Albrecht Mayer und Markus Becker in der Kirche zu Remels
Es beginnt mit einem Dankeschön. Am Dienstagabend gehört die Bühne zunächst dem Freundeskreis der Gezeitenkonzerte, der öffentlichkeitswirksam und feierlich sein 300. Mitglied begrüßt. Gabriele Girlich darf sich nun zu den Festivalförderern zählen und die vielen Vorteile des Freundeskreises genießen. Viele Konzerte würden ohne den Freundeskreis nicht stattfinden und so ist es fast selbstverständlich, die Gründerin und ehemalige Vorsitzende Barbara Oles in der St.-Martinskirche Remels als Ehrenmitglied zu begrüßen. Sichtlich überrascht nimmt sie die Ehrung von Beate Friemann, der aktuellen ersten Vorsitzenden, entgegen. Aus ihrer Idee ist ein langfristiger Erfolg und mittlerweile über 300 köpfiger Verein geworden, der die Gezeitenkonzerte nicht nur finanziell prägt, sondern ihre Identität entscheidend prägt. Achten Sie beim nächsten Mal darauf, wie viele Besucher kleine gelbe Schildchen an der Jacke tragen. Sie lassen sich gerne ansprechen!
Die Hauptinteressen des Freundeskreises sind tolle Konzerte und große Musik, die nach dieser Einleitung auch alles überstrahlt. Superlative sind nicht zuletzt nach Sokolov in Leer eine schwierige Sache. Aber was soll man machen, wenn einem der beste Oboist der Welt versprochen wird? Albrecht Mayer ist Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker. Der eine oder andere hat von diesem Orchester vielleicht schon mal gehört. Ein recht ordentlicher Verein von Musikern, die ihren Chefdirigenten selbst wählen dürfen. Dass Kirill Petrenko dieses Orchester (okay, es ist vielleicht DAS Orchester in Deutschland) bald leiten wird, ist die große Nachricht des Klassikjahres gewesen. Nebenbei tourt Albrecht Mayer solo, im Duo oder im Ensemble durch die großen Konzertsäle und Fernsehlandschaften. In gewisser Weise ist das ausverkaufte Konzert in Remels daher ein Heimspiel: er ist umgeben von Mayer-Fans. Entsprechend locker tritt er in Remels auf, erzählt Anekdoten und Witze und spielt wie nebenbei einen Sound, den jeder sofort mit ihm verbindet.
Markus Becker, Pianist, übernimmt auf der Bühne nur den ruhigen und bescheideneren Part, wenn es um die Ansagen geht. Mitreißend sind seine beiden Soloauftritte. Im ersten Teil sind es Debussys „“Estampes“, die nicht nur thematisch perfekt passen (regnerische Arpeggien in „Jardins sous la pluie“), im zweiten Teil Haydns Sonate Nr. 39 e-Moll. Großer Applaus.
Gemeinsam spielen sie sich durch die Jahrhunderte und überraschen den Hörer mit unbekannten Werken wie zum Beispiel Gotthard Odermatts „Les couleurs de l’eau“. Odermatt, ein zeitgenössischer Komponist, schrieb diese Sonate als Auftragswerk für Mayer. Sie lotet alle Register der Oboe aus und lebt von dem Wechselspiel aus einem ruhigen ersten und virtuosen zweiten Satz und verknüpft viele Elemente, die man schon in den anderen Werken (Elgar, Grovlez und Horovitz) am Abend gehört hat. Zeitgenössische Musik mit dem Blick in die Vergangenheit – für mich der Höhepunkt des Konzertes. Manche Besucher dürfen jetzt die Unterschrift der beiden Künstler im Programmheft ihr Eigen nennen, das eine würdige Alternative zu den nicht vorhandenen CD’s ist. Ulf Brenken hatte sich die Mühe gemacht, Herrn Odermatt zu kontaktieren und Informationen über das Stück zu erfahren. Dieser lieferte prompt eine halbseitige Beschreibung des Stückes. Das Programmheft plus Unterschrift – eine kleine Rarität!
Kurz nachdem der letzte Ton verklingt, umarmen sich die beiden Musiker. Die Zugabe beginnt mit einem Dankeschön. Selten habe er ein so ruhiges und konzentriertes Publikum erlebt, sagt Mayer. Zwischendurch habe er mehrmals schauen müssen, ob noch alle sind. Vielleicht liege dies an den besonderen Menschen im Norden, die er seit einer Fahraddtour als Jugendlicher zu schätzen gelernt habe, sagt er (mit Ausnahme der Sylter, aber das ist eine andere Geschichte). „Stiller als in der Philharmonie“ – wer nimmt so ein Kompliment nicht gerne mit nach Hause? Abgerundet wird der Abend mit einem mir unbekannten Stück von Hans Steinmetz und dem Abendlied von Schumann. Und so endet ein wunderbares Konzert mit einem Dankeschön aus vielen Mündern, denn die Künstler kommen zu einem Plausch in die Kirche zurück. Programme werden unterschrieben, Spielpläne verglichen und Beratungsgespräche für die erste eigene Oboe (Welches Modell? Welcher Händler?) werden intensiv genutzt. Dann geht es in die kalte ostfriesische Nacht auf die Suche nach Essen. „Stiller als in Berlin“ – Kulinarisch betrachtet trifft das leider negativ zu. Musikalisch aber verbindet man auch in diesem Jahr wieder nur Großes mit Remels.