Alexandra Conunova (Violine), Andrei Ioniță (Violoncello) und Lilit Grigoryan (Klavier) in Aurich-Schirum
Vor dem großen Showdown am 14.08. (heute!!) begeben sich die Gezeitenkonzerte noch einmal back to the roots: Kammermusik an ungewöhnlichen Spielorten. Gestern waren wir in der Ausstellung der Firma Pollmann & Renken zu Gast. Der Raum war für ein Klaviertrio ideal: groß und sehr tragfähig, selbst oben kam noch alles super an. Wenn man sich stinkende Scheinwerfer (allerdings von uns) vor der eigenen Nase wegdenkt, ist es richtig heimelig-angenehm und man hat an den vielen Türen einiges zu gucken. →Weiterlesen… “Kalinka, Kalinka!”
Die Gipfelstürmer Philipp Wollheim (Violine), Raphael Paratore (Violoncello) und Verena Metzger (Klavier) fluten das Kurhaus Dangast mit Musik
Und schon wieder ein runder Geburtstag, wie schnell man doch alt wird: Konzert 30 im alten Kurhaus in Dangast. Ein außergewöhnlich schöner Spielort, denn das Kurhaus ist direkt am Meer gelegen. Auch das konstant schlechte Wetter hatte gestern seinen ganz eigenen Charme und lud trotzdem zu Strandspaziergängen ein. Ab 20:00 Uhr machte ich es mir auf einem der Hörplätze gemütlich, in einem kleinen Seitenschiff (Wir waren zu lange in Kirchen!) des Konzertraums, der ebenfalls sehr gemütlich war. Mit Stammtisch-Feeling begann das Konzert mit meinem Highlight der ersten Hälfte, Schostakowitschs erstem Klaviertrio, was er im zarten Alter von 17 Jahren für eine junge Angebetete schrieb, die seine Gefühle später sogar erwiderte. Komponist müsste man sein… Auch wenn dieses Stück laut Programmheft noch recht „romantisiert“ ist, musste ich sofort an Schostakowitsch denken. Solche Phrasen, gerade in der Violine, muss man sonst lange suchen. Gerade die schnellen Aufwärtsläufe weckten die Aufmerksamkeit und brachten mich so richtig in Konzertstimmung. Von meinem Hörplatz aus konnte ich immer mal einen Streicherkopf wippen und wackeln sehen. →Weiterlesen… “Sturmflut in Dangast”
Wenn mir an einer roten Ampel langweilig ist, zappe ich gerne mal durchs Radio. Heute morgen blieb ich aus Versehen bei einem Schlagersänger hängen: „Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt“ schmetterte Barry Ryan in meine müden Ohren. Beim Blick in den PC wurde bewusst, wie recht er doch hat: Das nächste Konzert ist schon die Nummer 30 in Dangast, sogar Nils Mönkemeyer und Daniel Hope waren schon da. Dieses Jahr nehmen die Gezeitenkonzerte einen tollen Endspurt, alle noch kommenden Konzerte sind ausverkauft. So auch das vergangene am Sonntag mit Nils Mönkemeyer und William Youn.
Uns erwartete ein reines Schumann-Brahms-Programm für den frühen Abend. Los ging es mit Schumanns Phantasiestücken für Klarinette und Klavier, heute in der Viola-Fassung. Schumann war dabei in seiner Instrumentation völlig wahllos, es gibt auch eine Geigen- und Cellovariante. Auch die herkömmlichen Satzbezeichnungen schienen dem Romantiker nicht mehr auszureichen: „Zart und mit Ausdruck – Lebhaft leicht – Rasch und mit Feuer“. Klare Ansagen für unser Duo. Die beiden spielten mit viel Leidenschaft und gut aufeinander abgestimmt, auch ohne sich anzusehen. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, dass die Bratsche dahinschmelzen könnte, so trieft diese Musik. Auch der Presto-Teil endet romantisch-verklärt. Ganz hinten klang das Klavier ein wenig verschwommen, die Klänge waren nicht immer auseinanderzuhalten. →Weiterlesen… “Romantische Raritäten in Remels”
Teilnehmer der Gustav Mahler Akademie Bozen und Mitglieder der Englisch Baroque Soloists in Marienhafe mit Bach pur II
Es ist ja immer so eine Sache mit den Wiederholungskonzerten: Schon bei der Langen Nacht hatte ich das Gefühl, dass eigentlich nach einem Blogbeitrag alles erzählt ist. Im Vorfeld des Gezeiten-SPREAD-Konzertes in der Kirche Marienhafe hatte ich ein bisschen Angst, bei einem Zweizeiler bleiben zu müssen. Doch ein Blick ins Programmheft ließ mich ruhiger schlafen, denn wir hatten ein komplett anderes Programm und auch eine ganz andere Kirche. Angenehm warm war es nach einigen Stunden im ostfriesisch-arktischen Sommerwind.
Begonnen wurde wieder mit einer Triosonate, deren Echtheit zweifelhaft ist. Von wegen „Bach pur“. Sie wird tatsächlich Bachs Schüler Goldberg zugeschrieben. Das Programm sagt „für Goldberg etwas zu gut, für Bach etwas zu schwach“. Ich möchte mich da nicht aus dem Fenster lehnen, ich bin auch nicht gerade der hellste Stern am Generalbass-Himmel. Aber irgendwie fehlte dieser Sonate etwas neues, das gewisse Etwas, das man bei Bach immer hört. Obgleich gut vorgetragen, war es eben „nur“ eine normale viersätzige Sonate nach dem Muster langsam-schnell-langsam-schnell. Angenehm überrascht war ich von der Akustik der etwas kleineren Kirche. Wir saßen wieder mal auf den Mitarbeiter-Plätzen, also ganz hinten. Schön ist immer die relativ freie Sicht durch den Mittelgang, nicht so schön ist, dass die Klänge oft verschwimmen. Gerade beim Cembalo. Doch in Marienhafe kam alles glasklar rüber. Diese kammermusikfreundliche Kirche überträgt leider auch andere Geräusche lupenrein. An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass die Ricola-Bonbons von uns auch wirklich umsonst sind und wir gar nicht alle essen können, die wir noch haben. →Weiterlesen… “Sonata Tussis”
Teilnehmer der Gustav Mahler Akademie Bozen und Mitglieder der Englisch Baroque Soloists in Sengwarden mit Bach pur I
Besonders dankbar bin ich immer für einige konzertfreie Tage im Festival, nicht nur um mich physisch auszuruhen, sondern auch um das Gehörte noch einmal nachwirken zu lassen. Nach dem grandiosen Konzert in Aurich gestern hatten die Stipendiaten der Gustav-Mahler-Akademie natürlich einen etwas erschwerten Stand. Auch das reine Bach-Programm ist sicher gewöhnungsbedürftig. Eigentlich schließe ich mich der allgemeingültigen Meinung an, dass er der größte Komponist aller Zeiten ist. Da wird gerne Robert Schumann zitiert: „Wir sind alle Stümper gegen ihn!“.
Aber es hilft ja nichts. In der ausverkauften Kirche Sengwarden war für mich noch Platz in der letzten Reihe in der Ecke. Aufgrund eines großen Herrn etwas vor mir fiel der auch eher in die Kategorie „Hörplatz“. Doch warum nicht? Denn beim Hören bemerkt man schnell: Die haben was drauf. Los ging es mit einer Trio-Sonate des alten Meisters in G-Dur, von der die Echtheit zweifelhaft ist. Was soll das denn heißen? Das Programmheft gibt darüber erfreulicherweise Auskunft: Es wurde eine bereits existierende Basslinie verwendet, die Bach oder ein Bach-Sohn, da ist man sich nicht sicher, kontrapunktisch ausgearbeitet hat. Ulf Brenken zitiert hier einen wohlwollenden Musikwissenschaftler mit „Arbeitsökonomie“. Haben wir es etwa mit dem Dieter Bohlen des Barock zu tun? →Weiterlesen… “I´ll be Bach.”
Hallo, ich lebe auch noch! Die letzte Gezeiten-Woche musste ich leider auslassen, da ich mit dem Landesjugendchor Niedersachsen unsere Konzerte im September bei den Nds. Musiktagen vorbereitet habe. Nach einer Woche im Kloster Michaelstein (Blankenburg) und der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel kam ich etwas hungrig (in Sachsen-Anhalt sind die Kartoffeln rationalisiert) und mit kreiselnden Ohrwürmern von Rautavaara, Monteverdi und Vaughan Williams zurück.
Auf mich wartete mein persönlicher Höhepunkt in diesem Jahr: Daniel Hope, hier bei uns in Ostfriesland. Kaum ein Gezeitenkonzert war so signifikant mit einem Namen im Vorverkauf verbunden: Werden die Konzerte oftmals „Leer“ oder ganz verwirrend „Christuskirche“ genannt, hieß dieses Konzert nur „Daniel Hope“ Für den bin ich vor zwei Jahren nach Groningen gefahren, es war ein unvergesslicher Abend. Korngolds Violinkonzert in der ersten Konzerthälfte, gefolgt von Brahms´ dritter Symphonie mit dem wunderbaren Noord Nederlansk Orkest. Die verhauene Matheklausur am Tag danach und die drei Stunden Heimfahrt wegen einer gesperrten Autobahn nimmt man da doch gerne in Kauf.
Gestern war unsere Anreise nicht ganz so lang, es sind nur 300 m vom Festivalbüro zur Lambertikirche, die ein kleines Raumwunder ist. 650 Menschen hätte ich der äußerlich gar nicht so großen Kirche eigentlich nicht zugetraut. Doch alles war möglich, der Einlass lief glücklicherweise ohne Tumulte und Massenpanik ab, und die Gäste, die auf Hörplätzen oben auf der Empore saßen, konnten Dank der Übertragung das Geschehen auf der Bühne auch überblicken. Ich hatte das große Glück, auf einem unbesetzten Presseplatz zu sitzen, also konnte ich alles sehen, den Geiger, den Pianisten, die Füße des Pianisten und das iPad. Daniel Hope spielt nicht etwa aus Papiernoten, sondern benutzt ein Tablet, bei dem er mit dem Fuß blättern kann. Sehr praktisch, aber die Pedale sind fürchterlich klein, ich würde bestimmt ständig zurückblättern. →Weiterlesen… “Keep calm and listen to Daniel Hope”
Eine wechselvolle und auch traurige Geschichte hat diese Kirche. In der Mitte des 13. Jahrhunderts als dreischiffige, gewölbte Kreuzbasilika mit sechsstöckigem Turm erbaut, war sie um 1400 Unterschlupf von Seeräubern, denn damals hatte Marienhafe noch Zugang zum Meer. Nach der Reformation verfiel die Kirche und musste im 19. Jahrhundert auf das heutige Maß verkleinert werden. Was von dem “Dom” von Marienhafe erhalten ist, ist auch noch sehr beachtenswert: Der restaurierte Turm zeigt die Vielfalt der Gestaltung von Backsteinmauerwerk, wobei man an den Blendnischen bereits frühgotische Stilmerkmale erkennen kann. Von der Kirche ist nur das Hauptschiff des Langhauses übrig geblieben. Man erkennt deutlich die zugemauerten Doppelarkaden der Mittelschiffwände, deren obere Teile in Fenster verwandelt wurden. →Weiterlesen… “Marienkirche Marienhafe”
Ein Sommernachtstraum mit Rufus Beck und Anna und Ines Walachowski
Man lernt nie aus, als Hamburger, auf dem Weg nach Emden: Das Zwischenahner Meer ist ein See, heißt aber Meer, weil hier alles, was ein See ist, so heißt. Die Hinfahrt war also ein schönes Vergnügen, es reichte zwar nicht für Bratkartoffeln (16:00 Uhr = falsche Zeit), aber Matjes gab es trotzdem – und die Gelegenheit für eine gut einstündige Rundfahrt auf dem Teich, Pardon: See, Pardon: Meer.
„Schnitt“ (Rufus Beck). Das Borkumterminal in Emden ist als ungewöhnlicher Veranstaltungsort für ein Gezeitenkonzert eine originelle Idee. Trotz durchgängiger Klimaanlage, stellenweise Regengeprassel und dem – bei kulturellen Veranstaltungen in unseren Breiten leider fast obligatorischen – Gläser- und Flaschengeklirr direkt nach der Pause war es ein unterhaltsames Abenteuer, hier den „Sommernachtstraum“ aufzuführen. „Von und nach William Shakespeare“, wie es im Programmheft heißt, bzw. als One-Man-Show eines Rufus Beck, gab es Theater en miniature, musikalisch begleitet von Anna und Ines Walachowski, die dazu vierhändig auf dem Klavier Mendelssohn spielten. →Weiterlesen… “„Fast alles wird gut – für eine Nacht jedenfalls“”
Gezeitenkonzerte sind toll, abwechslungsreich und spannend. Neue Musik betrachte ich allerdings als Banause eher als Herausforderung und höre sie mir lieber von weitem an. Gestern hatte ich beim Neue Musik-Porträt Helmut Lachenmann in der Kunsthalle Emden aber schlechte Karten: Ich „musste“ mich in die letzte, nachträglich eingezogene Reihe setzen. Da ich nun aber zuvor schon mit dem großen und großartigen Komponisten telefoniert und festgestellt hatte, dass der 80-Jährige ein unglaublich netter, zuvorkommender Mann ist, konnte ich mich glücklicherweise voll und ganz auf das denkwürdige Konzert einlassen.
Mit einem großen Satz enterte Matthias Kirschnereit, künstlerischer Leiter des Festivals und damit Initiator dieses speziellen Formats, die Bühne im Kunsthallen-Atrium. Er machte den Auftakt mit den Fünf Variationen über ein Thema von Franz Schubert für Klavier, die bereits 1956 entstanden sind. Mir persönlich gefiel diese frühe Komposition wider Erwarten gut, begann sie doch harmonisch, nicht viel erinnerte mich an Schubert, aber noch weniger an die gefürchtete Neue Musik. Natürlich waren auch Wachmacher und erregte Parts dazwischen, zum Ende wurde es reduzierter. Insgesamt waren es acht Minuten voller Musik. →Weiterlesen… “„Finde ich Bach jetzt eigentlich noch schön?“”
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Diejenigen, die die Langen Nächte der Gipfelstürmer bislang noch nicht erleben konnten, haben etwas verpasst, sofern sie über ein gewisses Interesse an klassischer Musik verfügen. Allerdings ist es auch so, dass es eine eingeschworene Fan-Gemeinde von mittlerweile rund 500 Personen für diese Konzerte von aufstrebenden jungen Musikern gibt und beide Veranstaltungen am Freitag und am Samstag bereits im Vorfeld ausverkauft waren. Wer nun in diesem Jahr keine Karten mehr bekommen hat, aber trotzdem wissen möchte, warum gerade dieses Format der Gezeitenkonzerte so stark nachgefragt ist, dem sei unser Gezeiten-TV-Beitrag ans Herz gelegt. Wer in den Räumlichkeiten der Ostfriesischen Landschaft dabei war, sieht und hört bestimmt auch gerne noch einmal rein, um weiterhin in Erinnerungen zu schwelgen. In diesem Jahr waren folgende Künstler dabei: Anissa Baniahmad (Flöte), Johanna Stier (Oboe), Rie Koyama (Fagott), Tamász Pálfalvi (Trompete), Sven Stucke (Violine), Johann Blanchard, Magdalena Müllerperth und Nicolai Gerassimez (alle Klavier) sowie das Ensemble Nobiles. Wir bedanken uns bei Frauke Dreessen und Thiele Tee, die jeweils eine der beiden Langen Nächte ermöglicht haben!