Eigentlich haben Künstler bei den Gezeitenkonzerten kein Abonnement auf einen Auftritt. Und das ist auch gut so. Die drei Brüder Gerassimez bilden da eine kleine Ausnahme. Im ersten Jahr brachten Alexej (Schlagwerk, Vibraphon, Marimba), Nicolai (Klavier) und Wassily (Violoncello) das Alte Kurhaus in Dangast zum Kochen. Sie schafften sich vorab eine Abkühlung mit einem Bad im Jadebusen – am gleichen Tag entstand auch das Titelbild der Gezeitenkonzerte 2012. Im vergangenen Jahr mussten sie allein deshalb schon wiederkommen: Leider konnten terminlich nur Wassily und Nicolai bei der allerersten Langen Nacht der Gipfelstürmer in der Ostfriesischen Landschaft dabei sein – auch dort begeisterten sie derart, dass eine Dame aus dem Publikum sogleich sagte: „Wenn die drei Jungs im nächsten Jahr wiederkommen, möchte ich sie gerne beherbergen!“ Gesagt, getan.
Am Dienstagabend kamen die drei extra für den einen Auftritt bei den Gezeitenkonzerten nach Ostfriesland aus München, Leipzig und Berlin. Alexej mit einem vollbepackten Auto (Packen = Maßarbeit), die anderen beiden mit dem Zug nach Emden. Nachmittags wurde aufgebaut: Gut, dass das Klavier schon stand und Wassily sein Cello quasi nur auspacken musste.
Dass der Aufwand sich lohnen würde, war uns klar, sind doch diese drei sympathischen Musiker Garanten für ein abwechslungsreiches, schnelles und virtuoses Programm. Die Kirche zu Pewsum ist aber auch ein toller Ort, an dem man von Weltmusik, über Kammermusik bis Jazz alles machen kann, vor allem, da die Kirchengemeinde um Pastor Jäckel offen für Experimente ist. Auf dem Programm standen die Vier Jahreszeiten, allerdings nicht von Vivaldi, sondern von Astor Piazolla, jede unterbrochen von einem Stück eines anderen Komponisten für verschiedene Perkussionsinstrumente. Unter anderem kamen Maracas, eine Art Rassel, zur Instrumentengruppe der Idiophone gehörend, zum Einsatz. Warum gerade diese Reihenfolge gewählt wurde, erklärten die drei bei ihrer fachkundigen Moderation; auch, wann, bzw. unter welchen Umständen die Kompositionen entstanden sind. Nach dem Winter ging es in die Pause – glücklicherweise ohne Regen.
Nach der Pause folgte neben tollen Eigenkompositionen auch ein sehr jazzig-angehauchtes Stück von Emmanuel Séjourné, das in die Richtung von Weather Report oder Chick Corea ging. Das Publikum, in dem auch einige Mitglieder des Kulturausschusses der Ostfriesischen Landschaft saßen, war begeistert: junge, sympathische Musiker, ein kontrastreiches, unbekanntes Programm mit den notwendigen, gut vorgebrachten Erläuterungen und eine virtuose und temperamentvolle Darbietung. Nach stehenden Ovationen gab es noch eine hinreißende Zugabe.
Für uns war der Abend noch lange nicht zu Ende, wartete doch noch der Abbau auf uns. Der eigens demontierte Kronleuchter war als erstes wieder an seinem Platz. Flügel und Bühne durften bis zum nächsten Tag stehen bleiben. Alexejs gesamtes Instrumentarium wieder auseinander zu bauen, sicher in die dazu gehörigen Packtaschen und vor allem ebenso in den Wagen zu verstauen (ohne Licht), dauerte bis nach Mitternacht. Für ihn nicht ungewöhnlich: Hätten nicht alle mit angepackt, hätte es deutlich länger gedauert.