Wenn man das Gotteshaus von Ditzum finden möchte, darf man nicht nach einem „normalen“ Kirchturm Ausschau halten. Als 1846 der Ditzumer Marten Bruns Schmidt den Auftrag bekam, für die Kirche einen neuen Turm zu errichten, gab er ihm die Gestalt eines Leuchtturmes.
Die Kirche entstand im frühen 13. Jahrhundert als Apsissaal. Jetzt hat sie einen geraden Abschluss an der Ostseite und die hochgelegenen, ursprünglich rundbogigen Fenster sind nur noch an der Nordseite zu sehen. Um Licht in die Kirche zu lassen, erweiterte man die Südfenster. Die romanischen Portale sind jetzt vermauert und man betritt die Kirche durch ein 1949 neu entstandenes Westportal.
Da die Kirche im Kriege stark gelitten hatte, waren Erneuerungen notwendig geworden, die sich auch im Innenraum zeigen. Dieser ist von einem hölzernen Tonnengewölbe überdeckt. Von der einstigen Apsis kann man noch den Bogen erkennen.
Dass diese Kirche das Gotteshaus einer evangelisch-reformierten Gemeinde ist, erkennt man an der Anordnung ihrer Einrichtung. Vor der Ostwand stehen die Orgel, 1965 von Karl Schuke (Berlin) erbaut, und der Abendmahlstisch aus Eichenholz mit Intarsien aus Ebenholz und Palisander (1660).
An der Südwand, umgeben von den Kirchenbänken, ist die Kanzel befestigt, 1684 ebenfalls aus Eichenholz gefertigt und mit Eschen- und Ebenholzintarsien verziert, die eine Vielzahl von Motiven biblischen Ursprungs darstellen.
Rechts neben der Kanzel ist ein Sarkophagdeckel aus dem 12. Jahrhundert in die Wand eingelassen. Er zeigt das arg mitgenommene Relief einer betenden Gestalt, umrahmt von einem Rankenfries. Weitere Reste romanischer Sarkophagdeckel und Grabplatten Ditzumer Prediger sind in der Kirche aufbewahrt.
Die Kronleuchter von 1803 und 1810, in denen zur Weihnachtszeit auch heute noch Kerzen entzündet werden, sind Stiftungen von Ditzumer Familien.
Beim Gang über den Friedhof findet man, wie überall in Ostfriesland, viele der alten, eigentümlichen Vornamen, die zum Teil auch heute noch gebräuchlich sind.
Gleich neben der Manningaburg, in der ein Museum zur ostfriesischen Häuptlingsgeschichte untergebracht ist, liegt die Nicolai-Kirche, ein Saalbau mit polygonalem Chor aus dem 15. Jahrhundert. 1862 bekam sie neue Außenwände und ein Westportal, bei dem eine Arkade des ehemaligen Lettners aus dem 15. Jahrhundert Verwendung fand sowie eine Inschriftenplatte, datiert 1541. Der neben der Kirche stehende Glockenturm hat ebenfalls eine neue Ummantelung.
Der Innenraum ist seit 1862 von einer gewölbten Holzdecke überzogen.
In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Kircheninnere umgestaltet. Das Kirchengestühl wurde ersetzt. Eine schlichte Altar-Mensa steht nun an Stelle des ehemaligen Flügelaltars im Chor, der wahrscheinlich abgängig war.
Die spätgotische Sakramentsnische mit ihrem rot-weiß gefassten Spitzbogen und dem Sternenmuster im Giebel entstand im 15. Jahrhundert. In solchen Nischen, die meistens in die Nordwand des Chores eingelassen waren, wurden, durch Gittertüren gesichert, die geweihten Hostien fürs Abendmahl aufbewahrt. →Weiterlesen… “Nicolai-Kirche Pewsum”
Das Dorf Horsten liegt auf einem nordöstlich in die tiefer gelegene Marsch hineinragenden Geestsporn und eigentlich hätte es keinen künstlich aufgeschütteten Hügel gebraucht, um die Kirche vor dem bei Sturmfluten die Marsch bedrohenden Wasser zu schützen, wie es hier in Form von sogenannten Warfen bei allen Siedlungen der Fall war, ehe sich ein geschlossenes Deichband an der Küste entlang zog. Der hohe Kirchhügel wurde also aufgeschüttet, um der Kirche eine herausragende Stellung zu geben. Im 13. Jahrhundert, als sie gebaut wurde, errichtete man keine hoch aufragenden Kirchtürme, sondern brachte die Glocken, wie auch hier in Horsten, in abseits stehenden, niedrigen Glockenstühlen unter, die oft zuerst aus Holz bestanden.
Der Kirchenbau in seiner beeindruckenden Höhe ist ein Apsissaal. Er stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und wurde aus Backsteinen auf einem Sockel aus Granit errichtet. Vorher stand hier, das haben archäologische Untersuchungen ergeben, eine hölzerne Kapelle, ein rechteckiger Bau von etwas geringeren Ausmaß und etwa zweieinhalb Meter tiefer gelegen. Den romanischen Ursprung der Kirche kann man an der Nordseite mit ihren rundbogigen Fenstern noch gut erkennen, auch an der Apsis, die jedoch 1786 erhöht wurde.
Der Raum ist wohl nie überwölbt gewesen, sondern hat immer eine flache Holzdecke gehabt. Das ehemalige Gewölbe der Apsis zog man bei ihrer Veränderung 1786 bis zur Decke hinauf.
Es fällt auf, dass sich in früheren Jahrhunderten die Menschen in Horsten sehr um ihre Kirche und damit um ihr eigenes Seelenheil gekümmert haben. Viele der Inventarstücke sind Stiftungen.
Das Altarretabel, das auf einer steinernen Mensa steht, zu der zwei Stufen hinaufführen, entstand 1666. 1684 stifteten „Johan Wessels und dessen Hausfrau Agata Margareta Deckers“ die Kniebänke „Gott zv Ehren vnd seiner Kirchen zvm Zierrat“. Der Altaraufsatz, dessen Künstler man nicht kennt, zeigt zwischen schwarz-grauem Schleierwerk das Abendmahl und darüber die Kreuzigung. Am Tisch sitzen die Apostel, von denen man meinen könnte, Charakterköpfe aus der Gemeinde hätten dem Maler dazu Modell gestanden. Die Gewänder der Personen im Vordergrund mit ihrem farbenfrohen Faltenwurf, die Weinkanne, der Kerzenleuchter und der Kelch auf dem Tisch – alles zeugt von barocker Darstellungsfreude. Im Hintergrund der Kreuzigungsszene, die, im Gegensatz zu vielen anderen Kreuzigungsdarstellungen, nur Jesus am Kreuz zeigt, sind die Mauern Jerusalems zu sehen und dahinter ein runder Tempel mit Kuppel. Hier könnte es sich um den Tempel Salomons handeln, also um einen Rückblick auf das Alte Testament.
An der Nordwand hängt eine hölzerne Tafel, auf der in mittelniederdeutscher Sprache des 16. Jahrhunderts der kleine Katechismus (die zehn Gebote – mit dem Calvinistischen zweiten Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen –, das Glaubensbekenntnis, der Taufbefehl und die Einsetzungsworte) geschrieben steht. Unten rechts und links stehen die Figuren von Martin Luther (Dr. ML) und Philipp Melanchthon (PhM). Dieser sogenannte Schriftaltar stammt aus der Zeit bald nach der Reformation und hatte seinen Platz auf der Altarmensa. Die Reformatoren verbannten die Bilder aus den Kirchen und stellten dafür das Wort Gottes und die Lehren der Kirche in den Mittelpunkt des Gottesdienstes. Abendmahls- und Kreuzigungsaltäre wurden bei den Lutheranern weiterhin geduldet. Während die Calvinisten bei ihrer Bilderächtung blieben, zogen in die lutherischen Kirchen wieder Bildaltäre ein, allerdings bleiben die Heiligen, die den Katholiken als Mittler zwischen Gott und dem Gläubigen dienen, draußen. Dargestellt wurden vorwiegend Geburt, Leben und Passion Jesu. Von den vorreformatorischen über 100 Altären und 200 bis 300 Nebenaltären im ostfriesischen Raum blieben nur noch 17 Hauptaltäre bzw. Altarfragmente in den Kirchen stehen.*
Rechts und links der Apsis stehen zwei Priechen. Die linke ist der „Beichtstuhl und Prediger Stand“ von 1698. Rechts befindet sich der Kirchenstuhl „des wohl löblichen Ostfriesischen Dritten Standes Administrator“ Otto Bley. Er kam 1730 in die Kirche. Dieser Otto Bley war von 1724 bis 1734 Administrator der Ostfriesischen Landschaft und gehörte dem Stand der Bauern an. Seine Nachkommen waren Pächter des königlichen Horster Grashauses, des damals größten Bauernhofes Ostfrieslands mit etwa 250 ha Land. Seine Enkel stifteten ihm 1773 eine Gedächtnistafel, die an der Südwand hängt. 1993 fand man auf dem Friedhof eine Grabplatte, die nun ebenfalls an der Südwand steht. Sie trägt die Inschrift: „Erbare und vorneme Heinrich Hillers Bley Ehr und tugensame Trinke Weiers seligen Heinrich Hillers Hausfrau“. Das könnten die Vorfahren von Otto Bley gewesen sein. Von den schönen Kronleuchtern aus Messing stammt der größte laut Inschrift von 1732 und wurde von Otto Bley gestiftet. Auch die anderen drei Leuchter aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind sicher Stiftungen von Gemeindemitgliedern. Der zierliche hölzerne Taufständer ist ebenfalls eine Stiftung, laut Inschrift von Iohan Wessels 1696.
Die Kanzel mit ihrer langen Säulengalerie stammt aus der Werkstatt der Esenser Holzschnitzerfamilie Kröpelin. Sie wurde vom Vater Jacob 1655 geschaffen. Er und seine Söhne Johann und Hinrich haben in Ostfriesland im Laufe des 17. Jahrhunderts zahlreiche Altäre und Kanzeln geschaffen. Am Kanzelkorb ist in der Szene der Auferstehung das Monogramm „IK“ des Meisters zu sehen.
Die Orgel baute Samuel Schröder aus Jever. Sie wurde 1731-33 gebaut und ist die einzige dieses Orgelbaumeisters in Ostfriesland. 1985 wurde sie in der Orgelwerkstatt Alfred Führer rekonstruiert und gründlich instand gesetzt. Dabei befreite man das Orgelgehäuse von späteren Farbfassungen, sodass der prächtige barocke Orgelprospekt nun wieder zur Geltung kommt.
Text: Monika van Lengen
*Marwede, Herbert R.: Vorreformatorische Altäre in Ost-Friesland. Phil. Diss. Hamburg 2006
(Weitere Informationen zur Kirche finden Sie in dem in der Kirche ausliegenden Faltblatt.)
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstand die Saalkirche mit vieleckigem Chor am Nordende des Ortes. Die ältere Gemeindekirche lag am südlichen Ende des Dorfes und an der Stelle der heutigen Kirche stand laut Überlieferung eine Kapelle. Die alte Kirche wurde dann 1556 „nedergewurpen“, wie es in der „Cronica der Fresen“ von Eggerik Beninga (+1562) heißt „und den Volleners die ander darmede to vorbeteren togestaen“. * →Weiterlesen… “Peter-und-Paul-Kirche Völlen”
Mehr als hundert Jahre dauerte es, ehe sich die Reformierten im „lutherischen“ Norden eine eigene Kirche bauen konnten. Seit 1612 durften sie immerhin Gottesdienst abhalten, mussten dazu aber in das vier Kilometer entfernte, reformierte Lütetsburg. Nach vielen Eingaben bekamen sie 1679 vom dort herrschenden Grafen Dodo II. von Knyphausen die Erlaubnis, in seiner Herrlichkeit, nämlich in Bargebur direkt von den Toren Nordens, gegen den Widerstand der Norder und trotz des Bauverbots der fürstlichen Regierung, eine Kirche zu errichten.
Seit einiger Zeit schon hatten sie, weil durch den Umbau des Schlosses die Schlosskapelle nicht mehr zugänglich war, in der Bargeburer Ölmühle Unterschlupf gefunden.
In Norden herrschte ein erbitterter Streit um den rechten Glauben. Kurz nach Beginn der Bautätigkeit kam es deshalb zu einem Aufruhr der Norder Lutheraner, die sich, manche mit „Feuerrohren“ bewaffnet, zusammenrotteten und den begonnenen Bau nebst Baumaterial vernichteten. Danach berichteten sie stolz, sie hätten „das Zwingli’sche Nest verheeret“. Nur unter dem Schutz der Brandenburgischen Truppe, die in Greetsiel lag, konnte die Kirche 1684 endlich gebaut werden. Die in Ostfriesland residierende Fürstin Christine Charlotte, selbst überzeugte Lutheranerin, musste widerwillig der Gründung einer reformierten Kirchengemeinde in Norden zustimmen.
Der schlichte Backsteinbau hat große, rundbogige Fenster, und seine Glocke befindet sich in einem Dachreiter auf dem Walmdach.
Durch einen Vorraum betritt man das von einer gewölbten Decke überspannte Kircheninnere. An der Nordwand befindet sich die Prieche, das logenartige Kirchen-gestühl, der In- und Knyphausenschen Familie. In der Gruft unter der Kirche wurden bis 1790 die Familienmitglieder bestattet. Seitdem dient die „Insel der Seeligen“ im damals neu angelegten Landschaftspark des Lütetsburger Schlosses als Familien-Friedhof.
Die Orgel stammt aus der Werkstatt W. Beckmann, Einbeck. Sie entstand im Erbauungsjahr der Kirche und wurde 2004 vom Orgelbauer Bartelt Immer aus Norden restauriert.
Text: Monika van Lengen
Ev.-ref. Kirche Bargebur
Alter Postweg
26506 Norden-Bargebur
Im Jahre 1765 bestimmte Preußens König Friedrich II., Herr über Ostfriesland, wie die Moore in seiner Provinz kultiviert werden sollten, in einem „Edikt wegen Urbarmachung der in Unserm Fürstenthum Ostfriesland und dem Harlingerlande befindlichen Wüsteneyen, wobey zugleich die Principia Regulativa festgesetzet werden, nach welchen bey Ausweisung der wüsten Feldern und bey Entscheidung der darüber entstehenden Streitigkeiten zu verfahren“.
Unter den 31 Kirchen des Rheiderlandes nimmt dieses Gotteshaus aus dem letzten Drittel der 13. Jahrhunderts eine herausragende Stellung ein. Hoch hinauf streben die Mauern, die auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes mit fast gleichlangen Armen erbaut wurden. Der angebaute Satteldachturm unterstreicht dadurch, dass er das Kirchendach nur wenig überragt, die Höhe der Kirchenwände, die durch romanische Schmuckelemente gegliedert sind. Trotz der später vergrößerten Fenster wirkt der Bau „wie aus einem Guss“. Etwas ganz Besonderes sind die bemalten Gewölbe, die, und das ist in Ostfriesland sehr selten, unbeschadet die Jahrhunderte überstanden haben. Florale und geometrische Formen sowie ein seltsames geflügeltes Wesen lassen erahnen, wie dekorativ und rätselhaft die mittelalterliche Bildersprache war. (Detaillierte Beschreibung siehe unten). Aus der Romanik stammt die Bentheimer Sandsteintaufe, verziert mit einem Rankenfries und Tauornamenten. Die mit Intarsienarbeiten geschmückte Kanzel entstand um 1600.
Noch eine Besonderheit hat die Kirche zu bieten: In einem Gehäuse, das 1848 von dem Papenburger Orgelbauer Eike Schulte, der von 1813-1848 in Ostfriesland wirkte, geschaffen wurde und das mit Hilfe eines alten Fotos 1848 rekonstruiert werden konnte, befindet sich eine „französische Orgel“. Sie wurde 1997 nach dem Vorbild eines Instrumentes erbaut, das der Orgelbauer Louis-Alexandre Clicquot, Mitglied der bedeutendsten Orgelbauerfamilie Frankreichs vor dem 19. Jahrhundert, 1734 in Houdan bei Versailles geschaffen hatte. Das dreimanualige Instrument mit selbständigem Pedal und 23 Registern bauten die Orgelbauer Claude Jaccard, Reinalt Klein und Bartelt Immer. Es ist die erste konsequent im klassisch-französischen Stil gebaute Orgel Deutschlands. Das Besondere des französischen Orgelstils, der zu Beginn des 18. Jahrhundert – nicht zuletzt auch infolge der Hugenotten-Einwanderung – einen großen Einfluss im deutschsprachigen Raum gewann, liegt in den typischen Klangfarben, wie den brillanten Trompetenregistern, dem Solo-Cornet und dem Terzenspiel.
Text: Monika van Lengen
(Aus: Rheiderlands Kirchen. Hrsg. von den Kommunen und Kirchengemeinden des Rheiderlandes. Red. Marianne Gerke u.a. Weener 2000)
Die Gewölbemalereien in der Kirche von Stapelmoor
Romanische Kirchen waren immer innen ausgemalt und besaßen auch außen einen Anstrich. Ohne Malerei zeigt sich uns heute ein romanischer Kirchenbau eigentlich nur noch als „Skelett eines ursprünglichen Organismus“.
Auch die Wände der Kirche in Stapelmoor werden vollständig mit Wandmalereien bedeckt gewesen sein. Vielleicht waren es – wie in vielen Kirchen der damaligen Zeit – Heilige, deren Darstellung die Kirchenwände schmückten. So findet man oft den Heiligen Christophorus mit dem Jesuskind auf den Schultern oder in Italien Sankt Franziskus, den „Lieblingsheiligen“ der Italiener. Oder an der Westwand – der „weltlichen Seite“ der Kirche – die drastische Darstellung des Jüngsten Gerichts, die dem Gläubigen die Folgen seines Tuns im Diesseits mit auf den Weg gab.
In Stapelmoor waren, wie in fast allen ostfriesischen Kirchen, die Malereien an den Wänden und in den Gewölben verschwunden – bis man Reste von ihnen 1964 unter der weißen Tünche wieder fand und anschließend restaurierte. Zwar ist nur noch ein Bruchteil dessen zu sehen, was einst vorhanden war, aber auch diese Reste können uns heute einen Eindruck von dem verschaffen, was das Innere der Kirche einst barg: eine Malerei, die in ihrer Vielfalt und symbolischen Bedeutung voller Spannung war und deshalb auch noch heute die Aufmerksamkeit des Betrachters erheischt.
Was zu sehen ist, scheint sich auf den ersten Blick zu erschließen: verschiedene Muster, die sich in den Gewölben wiederholen und abwechseln und die sich zu einem interessanten farbigen „Patchwork“ ergänzen.
Nun ist es aber so, dass in der mittelalterlichen bildlichen Darstellung eine Symbolik verborgen war, die sich uns nicht mehr erschließt: Pflanzenornamente, geometrische Formen und gar figürliche Darstellungen wurden nicht willkürlich vom Maler gewählt, weil er sie schön fand, sie waren vielmehr „bildliches Echo der Liturgie“. Der mittelalterliche Mensch verstand, was gemeint war, wurde belehrt und gestärkt durch die tiefere Bedeutung der Bilder. Lesen konnte er vielleicht nicht, aber Bilder deuten, die sich uns heute verschließen wie Buchstaben eines Alphabets, das wir nie lernten.
In einigen Beispielen sei hier eine Erklärung gegeben zum tieferen Verständnis oberflächlich gesehener Darstellungen:
Immer wieder, vor allem im südlichen Gewölbe, taucht die stilisierte Lilie auf. Blumen waren beliebte Symbole der mittelalterlichen Malerei. Auch in der Renaissance finden wir auf vielen Gemälden christlicher Themen Darstellungen von Blumen. Was auf den ersten Blick wie Dekoration wirkt, ist in Wirklichkeit mit Bedacht gewählt: In einem Blumenstrauß, der auf einem Gemälde von Maria mit dem Jesuskind dargestellt ist, deutet ein Veilchen z.B. auf die Kreuzigung hin. Und eine Lilie bei der Verkündigung erzählt von der Reinheit und Keuschheit Marias. In der Bauornamentik ist die stilisierte Lilie das Gnadensymbol. Sie erscheint auch als formelhafte Verkürzung des Symbols des Lebensbaumes. Dieses Motiv steht für den „Baum des Lebens“ als Erlösungsmotiv. Er hat aber auch die Bedeutung des „Baumes der Erkenntnis“, der durch den Sündenfall zum „Baum des Todes“ wird. Wenn man die Blätterranken im Gewölbe betrachtet, kann man eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Rankenfries am Taufbecken feststellen. Dort finden sich zwischen den Blättern stilisierte Weintrauben und wenn man genau hinsieht, kann man diese auch zwischen den Ranken im Gewölbe entdecken. Was liegt hier näher, als an das Wort Jesus zu denken: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“. Die einzige figürliche Darstellung in den Gewölben ist eine Gestalt mit menschlichem Kopf und Tierkörper. Sie trägt eine merkwürdige Zipfelmütze und hat Flügel. Diese Figur scheint der griechischen Sagenwelt entliehen zu sein: eine Harpyie vielleicht, eine griechische Unheilsdämonin. Die hat aber eigentlich einen Vogelkörper. Oder ein Silen, ein Mischwesen aus Pferd und Mensch, ein Fruchtbarkeitsdämon. Aber der dürfte dann keine Flügel haben. Aus der antiken Mythologie entlehnte Dämonen finden wir in der mittelalterlichen Darstellung öfter. Auf Taufbecken, im Wandfries der Kirche von Marienhafe, als Wasserspeier an gotischen Kirchen. Sie stellen das Böse dar, das durch das christliche Evangelium überwunden wird. Sicher haben sich in den Gewölben noch andere rätselhafte Wesen getummelt, die nun jedoch auf immer verloren gegangen sind.
Text: Monika van Lengen
Ev.-ref. Kirche Stapelmoor
Hauptstraße 65
26826 Weener-Stapelmoor
Am Rande von Timmel, das als “Timberlae” schon um das Jahr 900 bekannt war, steht auf einer Warf der lang gezogene, von einem Tiroler Baumeister entworfene Kirchenbau von 1736 mit seinen Fenstern im gotischen Stil und dem Glockenturm, der 1850 angebaut wurde. Bevor dieser Bau entstand, gab es an derselben Stelle zwei Vorgängerkirchen. Bei Grabungen 1976 stieß man auf Brandspuren einer Holzkirche. Darüber entstand im 13. Jahrhundert eine Backsteinkirche, die im 18. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste.
Der Namenspatron Warnfried war ein englischer Friesenmissionar, der im Jahr 760 starb. Ihm wurde die einschiffige Kreuzkirche bei ihrer Fertigstellung im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts geweiht. Querschiff und Chor mussten 1830 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Langschiff und Turm wurden gleichzeitig verkürzt. Das Vorbild für diesen Sakralbau steht im nur drei Kilometer entfernten Marienhafe. Ebenso wie dort gab es an Chor und Querschiff Nischen, die für Skulpturen gedacht waren, von denen sich jedoch keine Spuren mehr fanden.
Innenschiff
Im Innern der Warnfriedkirche sind an den Wänden noch die Rumpfsäulen zu erkennen, auf denen einst die 1686 eingestürzten Gewölbe ruhten. Der Kirchenraum ist nun mit einer schönen, mit geometrischen Formen verzierten Decke überzogen. Die Ostwand richtete man neu auf und versah sie mit zwei großen, spitzbogigen Fenstern, die viel Licht in die Kirche fallen lassen. →Weiterlesen… “Warnfriedkirche in Osteel”
Die Kirche in Groothusen war für uns eine der neuen Entdeckungen dieses Jahres. Die Krummhörn hat wirklich viele, wunderschöne Gotteshäuser zu bieten, von denen wir längst noch nicht alle gesichtet haben.
In Groothusen kam noch dazu, dass wir unglaublich herzlich empfangen wurden und uns eine große Hilfsbereitschaft und ein Hunger nach Kultur entgegengebracht wurde. So freuen wir uns also auf das dortige Debüt der Gezeitenkonzerte mit dem Duo Arp / Frantz am 28. Juni 2013 um 20:00 Uhr.
Groothusen
Nähert man sich von Greetsiel aus Groothusen, dann kann man seine ursprüngliche Form als lang gezogene Siedlung noch gut erkennen. Der Ort war eine Handelsniederlassung auf einer Wurt, der über die inzwischen verlandete Sielmönkener Bucht Zugang zum Meer hatte. →Weiterlesen… “Reformierte Kirche Groothusen”
Durch einen malerischen Backstein-Torturm aus dem 14. Jahrhundert betritt man den Friedhof, an dessen höchster Stelle die St. Martinskirche steht. An ihrem Äußeren kann man ablesen, dass sie in drei Phasen gebaut wurde. Der älteste Teil ist das westliche Kirchenschiff, das noch fast bis zum Dach aus so genannten Granitquadern besteht.
Dies ist der östliche Rest eines ganz aus Granitsteinen gebauten Apsissaales aus dem frühen 13. Jahrhundert. Um 1300 wurden der westliche Teil und die Apsis abgerissen. Dafür entstanden drei neue Joche im Osten, erkennbar durch die Mauern aus Backstein und Tuff im oberen Teil und die spitzbogigen Fenster mit umlaufenden Rundstäben.
Der Backsteinturm im historisierenden Stil entstand 1897/98.
An der Nordwand des Kirchenschiffes sieht man Kette, Halseisen und Podest eines Prangers. Als Mittelpunkt der Landesgemeinde Lengen war Remels Ort der Rechtsprechung. War ein Täter oder eine Täterin verurteilt, so wurde er oder sie „an den Pranger gestellt“. Was für uns heute nur noch eine im übertragenen Sinne gebräuchliche Redensart ist, war für den mittelalterlichen Menschen peinsame Realität: Verachtung und Hohn der Rechtschaffenen ergoss sich über ihn, und er bekam wohl auch schon mal Wurfgeschosse von faulem Gemüse oder Schlimmeren zu spüren, ganz abgesehen von der Schande, die ihm ein Weiterleben in der Gemeinschaft fast unmöglich machte.
Vor der Kirche ist seit einigen Jahren wieder ein Steinsarkophag aus dem 12. Jahrhundert aufgestellt, der 1911 zufällig im Boden gefunden und ins Heimatmuseum Leer transportiert worden war. In solchen aufwändigen Steinsärgen, die mit ähnlichem Deckel, wie dem auch neben der Kirche aufgestellten, geschlossen waren, beerdigten die Wohlhabenden der Gemeinde ihre Toten. So war sichergestellt, dass sie bei der Auferstehung noch alle Gebeine beisammen hatten. Später dann endeten diese Sarkophage des Öfteren als Viehtränken auf den Kuhweiden.
Der Innenraum
Der gewölbte Innenraum ist in vier Joche unterteilt, an der Ostwand des westlichen Joches sind noch die Ansätze der alten Apsis zu erkennen. Von der ornamentalen Ausmalung ist im Chorjoch ein Fries aus Akanthusblättern aus dem 13. Jahrhundert erhalten geblieben. Die Rankenmuster an der Ostwand und im Chorgewölbe entstanden etwas später.
Ein bemalter Flügelaltar, den der Bildschnitzer und Maler Tönnies Mahler aus Leer um 1667 schuf, zeigt in der Mitte das Abendmahl und seitlich Szenen aus der Jugend Christi. Von Karfreitag bis Ostern werden die Seitenflügel geschlossen, und die Gemeinde sieht dann die Passion Jesu.
Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt das Taufbecken aus Bentheimer Sandstein. Die Cuppa ruht auf vier Trägerfiguren, die unter ihrer Last zusammenzubrechen scheinen. Sie ist mit einem Fries aus Akanthusblättern geschmückt, der von Taustäben und Perlschnüren umrahmt ist. Wann der Taufstein seine farbige Fassung bekam, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich wurde die rote Farbe auf der Cuppa und die blaue auf dem Fuß in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aufgetragen. Die barocke Kanzel mit gedrehten Säulen und den geschnitzten Figuren der Evangelisten in Bogenfeldern entstand Ende des 17. Jahrhunderts.
Die zweimanualige Orgel mit angehängtem Pedal und 15 Registern baute Hinrich Just Müller, Wittmund, im Jahr 1782. Ihr Rückpositiv ist eine bis dahin selbstständige kleine Orgel, die in die Orgelbrüstung eingebaut und in die Gesamtanlage integriert wurde. 1978/79 wurde die Orgel restauriert, wobei nicht mehr erhaltene Teile weitgehend rekonstruiert wurden. Nun kann sich ihr edler Klang, auch wegen der hervorragenden Akustik in der Kirche, wieder gut entfalten.
Text: Monika van Lengen
Ev.-luth. St. Martinskirche Remels
Ostertorstraße
26670 Uplengen-Remels
Was von Sankt Mauritius zuerst ins Auge fällt, ist der zerstörte Backsteinturm. Er verbirgt mit seiner wuchtigen Gestalt fast die Kirche, wenn man sich ihr von Westen her nähert. Diese ist, wie man bei einem Rundgang erkennen kann, in mehreren Bauphasen entstanden.
Von der um 1200 ganz aus “Granitquadern” erbauten Kirche blieb nur der untere Teil erhalten sowie ein Portal an der Nordseite, das wesentlich tiefer liegt als das Niveau der heutigen Kirche. →Weiterlesen… “Die Sankt Mauritius-Kirche in Reepsholt”
Der älteste Teil der Kirche ist der Lambertiturm, das Wahrzeichen Aurichs. Er wurde im späten Mittelalter aus Backsteinen errichtet und 1682 mit einem achteckigen, mit Schiefer gedeckten Aufbau und einer Turmspitze versehen.
Die bald nach 1200 erbaute, schlichte Einraumkirche, die im 15. Jahrhundert erweitert wurde und deren Altarraum seit 1588 dem Grafen- und Fürstengeschlecht der Cirksena als Begräbnisstätte diente, wurde 1826 wegen Baufälligkeit abgerissen. Die Gebeine der ostfriesischen Herrscherfamilie fanden vorübergehend ihren Platz in einem Kellergewölbe, bis die Särge 1880 in das Mausoleum auf dem Friedhof überführt wurden. Die elf erhalten gebliebenen Sarkophage sind restauriert und man kann das Mausoleum besichtigen. (Den Schlüssel hat der Friedhofswärter.) →Weiterlesen… “Lambertikirche in Aurich”
In diese schöne, kleine Dorfkirche wurden die Gezeitenkonzerte im Winter vom Ortsvorsteher Henning Bernau eingeladen. Nach vielen Überlegungen und Terminverschiebungen haben wir für 2013 vereinbart, dass Cellist Julian Steckel dort auftritt und die Orgel leider nicht zum Klingen gebracht wird. Eigentlich war dafür Christoph Schoener, Kirchenmusikdirektor der Hamburger Michaeliskirche, gemeinsam mit Matthias Kischnereit und Bariton Andreas Schmidt angedacht. Julian Steckel ist jedoch ein würdiger Ersatz und freut sich auf seinen Auftritt bei den Gezeitenkonzerten. Auf uns wartet mit dem Buttforder Bürgerverein ein eingespieltes Team, das uns seine volle Unterstützung zugesichert hat.
Die Kirche
Die romanische Granitquaderkirche wurde um 1230 als rechteckiger Saalbau mit eingezogener Apsis erbaut. Die hoch sitzenden Fenster erweiterte man im 17. Jahrhundert, ebenso wurde die Westwand mit Backsteinen neu errichtet und die Apsis erhöht. Die Kirche ist heute flach gedeckt. Sie war einst mit drei Jochen überwölbt, auch die Apsis hatte ein Gewölbe, das 1600 zerstört wurde. Zwischen Kirchenschiff und Chor befindet sich ein steinerner Lettner mit drei Rundbögen.
Der Altar
Im Chor steht ein spätgotischer Flügelaltar, entstanden um 1480 in Nordwestdeutschland, der Szenen aus dem Leben Marias zeigt. Dies ist der einzige vollständig erhaltene Marienaltar in Ostfriesland. Fast alle anderen 17 Altäre, die von den circa 500 Altären, die sich in den Kirchen befanden, nach dem „Bildersturm“ der Reformation im ostfriesischen Küstenraum übrig blieben, sind Kreuzigungsaltäre, auf denen die Passionsgeschichte Jesu im Mittelpunkt steht. Auch auf diesem Altar sind nur Szenen aus dem Marienleben zu sehen, die unmittelbar mit Jesus zu tun haben: Geburt Jesu, die Anbetung der Könige und die Darbringung des Sohnes Jesus im Tempel. Die Mutter Gottes ist in jeder Szene sehr präsent. Das hat dem Altar wohl sein Leben gerettet.
Der Altar war ursprünglich farbig gefasst, seine jetzige Holzsichtigkeit zeigt aber vielleicht besser als die ehemalige Farbigkeit die Feinheit der Holzschnitzereien.
Wahrscheinlich ist der Altar die Stiftung eines wohlhabenden Gemeindemitglieds. Darauf hin deuten könnte die kniende Frau links in der Geburtsszene.
Schnitzereien im Chorraum
Im Chorraum und unter dem Lettner sind ebenfalls bemerkenswerte Holzschnitzereien aufgestellt: eine thronende Muttergottes (Mitte 14. Jahrhundert), eine Marienklage (Pietà) und eine Madonna auf der Mondsichel (beide Mitte des 15. Jahrhundert). Die Spätrenaissance-Kanzel mit ihrem Aufgang (1655) ist reich bemalt mit Bildnissen der Propheten, Evangelisten und Martin Luthers. Der schlichte Taufstein aus Granit, der später auf einen Sockel gestellt und mit einer Messingschale, deren Umschrift den Stifter und das Stiftungsdatum nennt, abgedeckt wurde, stammt vermutlich aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, ebenso das Weihwasserbecken, das bis in den 50er-Jahren in einem Bauerngarten stand.
Lettner, Empore und Richborn-Orgel
Über dem steinernen Lettner aus dem 15. Jahrhundert mit drei rundbogigen Durchgängen befindet sich der „Apostelboden“ mit einer Brüstung, die reich mit Szenen aus der Bibel, Inschriften und Wappen bemalt und mit einem zierlichen Traljengitter geschmückt ist. Auf dieser Empore steht ein besonderes Juwel: die 1681 vom wichtigsten Hamburger Orgelbaumeister vor Arp Schnitger, Joachim Richborn, von 1677-1681 in Ostfriesland wirkend, erbaute einmanualige Orgel mit angehängtem Pedal und neun Registern. Sie thront im vorgezogenen Mittelteil der Empore mit ihrem prachtvollen Prospekt mit polygonalem (vieleckigem) Mittelturm, seitlichen Spitztürmen und einfachen, kleinen Flachfeldern. 1949 wurde die Orgel gründlich gereinigt und repariert, wobei außer den Pfeifen des Trompetenregisters alle Register erhalten blieben. Obwohl sich die hölzernen Teile der Orgel mittlerweile in einem baulich sehr schlechten Zustand befinden, ist der Klang immer noch von ungebrochener Lebendigkeit und Frische. Für die Restaurierung dieser Orgel von europäischer Bedeutung wurden in der Gemeinde Spenden und Kollekten gesammelt.
Nach der zweijährigen, aufwändigen Sanierung durch Orgelbauer Ahrend in Leer konnte am 27. Januar 2013 die Richborn-Orgel in einem Festgottesdienst mit einer Predigt von Superintendent Dr. Detlef Klahr eingeweiht werden. Wir haben sie uns schon vorher anschauen dürfen und waren allein vom Äußeren sehr angetan und freuen uns, dass Buttforde mit diesem Schmuckstück aufwarten kann!
Für alle kurzentschlossenen Besucher außerhalb der Gottesdienste oder eines Gezeitenkonzertes noch ein kleiner Tipp: Der Schlüssel für die Kirche kann an der nahegelegenen AVIA-Tankstelle in Buttforde ausgeliehen werden.
Text nach Monika van Lengen (mit Ergänzungen)
Ev.-luth. St. Marien-Kirche Buttforde
Neudorfer Weg 1
26409 Wittmund-Buttforde
Schon von weitem sichtbar ist die stolze, auf einer hohen Warf thronende ev.-luth. St. Bonifatius-Kirche in Arle, die im Volksmund aufgrund ihrer imposanten Größe auch liebevoll „Bauerndom“ genannt wird. Der Ort gehört zur Gemeinde Großheide und zum Kirchenkreis Norden. Für mich ist sie eine der schönsten und interessantesten Kirchen Ostfrieslands. 2013 freut sich Klarinettistin Sharon Kam darauf, gemeinsam mit ihrem Bruder Ori (Bratsche) und Matan Porat (Klavier), genau hier zu spielen.
Entstehung der Kirche in Arle
Am Ende des 12. Jahrhunderts wurde in Arle, das damals durch ein Tief mit der Nordsee verbunden war, eine Einraumkirche mit Apsis aus Tuffstein gebaut. Tuffstein ist zu Stein gewordener Vulkanasche, die per Schiff von Andernach am Rhein hierher transportiert wurde. Im Laufe der Jahrhunderte musste der weiche Stein immer wieder mit Backsteinen ausgeflickt werden.
Um Licht in die Kirche zu bringen, wurden in der Südwand große, gotische Fenster eingebrochen. Gut erhalten in ihrer Gliederung ist die Nordwand, obwohl die Eingänge an den Längswänden der Kirche zugemauert sind. Die später aufgestockte Apsis zeigt romanische Zierformen: Lisenen und Rundbogenfries. Der neoromanische Turm wurde 1886 an die Kirche angebaut. Die Kirche ist flach gedeckt.
Der Innenraum
Qualitätvolle Ausstattungsstücke aus mehreren Jahrhunderten schmücken den Innenraum. Aus der Romanik stammen die vier Sarkophagdeckel an der Nordwand mit späteren Inschriften und der Taufstein aus Bentheimer Sandstein (13. Jahrhundert) mit ornamentalen Verzierungen und einem Sockel mit Löwendarstellungen.
Der geschnitzte Passionsaltar (um 1480) zeigt nordniederländisch-friesische Einflüsse in der lebendigen Bewegung der Figuren. Besonders in der figurenreichen Kreuzigungsszene gibt es viele Details zu entdecken. So zum Beispiel Judas mit dem Geldbeutel um den Hals, der sich an einem Baum aufgehängt hat und die Szene um Pilatus vorne rechts. Während ein Soldat den römischen Statthalter auf Jesus am Kreuz hinweist, neckt ein anderer mit einem Stock ein Äffchen, das hinter Pilatus auf dem Pferd hockt. Der Affe ist nach dem mittelalterlichen „Physiologus“ das Sinnbild für den Teufel. Andere Deutungen gehen davon aus, dass der Affe das Sinnbild menschlicher Torheit ist und in diesem Fall eine Satire auf die Autorität des Pilatus sein soll. Ob die Eidechse auf dem Fels über den um den Rock Jesu würfelnden Soldaten ein Genremotiv ist oder wiederum nach dem „Physiologus“ gedeutet werden kann als Symbol für den Menschen, der durch die Sonne der Gerechtigkeit Christi wieder sehend wird (wie die Eidechse, die im Alter erblindet und sich dann einen Platz in Richtung Sonne sucht), darüber lässt sich keine Klarheit gewinnen. Die Altarflügel wurden im 17. Jahrhundert ausgemalt. Die beiden Reliefs mit Szenen aus der Kindheit Jesu, Geburt und Beschneidung, die jetzt in der Nische des zugemauerten Nordportals untergebracht sind, stammen vermutlich von der verloren gegangenen Predella des Altars.
An der Nordwand ist auch das ehemals im Kirchenschiff aufgehängte Triumphkreuz befestigt, das der Burggraf J.A. Ferar der Kirche 1677 stiftete. In den Vierpässen an den Kreuzenden sind die vier Evangelisten dargestellt.
Besonders beeindruckend
Das Prunkstück der Kirche ist das spätgotische Sakramentshaus aus Baumberger Sandstein (um 1500). Während die Löwen im Unterbau, die den Besucher mit geöffneten Mäulern anzubrüllen scheinen, original sind, wurden die anderen Figuren im 19. Jahrhundert erneuert.
Die Kanzel wurde 1675 in der Werkstatt Jacob Kröpelins in Esens geschaffen. Am Aufgang sind die Erzväter Abraham, Isaak und Jacob zu sehen, auf dem Kanzelkorb die vier Evangelisten und der Apostel Paulus, umgeben von gedrechselten Säulen und Rankenwerk. Auch der Schalldeckel ist mit ornamentalem Schnitzwerk und Heiligenfiguren reich geschmückt.
Die Orgel, die eine Vorgängerin eines anonymen Orgelbauers aus dem 17. Jahrhundert hatte, wurde 1799 von Hinrich Just Müller aus Wittmund und Johann Gottfried Rohlfs aus Esens gebaut. Sie hat ein Manual, zwölf Register und ein angehängtes Pedal.
Die barocken Messingkronleuchter werden auch heute noch bei besonderen Gelegenheiten mit Kerzen bestückt. Der mittlere, besonders reich verzierte, ist 1696 der Kirche gestiftet worden.
Text nach Monika van Lengen
Ev.-luth. St. Bonifatius-Kirche Arle
Am Friedhof 1
26532 Großheide-Arle
Neuer Spielort bei den Gezeitenkonzerten ist in diesem Jahr die Kirche in Holtgaste. Der Förderer dieses Konzertes, die ENOVA Unternehmensgruppe, hatte die auf einer typisch ostfriesischen Warf gelegene Kirche vorgeschlagen, nachdem er vor ca. zehn Jahren die umfangreiche Renovierung der Kirche unterstützt hat.
Holtgaste gehört zur Gemeinde Jemgum im Rheiderland (nicht zu verwechseln mit Holtgast in der Nähe von Esens) und ist als Ort eher überschaubar. Umso erstaunlicher ist die schöne, für die Gemeindegröße doch verhältnismäßig große Kirche mit ihrem separat stehenden Glockenturm. Von der Kirche aus hat man einen wunderbar weiten Blick über die Felder und kann bei guter Sicht bis nach Emden auf der anderen Seite des Dollarts gucken. Zuständig für die Kirchengemeinden Holtgaste und Bingum ist Pastor Armin Siegmund.
Ev.-luth. Lutgerikirche Holtgaste
Die seit dem 16. Jahrhundert ev.-luth. Lutgerikirche wurde nach dem Missionar Liudger benannt. Dieser missionierte im 8. Jahrhundert das heidnische Friesland. Das Innere der Kirche ist eher schlicht. Beeindruckend und sofort ins Auge fallend ist der große, von der Grundfläche her fast viereckige Chorraum aus dem 13. Jahrhundert, der durch einen spitzbogigen Triumphbogen abgetrennt ist. Darin befinden sich über dem schlichten Altar zwei Bleiglasfenster und auf dem Boden zu beiden Seiten je eine Grabplatte.
Das Taufbecken aus Holz ist mit einem mit Engelsköpfen verzierten dreistufigen hölzernen Deckel verschlossen. Darunter verbirgt sich eine Messingschale, die die Inschrift „Wer da glaubet und getauft wird der wird selig werden“ trägt.
Die Renaissance-Kanzel in roten und braunen Tönen ist ebenfalls mit Engelsköpfen sowie mit Intarsien und Säulen aufwändig verziert. Als kleines, vermauertes Fenster ist von außen in der Südseite noch das sogenannte Hagioskop zu erkennen. Früher konnten durch solch ein Fenster Menschen mit ansteckenden Krankheiten oder vom Gottesdienst ausgeschlossene Sünder selbigen verfolgen.
Das wertvollste Inventarstück der Holtgaster Kirche befindet sich mittlerweile im Heimatmuseum Rheiderland in Weener. Dabei handelt es sich um Bruchstücke eines Altaraufsatzes aus dem 16. Jahrhundert. Sie zeigen die Passion Christi. Als Vorbild dienten erkennbar Holzschnitte von Albrecht Dürer.
Glockenturm
Die beiden Glocken im 1711 errichteten Turm stammen aus dem 14. Jahrhundert. Eine der beiden, die jüngere von 1379 trägt den Namen Katarina und wurde der Heiligen Katharina von Alexandrien geweiht. Es sind die ältesten Glocken im Rheiderland. Am Konzertabend hat sich die Kirchengemeinde bereit erklärt, die Glocken klingen zu lassen, was Körpereinsatz erfordert, da sie noch von Hand geläutet werden müssen. Persönlich empfinde ich es ohnehin immer nett, wenn unsere Gezeitenkonzerte in den Kirchen durch ein Glockengeläut kurz vor Beginn begleitet werden, erinnert es doch daran, dass man zwar ein Konzert besucht, dieses jedoch in einem Gotteshaus stattfindet.