Wenn der künstlerischer Leiter eines ostfriesischen Kammermusikfestivals zwei Musikerinnen-Persönlichkeiten kennt, die mit ihren Instrumenten große Kunst darbieten können und sich wahrscheinlich als Duo eignen, heißt das für Matthias Kirschnereit: Ausprobieren! Ihm war sowohl die Harfenistin Jana Boušková als auch die Flötistin Christina Fassbender bekannt, und er stellte sich vor, daß das ein überzeugendes Miteinander werden würde. Tatsächlich: In der Kirche zu Völlen gaben die beiden nun ein gemeinsames Gezeitenkonzert, nachdem die sich erst einen Tag zuvor zum ersten Mal in ihrem Leben getroffen hatten. Das Publikum in Völlen fragte bereits nach CD-Aufnahmen von den beiden (zitiert nach Hopf, Simon: „Goldene 45 Minuten Unterricht“. Die Gezeitenblogbeiträge. Aurich 2014) …
In der ausverkauften Peter-und-Paul-Kirche hielt Landschaftspräsident Helmut Collmann eine kurze Rede, in der er der Gemeinde und dem Konzertsponsor dankte. Dann schritten Jana Boušková und Christina Fassbender zum ersten Mal durch den Gang zum Podium, und es erklang eine dreisätzige Sonate von Carl Philipp Emanuel Bach, die als BWV 1031 lange Zeit dem Vater Johann Sebastian zugesprochen wurde, aber nach neuesten Erkenntnissen wohl doch vom Sohn stammt. Anschließend musizierte Christina Fassbender eine Solosonate, ebenfalls von „CPE“ Bach, es herrschte konzentrierte Stille im Kirchenraum. Großer Beifall, weiter ging’s mit zwei tschechischen Komponisten: Nach einer Duosonate von František Benda spielte Jana Boušková ein Solostück: „Die Moldau“ von Bedřich Smetana (in einer leicht gekürzten Transkription von Hanus Trnecek), für eine Soloharfe eine sehr passende Musik. Großer Beifall erneut, natürlich.
Zum Glück hatte der Regen, der uns noch vor dem Konzert ein wenig die Gartenatmosphäre neben der Kirche eingetrübt hatte, jetzt ein Einsehen und ließ sich irgendwo andernorts nieder, sodass ein entspanntes Schlendern um die Kirche herum angenehm möglich war oder auch das geschätztes gastronomische Angebot nicht vernachlässigt werden musste.
Nach der Pause spielte das Duo, nun mit schon zwanzig Minuten gemeinsamer Konzerterfahrung, mal eben die schwierige Fantaisie op. 124 von Camille Saint-Saëns, als wäre das ihr Standardrepertoire seit langen Jahren! Eine Fantaisie op. 79 von Gabriel Fauré kam noch hinzu, dann waren wir leider schon beim Schlussstück des Abends angekommen: Der “Casilda-Fantasie” für Flöte und Harfe aus der Zeit um 1860, gemeinsam komponiert von den Orchesterkollegen Franz Doppler (Flöte, 1821-1883) und Antonio Zamara (Harfe, 1829-1901). Und erst jetzt fiel mir auf, dass es ja das einzige Originalwerk für Flöte und Harfe war, das wir in Völlen zu Gehör bekamen – alle anderen Stücke waren Bearbeitungen! Da mir das nicht unangenehm war, obwohl ich Bearbeitungen eher nicht mag, spricht das sehr für die Kunst der beiden Interpreten, ihre Instrumente zum Klingen zu bringen – egal, ob es sich nun um Originalwerke für Flöte und Harfe oder wenigstens für gut umsetzbare Bearbeitungen handelte. Riesenbeifall, Zugabe natürlich: Entr’acte von Jacques Ibert.
Zufrieden und mit angenehmer Musik im Ohr ging es durch den nun wieder regnerischen Abend in die heimatlichen Quartiere. Oder zumindest an Orte, die (aus Sicht der hungrigen Musikerinnen) leider nur noch fast etwas zu essen anbieten konnten.