Das erste Wochenende mit drei Gezeitenkonzerten, die es in sich hatten, liegt hinter uns. Das spektakuläre Auftaktkonzert mit der fantastischen Trompeterin Tine Thing Helseth und dem dynamischen Ensemble Allegria im Presswerk des Volkswagenwerkes Emden war ein Erlebnis und für beide Seiten ein Experiment. Es war im Vorfeld schwierig, sich das optisch vorzustellen, muss ich zugeben. Und als wir hörten, dass es in dieser riesigen Halle nur 600 Plätze geben würde, waren wir fast schon ein wenig enttäuscht. Aber es war gut so. Als Bühne und Stühle standen, sah man, dass es genau so sein musste.
Zum vereinbarten Zeitpunkt wurden die Maschinen runtergefahren, die Künstler waren sehr angetan von diesem Veranstaltungsort. Tine erzählte uns, dass ihr das großen Spaß macht, auch mal abseits der bekannten Spielorte zu spielen.
Für jemanden, der ohnehin 270 Tage im Jahr kreuz und quer durch die Weltgeschichte jettet, um Konzerte zu spielen, bedeutet es ohnehin, sich ständig auf Neues einzulassen. Schön ist dabei ihre Gelassenheit. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie sich an unsere Begegnung bei einer Veranstaltung der Ostfriesischen Landschaft in Esens vor fünf Jahren erinnern konnte. Sie freute sich so, mit dem Ensemble Allegria zusammen außerhalb des gemeinsamen Heimatlandes Norwegens spielen zu können, da sie mit vielen von ihnen bereits seit Kindertagen musiziert.
Der Empfang ausnahmslos aller Mitarbeiter vom Volkswagen Werk Emden war für uns ein Erlebnis. Alle waren so freundlich, grüßten neugierig, standen für Fragen – egal welcher Art – zur Verfügung, waren aufmerksam, packten mit an, räumten ihre Büros für die Künstler, fegten Vogeldreck weg, obwohl das doch eher unsere Aufgabe gewesen wäre… Wir waren wirklich begeistert!!!
Um diesen Beitrag – Simons ausführlicher zu den einzelnen Gezeitenkonzerten folgt – nicht ausufern zu lassen, beschränke ich mich auf das Drumherum und versuche, mich kurz zu fassen. Die künstlerische Leistung aller Beteiligten war fantastisch. Unser künstlerischer Leiter, Matthias Kirschnereit, der im letzten Jahr leider noch keine Gelegenheit hatte, das Ensemble Allegria zu erleben und schon sehr gespannt war, war schwer begeistert.
Neben dem nicht optimalen Wetter (viel Wind, ein bisschen Regen und nicht gerade warm) gab es noch einen weiteren Wermutstropfen: Leider ließ sich ein leichtes Brummen der Lüftung nicht ganz eliminieren, da sie sich nicht vollständig abschalten ließ, bzw. es sonst zu einer thermischen Überlastung der Hallentechnik hätte kommen können. Und es war ja auch ein Experiment. Einige haben das gar nicht mitbekommen, andere haben es interessiert zur Kenntnis genommen, manche irritiert. Jetzt wissen wir alle Bescheid. Dennoch waren sich alle einig: Es war ein toller Auftakt! Unser Kulturpartner, NDR Kultur, war vor Ort, um dieses Gezeitenkonzert mitzuschneiden und war mit der Aufnahme sehr zufrieden. Wer also das, was er vielleicht verpasst hat, noch einmal genau nachhören kann, sollte aufmerksam die Gezeitenkonzerte im Blick behalten, um die Ankündigung des Sendetermins nicht zu verpassen!
Unser ganz großer Dank gilt neben den Förderern Statoil, der OLB-Stiftung und allen weiteren, die grundsätzlich mit ihrer finanziellen Unterstützung zum Gelingen des Festivals beitragen, allen Beteiligten vom Volkswagen Werk Emden für ihren herzlichen Empfang, ihre Unterstützung, Rücksicht, freundliche Worte und Gesten und den Kaffee!!! Ihr wart allesamt Spitze!
Weiter ging es dann am Samstag mit einem klassischen intimen Kammerkonzert mit Julian Steckel und Lauma Skride in der kleinen, schönen Dorfkirche zu Bagband, ermöglicht durch Rolf Janssen GmbH | Elektrotechnische Werke.
Pastor Oliver Vorwald wies in seiner Begrüßung zum Abschluss noch auf eine Veranstaltung am kommenden Samstag um 19:30 Uhr in der Kirche hin: „Bagband und der große Krieg – Friedenslieder, Schicksalsskizzen und Fußball zur Erinnerung an die Schrecken des Ersten Weltkrieges“ hin. Dann begann das wirklich wunderbare Konzert mit Debussys Sonate d-Moll für Violoncello und Klavier von 1915. Das war eigentlich der perfekte Anschluss an diese Ankündigung, stammte diese Sonate doch aus dem zweiten Kriegsjahr. Daran schlossen sich die „Grave“ Metamorphosen von Lutoslawski von 1981 an, Neue Musik also, die perfekt in die zuvor erzeugte Stimmung passte.
Für Erheiterung sorgte die Tatsache, dass Julian Steckel zwischendrin die Saite riss – kein Drama. Selbstverständlich hatte Julian Ersatz dabei, blieb gelassen wie immer und ließ sich sogar von Kalle Krämer in den Vorraum der Kirche verfolgen und beim Wechsel fotografieren. Ratz fatz ging es weiter als wäre nie etwas gewesen. Uns hat Julian Steckel bereits im letzten Jahr bei seinem Auftritt in Buttforde durch seine Leichtigkeit so gut gefallen, dass wir uns alle auf ihn gefreut und auf Lauma gespannt waren: Erwartungen im vollen Umfang erfüllt!
Persönlich habe ich mich sehr darüber gefreut, dass sich Linda Anne Engelhardt, Vorsitzende der Sommerlichen Musiktage Hitzacker, gemeinsam mit ihrem Mann auf den Weg nach Bagband gemacht hat. Im letzten Jahr war es uns möglich, dort an einem tollen Konzert der künstlerischen Leiterin und fantastischen Violinistin Carolin Widmann teilzunehmen. Die “Sommerlichen” gehen in diesem Jahr in ihre 69. Saison und sind damit das älteste deutsche Festival.
Das letzte Gezeitenkonzert dieses Wochenendes war vor einigen Stunden Haydns opulentes Werk „Die Schöpfung“ in der St.-Magnus-Kirche zu Esens, der größten Kirche Ostfrieslands, die Platz für die knapp hundert Musiker auf der Bühne bot. Wie bereits geschrieben, war es das letzte Konzert der scheidenden Kantorin Inka Drengemann-Steudtner, zusammen mit ihrer Kantorei, dem Nordwestdeutschen Barockorchester und Margareth Hunter, Mirko Ludwig und Jan-Bernd Strauß als Gesangsolisten. Abgesehen von den üblichen Verwirrungen in großen Kirchen, wer wo sitzt (Mitte rechts ist nicht identisch mit rechts etc.), war es ein toller Abschluss für das erste Gezeitenwochenende. Alle haben sich noch einmal besonders ins Zeug gelegt, um „ihrer Inka“ einen würdigen Abschluss zu ermöglichen, was ihnen hervorragend gelungen ist. Eine Förderin, nicht dieses Konzerts (hier gilt unser Dank der Sparkassen Kulturstiftung LeerWittmund, der Ev.-luth. Landeskirche Hannover und nicht zuletzt der Stadt Esens), sagte, sie habe „Die Schöpfung“ schon oft erlebt (klingt witzig, ist aber so), in den Nachkriegsjahren sogar an einer Aufführung mitgewirkt und auch mehrere Aufnahmen zu Hause, aber dieses Gezeitenkonzert habe sie sehr ergriffen. Es schien als sei es einem Großteil der der mehr als 700 Besucher ebenso gegangen.
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