Sie sind Helden

Geschrieben am
Ensemble Allegria beim Gezeitenkonzert in Horsten, Foto: Karlheinz Krämer
Ensemble Allegria beim Gezeitenkonzert in Horsten, Foto: Karlheinz Krämer

Am Donnerstag in Deutschland gelandet, gestern schon wieder gestartet. Durchgestartet. Musikalisch. In Horsten. Mit der Power von 19 Streichern und der unbedingten Spielfreude junger wilder Künstler setzte das Ensemble Allegria gestern Abend wie ein musikalischer Düsenjet zu einem wahren Höhenflug an.

Die 19 Musiker (siehe Wibkes Blogbeitrag) wurden gegen Nachmittag nach Horsten gefahren. So ein großes Ensemble stellt die Festival-Logistik vor einige Herausforderungen. Alles klappte aber wie am Schnürchen und als die Bühne fertig aufgebaut war, probten die jungen Norweger in der Kirche und waren äußerst zufrieden mit dem Klang. Nichts stand mehr im Weg für einen großen Konzertabend.

Die Kirche in Horsten (Friedeburg) war bis zur Empore gefüllt und auch von Statoil, unserem Hauptförderer, waren viele Konzertbesucher anwesend. Statoil, noch einmal zur Erinnerung, fördert die „Heroes of Tomorrow“ und ermöglicht die beiden Konzerte mit den Allegrias. Große Dankbarbeit muss man da ausdrücken, denn es ist wirklich ein Glück, dass Musiker wie Vilde Frang und das Ensemble Allegria in ostfriesischen Kirchen spielen. Freude und Glück – das sind auch die emotionalen Parameter, die das Zusammenspiel der Allegrias bestimmen. Noch nie konnten wir ein Ensemble erleben, das auch auf der Bühne so viel gemeinsame Freude am Spiel kommunizierte.

Na gut, „Allegria“ bedeutet ja auch Fröhlichkeit und Vergnügen, und da muss man das ja auch verkörpern, kann man skeptisch denken. Man muss dieses Ensemble aber live erlebt haben und sehen, wie da gezwinkert wird, Blickkontakte huschen, immer wieder gelächelt, ja fast gelacht wird, wenn eine Passage mit echter Spielfreude brillant gemeistert wird.

Mit dynamischem Auftrieb (okay, letzter Flugzeugvergleich, versprochen) starteten sie mit Mendelssohn Bartholdys Sinfoniesatz c-Moll für Streichorchester N 13. Von vorne bis hinten war die Kirche gefüllt mit einem absolut klaren, kraftvoll organischen Klang. Der Sound, der genauso gut in einem großen Philharmonie-Saal zu Hause sein kann, war nicht zu laut. Ich hatte erst Bedenken, dass es zu gewaltig klingen würde, aber bei diesem so differenzierten Klangbild kam nirgendwo Zweifel auf.

Mit Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit“ ging es weiter. „Melodien für Millionen“ könnte man das Stück auch betiteln, das sich vermutlich auf jeder wohlgefälligen Klassik-Compilation befindet. Die Allegrias spielten, als hätten sie das Werk 24 Stunden vor dem Konzert entdeckt.

Ensemble Allegria, Foto: Karlheinz Krämer
Ensemble Allegria, Foto: Karlheinz Krämer

Nach der Pause ging es mit Mendelssohn Bartholdys Sinfoniesatz h-Moll für Streichorchester weiter. Ab diesem Punkt war wohl auch der letzte Zweifler mitgerissen. Das kurze Abendlied op. 85/12 von Robert Schumann folgte, eine dreiminütige Bearbeitung für Streichorchester, die fast nahtlos, also ohne Pause und Applaus, in die mächtige Kammersinfonie c-Moll op. 110 a von Schostakowitsch überging. Dieses massive, gewaltige und doch zugleich oft zerbrechlich tragische Werk stand am Ende des Konzertes und zeigte, dass die Allegrias nicht nur das fröhlich frische Musizieren drauf haben, sondern alle Schattierungen entwickeln können, die ein erstklassiges Kammerorchester auszeichnet.
Das Stück an sich ist nicht unbekannt. Das Streichquartett Nr. 8 gehört zu den meistgespielten von Schostakowitsch. Die fünf Sätze, die ineinander übergehen, entwickeln eine Dramatik, die den Zuhörer greifbar mit sich zieht. Drei Largo Sätze, ergänzt von einem Allegro molto und einem Allegretto, zeichnen ein einzigartiges musikalisches Gemälde, das von düsteren, brutalen Szenen hin zu melancholisch gravitätischen Hoffnungsschimmern Schostakowitschs kompositorisches Anliegen, das immer von Ironie durchzogen ist, verdeutlichen.
Was immer hängenbleibt, sind die beiden aggressiven Mittelsätze, in denen die Streicher immer wieder wie Gewehrsalven das piano zerstören. Die Widmung „Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges“ kann in jedem Takt fast schmerzhaft nachgespürt werden.
In der Bearbeitung für das Orchester (von Rudolf Barschei, dessen Bearbeitung Schostakowitsch gut gefiel), werden diese Motive in ihrer Wirkkraft potenziert. Die Allegrias warfen sich hinein in dieses Stück, mit intensiven Blicken und angestrengten Mienen. Am Ende herrschte nachhallende Stille, wie sie solch eine Darbietung mit sich zieht, als wäre es vorgeschrieben: 10 Takte allgemeines Schweigen. Dann, vorsichtig, ein erstes Klatschen; dann, befreit, riesengroßer Applaus.
Als Zugabe ein befreiender Grieg und noch einmal donnernder Applaus. Die Helden von Morgen spielen im Hier und Jetzt, als gäbe es kein Morgen. Zum Glück tun sie das auch heute Abend noch einmal in Pewsum!

Ensemble Allegria, Foto: Karlheinz Krämer
Ensemble Allegria, Foto: Karlheinz Krämer

Die Gezeitenkonzerte und das liebe Geld

Geschrieben am
v.l.n.r.: Joachim Fecht (OLB), Wibke Heß, Dirk Lübben (beide Ostfriesische Landschaft) und Ludger Greten (OLB)
v.l.n.r.: Joachim Fecht (OLB), Wibke Heß, Dirk Lübben (beide Ostfriesische Landschaft) und Ludger Greten (OLB)

„Ohne unsere Sponsoren wären die Gezeitenkonzerte in dieser Form nicht möglich.“ Dieser Satz wurde bereits von vielen Vertretern der Ostfriesischen Landschaft z. B. bei den Begrüßungen so oder in ähnlicher Form wiedergeben. Manch einer der Konzertgäste ist durch diese häufige Wiederholung sogar manchmal schon ein bisschen genervt. Aber unsere Vertreter haben vollkommen Recht. Die Gezeitenkonzerte nur durch die Eintrittseinnahmen zu bestreiten, ist schlichtweg nicht möglich. Diese decken immerhin rund ein Drittel des Gesamtetats; die restlichen zwei Drittel werden von der Ostfriesischen Landschaft jedes Jahr aufs Neue bei den Förderern eingeworben. Viele von ihnen stehen uns bereits seit Jahren treu zur Seite, einige sind in diesem Jahr als Festival- oder Konzertförderer neu hinzugekommen. Als Mitglied im Freundeskreis der Gezeitenkonzerte leisten Einzelpersonen oder Paare durch ihren Mitgliedsbeitrag einen wichtigen Anteil. Und jedem Einzelnen gilt unser ausdrücklicher Dank!

Heute hatten wir gemeinsam mit Joachim Fecht und Ludger Greten von der Oldenburgischen Landesbank (OLB) im Vorfeld des Eröffnungskonzertes zu einem Fototermin zur Lambertikirche eingeladen. Die OLB-Stiftung war es, die gemeinsam mit dem Hauptförderer Statoil, im letzten Jahr als erste ihre Zusage zur Unterstützung der Gezeitenkonzerte gegeben hat. Sie unterstützt zahlreiche Kulturprojekte beispielsweise aus den Bereichen Musik, Kunst oder Theater, aber auch Sportvereine und das Planspiel für Schulen. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Jugendförderung. Dementsprechend passt es gut, dass die OLB-Stiftung neben dem Eröffnungskonzert mit dem Verdi und dem Vogler Quartett am 21. Juni in der Lambertikirche auch die beiden Gipfelstürmerkonzerte mit dem Duo Arp/Frantz in Groothusen und mit dem Mariani Klavierquartett in Timmel fördert. Beide Spielorte haben wir übrigens in diesem Jahr neu entdeckt. Morgen wird es einen neuen Gezeiten-TV Beitrag geben, in dem Mieke Matthes Ludger Greten und Joachim Fecht nach ihrer Motivation für die Unterstützung der Gezeitenkonzerte fragt.

Förderer der Gezeitenkonzerte 2013
Förderer der Gezeitenkonzerte 2013

Statoil kürt neue Heroes of Tomorrow

Geschrieben am
Statoils Heroes of Tomorrow 2012: Ensemble Allegria, Foto: Ole Jørgen Bratland

Lange haben wir darauf gewartet: Am Montagabend (20. November) war es endlich soweit. Statoil Norwegen, der Mutterkonzern der Statoil Deutschland GmbH – unseres Hauptförderers dieses Jahres und hoffentlich auch der Gezeitenkonzerte 2013 – hat die neuen „Morgendagens helter“, also die Heroes of Tomorrow (HoT-Talente) oder einfach die Helden von morgen bekannt gegeben. In diesem Jahr waren im Bereich Klassische Musik erstmalig nicht nur Einzelkünstler, sondern ganze Ensembles nominiert. Sieger des Statoil-Stipendiums wurde das 20-köpfige Kammerorchester Ensemble Allegria, bestehend aus jungen norwegischen Musikern im Alter von zwanzig bis sechsundzwanzig Jahren. Mit dieser Auszeichnung verbunden ist ein Preisgeld in Höhe von einer Million norwegischen Kronen.

Leif Ove Andnes, Vorsitzender der Jury der Heroes of Tomorrow, schrieb in einer Pressemitteilung: „Es brodelt nur so von jungen Talenten in der norwegischen Musik, und viele haben ihren Ursprung in einer großen Musikszene. Das Ensemble Allegria strahlt eine ungeheure Musikalität aus und schafft gemeinsam ein Ensemblespiel mit Feingefühl und großer Intensität.“

Große Namen
Das 2007 gegründete Kammerorchester hat bereits mit bekannten Künstlern wie der Trompeterin Tine Thing Helseth, Klarinettist Martin Fröst, Pianist Christian Ihle Hadland und Violinist Arve Tellefsen zusammen gespielt. Die Konzertmeisterin Maria Angelika Carlsen freut sich sehr über diese Auszeichnung.

Zielsetzung des Ensemble Allegria
„Das Ensemble Allegria hat sich zum Ziel gesetzt, einen wichtigen Impuls im nationalen und internationalen Kulturleben zu geben. Wir hoffen, dass uns das Statoil-Stipendium ein internationales Debüt ermöglichen wird und wir Konzerte und Tourneen in Großbritannien, Deutschland und vielleicht sogar den USA durchführen können.“
So ist es auf der Seite nrk.no (Norsk Rikskringskasting – norwegische Rundfunk- und Fernsehgesellschaft) in diesem Artikel zu lesen.

Nachdem wir bei den Gezeitenkonzerten 2012 in den Genuss von gleich zwei Konzerten mit den HoT-Talenten Vilde Frang beim Eröffnungskonzert und Christian Ihle Hadland auf Gut Horn in Gristede kommen durften, hoffen wir für 2013 auf eine Fortsetzung unserer guten Kooperation mit Statoil: vielleicht ja sogar mit dem Ensemble Allegria.

Schöner Abend auf Gut Horn

Geschrieben am
Christian Ihle Hadland, Foto: Karlheinz Krämer

Gestern Abend gab Christian Ihle Hadland seinen von mir lang erwarteten Klavierabend auf Gut Horn in Gristede. Wie erwartet, war es ein wundervolles Gezeitenkonzert im tollen Ambiente des Anwesens von Renate Franz und Hans-Georg Frers.

Über die „Vier Albumblätter“ von Grieg, das einleitende Stück, berichtete mir ein Besucher in der Pause, dass er es sehr genossen habe, da er einfach nur die Augen geschlossen und der Musik gelauscht und dabei viele verschiedene Bilder vor seinen Augen gesehen habe. Wenn man das als Musiker schafft, hat man gewonnen, denke ich! Das zweite Stück vor der Pause war Schuberts Klaviersonate in A-Dur D 959 – zum Niederknien schön! Gerade das großangelegte Rondo (Alegretto) zum Schluss, ließ einen tatsächlich wie im Programm prophezeit „wie uferlos über zwölf Minuten lang alle Zeit der Welt vergessen“. Ein erfahrener Kritiker war der Meinung, Schubert noch nicht auf diese Weise gehört zu haben wie von Christian Hadland. Zum Abschluss gab es Janáčeks „Auf verwachsenem Pfade“, ein sehr schönes, autobiographisches Stück aus dem bewegten Leben des Künstlers. Als Zugabe – das Publikum hätte am liebsten mehr als nur eine gehabt – spielte Christian ein kurzes barockes Stück von 1591, ganz witzig, was uns vom Team sehr gut gefiel.

Mir ist dieser junge Pianist mit seiner sehr speziellen Art und Weise sehr angenehm (s. Blogpost vom 6. Mai). Wie viele Norweger, die mir bei unterschiedlichen Gelegenheiten über den Weg gelaufen sind, kommt er in einer kurzen Hose aus dem Flieger. Uwe hat ihn vom Flughafen abgeholt und schon von Weitem erkannt, obwohl er nicht aussieht wie der typische Musiker. Auf der Rückfahrt ins Hotel hat er mir erzählt, dass er den Herbst liebt: Den Geruch von nassem Laub, diese spezielle Luft (und ich weiß, in Skandinavien ist sie noch ein wenig spezieller als hier), der prasselnde Regen und man selbst sitzt im warmen Haus und tut am besten gar nichts. Was er dann wohl trägt, frage ich mich.

Im Vorfeld des Konzertes gab es etwas zu Besonderes: Unser Hauptsponsor Statoil feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen (des Mutterkonzerns in Norwegen wohlgemerkt!) und hatte einige Gäste aus dem Umfeld zu einem Empfang geladen. Da Christian Ihle Hadland zu den Heroes of Tomorrow (der Talentförderkampagne von Statoil Norwegen) gehört, lag es nahe, dies im Zusammenhang mit diesem Gezeitenkonzert auf Gut Horn zu begehen. Es war sehr interessant, den beiden kurzen Vorträgen vom Chef von Statoil Deutschland, Richard Eriksen, und seinem Vor-vor…Vorgänger, dem ersten in der 27-jährigen deutschen Geschichte des Konzerns, John Eldøy zuzuhören. Schade war, dass die norwegischen Gäste aufgrund des Streiks der Lufthansa-Flugbegleiter weder dabei noch bei dem Konzert am Abend anwesend sein konnten. Die Flüge von und nach Stavanger gehen nämlich häufig über Frankfurt. Und ausgerechnet dieser Flughafen wurde bestreikt. Das Konzert war lange im Vorfeld ausverkauft, und nun blieben gerade diese Plätze leer.

Orangerie, Gut Horn

Gut Horn hat wirklich eine spezielle Atmosphäre. Jedes Jahr kommen liebevolle Details dazu, die stets eine große Bereicherung sind, beispielsweise die neue Orangerie oder auch der tolle Leuchter in der ‘anderen’ Scheune. Die beiden Besitzer haben ein tolles Händchen und einen guten Geschmack. Gespannt bin ich, ob der Wein hinter der neuen Orangerie gut angeht. Allen, die unser Gezeitenkonzert dort verpasst haben, möchte ich das „Gut Horn Hör’n“ Festival & Landpartie vom 12. bis zum 14. Oktober ans Herz legen. Dann gibt es dort unter dem Motto „Klingende Kulinarik“ Musik und Lesungen in Verbindung mit gutem Essen und vielem mehr.

Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern