Auch am bislang heißesten Tag des Jahres, Samstag, 19. Juli, gab es ein Gezeitenkonzert. Spielort war diesmal der freigeräumte Ausstellungsraum bei Pollmann & Renken (Wintergärten, Fenster, Türen etc.) im Schirumer Gewerbegebiet kurz vorm Ems-Jade-Kanal bei Aurich. Vielfach wurden wir im Vorfeld noch telefonisch gefragt, ob es denn dort eine Klimaanlage gab. Einige ältere Herrschaften riefen an und gaben ihre Plätze wieder frei, weil sie sich bei 36° Celsius nicht vor die Tür trauten. Die Klimaanlage gab es nicht, wohl aber ein Erdwärme-System, das auf angenehme Art und Weise für Innentemperatur etwa zehn Grad unter der Außentemperatur sorgte. Wir waren begeistert.
Das Notos Quartett, bestehend aus Sindri Lederer (Violine), Antonia Köster (Klavier), Malte Koch (Viola) und Florian Streich (Violoncello), ließ es sich nicht nehmen, trotz der Hitze im richtig edlen Zwirn mit Fliege und Manschettenknöpfen zu spielen. Sie begannen mit dem selten gespielten Phantasy Piano Quartet in fis-Moll von Frank Bridge. Dabei wurde schon klar, dass dieses Experiment, in einem unbekannten Klangraum zu spielen, glücken würde. Es folgte Mozarts Klavierquartett Nr. 2 Es-Dur KV 493, das vom Spiel her sehr fröhlich daher kam, wobei den Musikern ihre hohe Konzentration durchaus anzusehen war.
In der Pause konnten die Besucher draußen im schön angelegten Garten mit Teich und Wasserspielen lustwandeln – bei diesem lauen Sommerwetter und einem Glas Wein in der Hand war das eine perfekte Auszeit.
Nach der Pause legte sich das Notos Quartett beim Brahms, ihrem Paradestück, so richtig ins Zeug. Das Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 wurde 1861 in Hamburg im Rahmen einer „Musikalischen Abendunterhaltung“ uraufgeführt. Clara Schumann war damals die Pianistin, und Johannes Brahms gestand ihr, während der Komposition des zweiten Satzes bei jedem Takt nur an sie gedacht zu haben. Kollege Arnold Schönberg oder der Violinvirtuose Joseph Joachim waren neidlos begeistert. Ebenfalls sehr angetan war das Publikum des Gezeitenkonzertes: Es bedankte sich bei den vier jungen Musikern mit Standing Ovations, wofür sich das Quartett mit einer Zugabe von Schumanns langsamen Satz aus dessen Klavierquartett revanchierte.
Auch an diesem Abend war für uns noch lange nicht Schluss. Bei Pollmann & Renken ist sonntags Schautag, sodass bis zum kommenden Tag alles so aussehen sollte wie immer. Für uns bedeutete das, den Raum besenrein zu hinterlassen: Alle knapp 200 Stühle mussten platzsparend, abfahrbereit gestapelt werden, Flügel und Bühne mussten verschwinden, damit am Folgetag die Elemente wieder an ihren Platz gestellt werden konnten. Um 13:00 Uhr sollte es weiter gehen. Ein Hoch auf unser Team: Alle haben mit angefasst, und als alle Gäste ihre Gespräche beendet hatten, waren auch wir fertig und froh, dass wir nach einem schönen Abend schnell zu Hause waren.
Im Vorfeld dieses Gezeitenkonzertes gab es übrigens einen Streifzug mit einem Picknick mit Tee und ostfriesischen Leckereien am Upstalsboom. Dazu gab es Erklärungen zu Pingos und weiteren ökologischen Besonderheiten im Zusammenhang mit dieser historischen Stätte durch Matthias Bergmann.