich, dorthin zu fahren, obwohl es quasi vor der Haustür gewesen wäre. Ein bisschen habe ich mich damals schon geärgert. Aber Dirk hat mich nun gerade aufgeklärt, dass es nicht Christian gewesen wäre, sondern Stephan Tetzlaff, der älteste Bruder, der dort das Philharmonische Orchester Bremerhaven dirigierte. Trotzdem!

Jetzt Donnerstag werde ich die Gelegenheit nutzen und wenigstens meinen Stehplatz – diesmal vor der Zwischentür – in der Kirche Remels verteidigen, um den Interpretation von Christian Tetzlaff und Matthias Kirschnereit der Werke von Debussy, Webern, Beethoven und natürlich Schumann zu lauschen.

Bislang wusste ich von Christian Tetzlaff nur, dass er ein unglaublich sympathischer Mensch sein soll. Und natürlich ein hervorragender Künstler. Genauso wie Matthias Kirschnereit hat auch er den ECHO Klassik verliehen bekommen. Er allerdings zweimal: 2004 und noch einmal 2007. Einer seiner häufigeren Kammermusikpartner ist Lars Vogt, der ebenfalls bei den Gezeitenkonzerten hätte auftreten sollen, und seine Schwester, die Cellistin Tanja Tetzlaff. Des Weiteren spielt er zusammen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und ist durch dieses Zusammenspiel bereits vielen aus der Region bekannt. Darüber hinaus tourt er mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra unter Andris Nelsons durch Spanien und Frankreich. Nach Fernost geht es mit dem NDR Sinfonieorchester unter Thomas Hengelbrock und weiteres steht in seiner Biografie. In der Laeiszhalle in Hamburg ist er quasi zu Hause, da er Residenzkünstler der Elbphilharmonie ist.

Das Gezeitenkonzert der beiden ist schon seit einiger Zeit ausverkauft. Zwischendurch haben wir sogar mal über einen Zusatztermin nachgedacht. Der kam aber leider aufgrund zweier übervoller Terminkalender nicht zustande.

Eine Premiere: Chopin in Marienhafe

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Lutz Görner und Elena Nesterenko, Foto: Karlheinz Krämer

Donnerstagabend gab Lutz Görner die Premiere seines neuen Programms „Chopin!“ vor ausverkauftem Haus bei den Gezeitenkonzerten in der Kirche zu Marienhafe. Der Rezitator, wie er sich selbst nennt, hatte die Biografie, die Franz Liszt zu seinem Freund Frédéric Chopin zwei Jahre nach dessen Tod verfasst hatte, seinem Programm zugrunde gelegt. Für die gefühlvolle musikalische Untermalung sorgte die Pianistin Elena Nesterenko. Schließlich sind alle Werke Chopins von viel Gefühl durchzogen und spiegeln die Empfindungen und Erfahrungen seines kurzen, von Wehmut und Krankheit durchzogenen Lebens wieder.

Gut gefiel das Bühnenbild, bestehend aus zwei beleuchteten Kirschbäumen, wobei sich mir und einigen anderen der tiefere Sinn der beiden Bäumchen leider nicht erschloss, und einer großen Leinwand dazwischen, auf der Lutz Görner Bilder aus dem Leben Chopins zeigte, gefolgt von den Händen der Pianistin während ihres Spiels – eine eindrucksvolle Möglichkeit, auch von ganz hinten das Gefühl zu haben, vorne dabei zu sein. Elena Nesterenkos Spiel wurde mehrfach von donnerndem Zwischenapplaus gekrönt. Görner saß rechts neben dem Flügel an einem Tischchen, rezitierte und bediente gleichzeitig die Technik. Einige Gäste hatten Schwierigkeiten, ihn zu verstehen und baten in der Pause darum, den Ton lauter zu machen, bzw. ihm ein Mikrofon zu geben. Obschon er nicht der Meinung war, dass es nötig sei, hat er auf Intervention Matthias Kirschnereits dessen Bitte nachgegeben. (Ich muss dazu sagen, dass ich ganz hinten saß und ihn zu jeder Zeit gut verstehen konnte.) Zum Abschluss gab es dann auch Standing Ovations und lang anhaltenden Applaus.

Entgegen der Rezensionen in der Presse heute (s. Rubrik Presse hier im Blog, aus rechtlichen Gründen fehlt die aus dem Ostfriesischen Kurier) gefiel vielen das zweistündige Programm (mit Pause) ausnehmend gut. Ein Herr sprach mich sogar heute in der Mittagspause an, um mir das zu sagen, gerade weil er die Rezensionen ebenfalls gelesen hat.
Wir freuen uns über die unterschiedlichen Meinungen und Empfindungen und dass die Presse schreibt, was sie denkt. Gerne darf dabei auch mal etwas Kritisches herauskommen: Lutz Görner will nicht gefallen, er will polarisieren. Das merkte man allein an seinen einladenden Worten zum Abkürzen der Pause: „Ihr lahmarschigen Ostfriesen, kommt mal wieder rein; dann können wir hier weitermachen!“ Diese und andere Äußerungen sind sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber Görner ist bestimmt nicht der Einzige, der nicht immer nur gefallen möchte.

Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern