Pleiten, Pech und Pannen

Geschrieben am

Die Gezeitenkonzerte 2015

Manchmal gab es auch schönes Wetter, hier auf Gut Horn Gristede
Manchmal gab es auch schönes Wetter, hier auf Gut Horn Gristede

Vorweg müssen wir sagen, dass während der Gezeitenkonzerte 2015 eigentlich im Großen und Ganzen alles sehr gut geklappt hat. Kleine Missgeschicke passieren immer! Die Katastrophen sind glücklicherweise ausgeblieben. Wir mussten richtig überlegen, um alles für den Beitrag “Pleiten, Pech und Pannen” rekonstruieren zu können. Wenn ich jetzt so zurück denke, wann so die ersten Probleme aufgetaucht sind, fällt mir spontan der Liederabend mit Verena Metzger und Matthias Winckhler ein. Etwa fünfzehn Minuten vor Konzertbeginn ereilte uns ein Anruf, dass Maria João Pires erkrankt sei und ihr Gezeitenkonzert zwei Tage später in der Neuen Kirche nicht spielen könne. Sie habe auch weitere Auftritte für Juni und Juli absagen müssen. Einen besseren Zeitpunkt für diese Nachricht gab es wohl nicht…

Nach vielen Widrigkeiten glücklich gelandet: Anna Vinnitskaya, Foto: Karlheinz Krämer
Nach vielen Widrigkeiten glücklich gelandet: Anna Vinnitskaya, Foto: Karlheinz Krämer

Wir ließen sie sacken und versuchten uns auf „Die schöne Müllerin“ einzulassen. Noch während des Konzertes telefonierte sich derweil Matthias Kirschnereit selbst die Finger wund, um einen adäquaten Ersatz zu finden. Und siehe da, auf der Rückfahrt war schon die Option mit Anna Vinnitskaya – einer wunderbaren Einspringerin und tollen Partnerin an der Seite von Lilit Grigoryan – eingetütet, bedurfte nur der endgültigen Bestätigung am Vormittag des Folgetages. Auch das Publikum war zwar traurig, akzeptierte dennoch den Austausch. Sehr schön fanden wir, dass Maria João Pires ihr Gezeitenkonzert in Emden sogar noch während des Festivals nachgeholt hat, weil es ihr ein Herzenswunsch war. Aber die Anreise beider Pianistinnen war abenteuerlich. Über Annas Odyssee habe ich bereits im Blogpost „Was für ein Konzert“ geschrieben. Bei Maria wartete unser Fahrdienstleiter Uwe Pape bereits in Hamburg am Flughafen, als ihn die Nachricht erreichte, dass der Flug gecancelt wurde und sie nun doch erst am Folgetag käme. Hin-und-her-Fahren hätte sich nicht gelohnt, sodass Uwe gleich dortblieb.

Die liebe Bahn

Kit Armstrong beim Auftakt der Gezeitenkonzerte 2015 mit dem Signum Quartett, Foto: Karlheinz Kräme
Kit Armstrong beim Auftakt der Gezeitenkonzerte 2015 mit dem Signum Quartett, Foto: Karlheinz Kräme

Bei den Fahrten ist dieses Jahr unverschuldet und ganz ohne die Auswirkungen des Bahn- und Piloten-Streiks einiges schief gegangen. Das begann sogar schon bei der Ankunft von Kit Armstrong, der gemeinsam mit dem Signum Quartett das Auftaktkonzert des Festivals bestritten hat. Kit wollte von Frankreich aus mit dem Thalys nach Essen zu fahren. Dort stand Uwe auch schon am Bahnsteig und wartete auf ihn, als er auf den Anzeigetafeln las, dass der Thalys 100 Minuten Verspätung haben sollte. Anscheinend hatte sich bei Duisburg jemand vor den Zug geworfen. In der Zeit kann man auch mit dem Auto von Essen nach Düsseldorf fahren, dachte sich Uwe. Also kontaktierte der alte Fuchs Kit und bat ihn, den Zug schon in Düsseldorf zu verlassen und dort auf ihn zu waren. Neben ihm stand ein verzweifelter Vater, der auf seine Tochter wartete, die ebenfalls im Thalys saß und nicht an ihr Handy ging. Also bat Uwe Kit dann noch einmal per Telefon, die junge Dame im Wagen 26 aufzusuchen und ihr eine Nachricht auszurichten, was Kit auch bereitwillig machte. Tatsächlich musste der nette, junge Pianist in Düsseldorf nur kurz auf Uwe warten.

An dem „Tag der Missgeschicke“, als Anna Vinnitskaya fast nicht nach Emden gekommen wäre, sollte auch die Geigerin Carolin Widmann abends in Leer am Bahnhof ankommen. Leider hatte sie Pech. In Bremen waren die Anschlusszüge nach Leer schon weg, und weitere fuhren nicht mehr nach Ostfriesland, sodass sie kurz vor Konzertbeginn in der Neuen Kirche Kontakt zu Uwe aufnahm, um ihn zu bitten, sie in Bremen abzuholen. Er hat sie dann noch bis Oldenburg lotsen können und kam so noch in den Genuss von etwa zwanzig Minuten Musik von Lilit Grigoryan und mindestens einer der Kinderszenen, gespielt von Anna Vinnitskaya, bevor er sich auf den Weg nach Oldenburg machte, um Carolin dort einzusammeln und nach Aurich zu bringen. Gut, dass er immer so schnell reagiert und dadurch die Künstler schon vor ihrer Ankunft selbst bei solchen Problemen beruhigen kann.

Katja Riemann hingegen hätte fast ihren Zug am Tag nach dem Gezeitenkonzert bei der AG Ems am Borkumterminal verpasst, weil sie das falsche von zwei Gleisen gewählt hatte. Gerade noch rechtzeitig bemerkte sie jedoch ihren Irrtum und musste Gepäck und Beine in die Hand nehmen, um den Zug gegenüber zu erreichen. Das wiederum beobachtete Uwe, als er dort Karoline Schultz, die sympathische Komponistin aus Leipzig am Bahnhof abholen und zum „Musikdorf“ nach Groothusen bringen wollte. Wäre er eine Idee eher gekommen, hätte er Katja Riemann über ihren Irrtum aufgeklärt und ihr mit dem Gepäck geholfen.

Unfall auf der Autobahn
Dann war da noch der Unfall von Björn und Thorsten von Pianotrans, unseren zuverlässigen Klaviertransporteuren, die ihren LKW inklusive der drei geladenen Klaviere (nicht unsere) aufgrund von Aquaplaning komplett auf der Autobahn zerlegt haben. Glücklicherweise ist ihnen nichts weiter passiert, und einen Ersatz-LKW für weitere Einsätze gab es auch. Es gibt Momente, in denen es von Vorteil ist, wenn sich zwei gut kennen und hundertprozentig aufeinander verlassen. Sie guckten sich nur an und wussten: „Hier ist nichts zu retten. Hoffentlich geht das gut aus!“ Das erzählten sie uns locker flockig als sie für die Musikwoche „Neue Bahnen“ den Flügel für die Proben ins Forum lieferten. Da hatten wir uns tatsächlich rund eine Woche nicht gesehen, weil keine Transporte anstanden.

Das Festival im Festival „Neue Bahnen“

Beim Bach-Horntrio kann man schon mal ein selbiges kriegen... Felix Klieser übt Horn, Foto: Karlheinz Krämer
Beim Bach-Horntrio kann man schon mal ein selbiges kriegen… Felix Klieser übt Horn, Foto: Karlheinz Krämer

Da gab es mal einen Probenplan, der war schon hinfällig, als der erste Musiker eintraf. In diesem Fall war es der Hornist Felix Klieser, der kurzfristig alleine übte, aber lange auf seine Kollegen warten musste. Die hatten sich in Aurich verlaufen: Das geht auch! Welcher Zeitpunkt ist der Beste für den Totalausfall des Kopierers? Freitagnachmittag, wenn alle Techniker zu Hause sind! Der einzige Vorteil: Die Kollegen aus der benachbarten Abteilung, die das Gerät ebenfalls benutzen, merken es erst am Montag, wenn der Service schon längst benachrichtigt ist. Für uns ist solch ein Ausfall jedoch eine ziemliche Katastrophe, da wir unsere Abendprogramme just in time mit dem Gerät erstellen. Und gerade in der Kammermusikwoche gab es da einige kurzfristige Änderungen, die wir gerne aufnehmen wollten. Wie gut, dass es in der Verwaltung ein weiteres Gerät gibt, jedoch deutlich langsamer, teurer und anders zu programmieren.
Für den Mitschnitt des Gezeitenkonzertes in Backemoor von Deutschlandradio Kultur waren wir gebeten worden, die Noten als Kopie für den Tonmeister zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich ist das kein Problem: Das Notenheft hatte mir Ingolf Turban gerne zur Verfügung gestellt, doch dann wäre ich fast am Kopierer verzweifelt, weil ich den Haken zum Entfernen des Autoformats nicht finden konnte. Und man sollte die Noten ja noch lesen können.
Der allerschönste Fauxpas, den sich die Autorin dieses Beitrags geleistet hat, war jedoch die Kreation des Bach-Horntrios. Wenn ich etwas weiß, dann, dass dieses einzigartige Trio der Feder Brahms‘ entsprungen ist, hatte ich doch letztes Jahr bereits aufmerksam das Abendprogramm von Ulf Brenken gelesen, das er zum Konzert der Gipfelstürmer Johann Blanchard, Paolo Mendes und Sven Stucke in Dunum geschrieben hatte (Waldhorn = das Nonplusultra vs. Ventilhorn = Blechbratsche). Dennoch habe ich bei Facebook die Fotos gepostet mit dem Hinweis auf das Bach-Horntrio und die Bilder auch mit diesem Hinweis auch an die Presse weitergegeben. Felix sprach mit freundlich darauf an, als ich für die Probe noch Wasser nachlieferte. „Wer hat denn die schönen Bilder bei Facebook eingestellt? Meine Freundin hat mich da gerade auf etwas hingewiesen!“ In dem Moment hätte ich im Boden versinken können.
Zum Abschluss des Festivals im Festival gab es ein Sonntagskonzert um 17:00 Uhr (sonntags immer, damit auch ggf. Familien oder ältere Herrschaften noch im Hellen nach Hause kommen und dennoch ein Konzert genießen können) in Wiesens. Ein Pärchen kam jedoch zu 20:00 Uhr, da es Wiefels und Wiesede für Wiesens gehalten hatte. Karten für das ausverkaufte Konzert hatte es aber ohnehin nicht. Aber die beiden hatten eine nette Überlandtour und diese genossen, sodass sie nicht so enttäuscht waren.

Der große Meister der schwarzen und weißen Tasten, Grigory Sokolov, lockte viele Gäste von nah und fern, unter anderem auch mehrere aus dem Ausland, ins Theater an der Blinke in Leer. Mrs Truman, großer Fan des Pianisten, die zu mehreren seiner Konzerte nach Deutschland gekommen war, fragte mich, ob ich Englisch spreche, woraufhin meine etwas freche Antwort war: „If you want me to?!“ Wir haben uns länger sehr angeregt unterhalten. Wenn irgend möglich, versuche ich immer den Gästen in ihrer Sprache zu begegnen oder zumindest auf Englisch.

Bei einem Sonntagskonzert stand tatsächlich einmal Konzertbeginn um 20:00 Uhr auf dem Umschlag, was außer Gert Ufkes – als es ohnehin zu spät war – niemandem aufgefallen ist. Dabei gibt es nach seiner Durchsicht noch drei weitere Personen, die Korrektur lesen. Ebenfalls in Wiesens gab es vor dem Konzert die Bitte an die Musiker, mit dem Aufgang auf die Bühne noch zu warten, bis Gert das Mikrofon von der Bühne holen und das Licht ausschalten konnte. Plötzlich stand er jedoch gemeinsam mit Carolina Ullrich und Matthias Kirschnereit auf der Bühne und musste bei der Verbeugung elegant verschwinden. Das Licht blieb sehr zur Freude unseres Festivalfotografen an. Ohne Blitz arbeitet er nämlich manchmal unter erschwerten Bedingungen.

Das Vogel-Problem

Beim "Lichttest" in der Kirche Remels war der Blazer noch sauber, Foto: Karlheinz Krämer
Beim “Lichttest” in der Kirche Remels war der Blazer noch sauber, Foto: Karlheinz Krämer

In Remels wollte ich in der Pause mal eben schnell die Bilder vom Konzert mit Albrecht Mayer und Markus Becker an die Presse verschicken, als mir eine sehr nette Dame sagte: „Oh, Sie haben da ein Vogel-Problem!“ Flugs zückte sie ein Taschentuch, benetzte es in einer sauberen Pfütze und versuchte meinen Blazer von dem riesengroßen weißlichen Fleck knapp oberhalb des Hinterns zu befreien, sehr zum Amüsement der weiteren umstehenden Gäste. Frau Dr. Schönermark von der Stiftung Niedersachsen machte mir keine Hoffnung auf Rettung dieses unverzichtbaren Kleidungsstücks und riet mir, ihn sofort in die Reinigung zu bringen. Selbst die Inhaberin dort war skeptisch und riet mir, da ihre Ware soeben abgeholt worden war, zum Mitbewerber zu gehen, da ein schnelles Handeln unerlässlich sei. Zum Wochenende hatte ich den Blazer wieder, glücklicherweise sauber. Ich weiß aber nicht, ob ich ohne die eindringlichen Worte so schnell gehandelt hätte.

Leider eine Pleite
Eine einzige Begegnung der unangenehmeren Art hatten wir mit einem Gast. Natürlich ist es sehr bedauerlich, wenn man sich in der Uhrzeit versieht und dadurch ein Konzert verpasst. Bei dem Porträtkonzert Neue Musik mit Wolfgang Rihm in der Evenburg, das für 18:00 Uhr angesetzt war, kam ein Gast jedoch um kurz vor neun, als das Minguet Quartett gerade beim letzten Satz des letzten Stückes war. Da gab es aus unserer Sicht keine Möglichkeit mehr, ihn während des Satzes reinzulotsen, zumal der Holzboden dort nicht geräuschlos zu betreten ist. Leider war der Herr wenig einsichtig, obwohl der Kollege und ich versucht haben, ihm sehr behutsam klar zu machen, dass sein Eindringen den Moment zerstören würde. Es tat uns wirklich leid für ihn. Selbstverständlich haben wir ihm seinen Autogrammwunsch noch ermöglicht.

Das Wetter
Wenn man unbedingt möchte, kann man noch das Wetter erwähnen. Manchmal hat es geschüttet wie aus Kübeln, so z. B. pünktlich zur Pause bei den Gezeiten-Classixx im Volkswagen Werk Emden oder bei Carolin Widmann in Carolinensiel. Aber auch da haben wir Glück gehabt, wenn man an das Musikdorf, unser Open-Air-Konzert mit Dominique Horwitz alias Jacques Brel oder das Schlusskonzert denkt. Im Fährhaus-Terminal war es mit 36°C fast zu heiß. “Der Sommer war sehr groß!” – Und wir sind sehr dankbar!

Ein lauer Sommerabend zum Abschluss der Gezeitenkonzerte auf dem Polderhof, Foto: Karlheinz Krämer
Ein lauer Sommerabend zum Abschluss der Gezeitenkonzerte auf dem Polderhof, Foto: Karlheinz Krämer

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern