… sagt Benedikt im dritten Akt von Shakespeares „Viel Lärm um nichts“. Und weiter sagt er: „Ist es nicht seltsam, dass Schafdärme die Seele aus eines Menschen Leibe ziehn können? Nun, im Ernst, eine Hornmusik wäre mir lieber.“ Hornmusik, lieber Benedikt, kannst du bei den Gezeitenkonzerten am Sonnabend in Dunum hören. Aber du hast schon Recht. Es ist wirklich eine beinahe übernatürliche Sache, dass aus bestimmten Dingen so magische Klänge kommen, die unsere Seele in Bewegung setzen. Immerhin hast du hier im dritten Akt also mindestens die Hälfte der Wahrheit erkannt. Dass du hoffnungslos in Beatrice verknallt bist, naja, das wirst du schon noch früh genug erkennen und gestehen.
Was hat „Viel Lärm um nichts“, diese wunderbare Komödie (übrigens großartig verfilmt von Joss Whedon, läuft grad im Kino) mit den Gezeitenkonzerten zu tun? Am Donnerstag gab es in der Kirche Ditzum vier kleine musikalische Lieder von Erich Wolfgang Korngold zu hören, die als „Viel Lärm um nichts“ op. 11 benannt sind. Es ist eine kleine Suite voll expressiver Momente, die sich direkt auf das Schauspiel und die dort auftauchende Musik beziehen.
Hyeyoon Park (Violine) und Florian Uhlig (Klavier) spielten diese vier kleinen, zum Teil verspielten Stücke sehr leidenschaftlich und an den richtigen Stellen mit sehr viel expressivem Witz. Aber ich springe eigentlich mitten rein in ein Konzert, das nicht nur mich entzückt hat, wenn man den donnernden Applaus in der kleinen, aber sehr feinen Kirche als Maßstab nimmt. Die vier Shakespeare-Stücke waren im Programm vielleicht die einzigen 13 Minuten, die nicht unbedingt als absolute Klassiker der (Kammer-)Musik in die Geschichte eingegangen sind. Den beiden machte das nichts aus. Von Bach bis Korngold absolute Brillanz.
Mit dem Konzert in Ditzum wurde gestern quasi unser Festival im Festival eröffnet: Drei Konzerte mit Preisträgern des Internationalen ARD Musikwettbewerbes. Bei den unzähligen Wettbewerben ragt dieser heraus, das wurde gestern wieder deutlich. Hyeyoon Park hatte dort schon mit 17 Jahren gewonnen und ist seitdem der neue junge Star unter den Geigerinnen. Florian Uhlig, der eigentlich gar nicht so viel anfangen kann mit den Mechanismen des Musikgeschäftes, war ein kongenialer Partner, der meiner Meinung nach mindestens ein Solostück verdient hätte. Aber so passte er sich wunderbar an Parks Spiel an und bettete ihr den Boden für ihr makelloses Geigenspiel. Das stellte sie am Anfang mit Bachs Chaconne BWV 1004 unter Beweis, dem Klassiker unter den Klassikern, den alle Dimensionen sprengenden 256 Takten. Park spielte dieses Maß aller Dinge und wurde selbst zum Maß aller Dinge.
Mit Florian Uhlig auf der Bühne war Schumanns erste Sonate für Violine und Klavier der zweite Höhepunkt des ersten Teils. Auf der Bühne wirkten die beiden hochkonzentriert, fast bewegungslos agierten sie nebeneinander und doch in höchstem Maße miteinander. Hyeyoon Park hat eine fesselnde Bühnenpräsenz. Auch wenn sie sich nur minimal bewegt und bisweilen kontrolliert wie eine göttliche Athene-Statue wirkt, passiert doch unglaublich viel. Man sollte bei Kammermusik ja sowieso nicht von der Bühnensprache auf die Musiksprache schließen.
Auch wenn der Schumann möglicherweise nicht die völlige Bandbreite der wellenförmigen, sich vorsichtig kontrolliert herantastenden Schattierungen einer, sagen wir, Christian Tetzlaff / Lars Vogt Interpretation hatte, dürfen sich Park und Uhlig durchaus mit den ganz Großen messen lassen. Völlig transparente Eleganz und ein druckvoller Ausdruck paarten sich und gebaren eine leidenschaftliche Sonate, für die sie zur Pause großen Applaus erhielten.
Nach der Pause, die mal wieder zu besten Temperaturen im malerischen Ditzum genossen wurde, ging es mit der kleinen Shakespeare-Suite von Korngold weiter. Zum Abschluss stand Francks Sonate A-Dur op. 120 auf dem Programm, das auch alle letzten möglichen Zweifler (naja, es gab eh keine mehr nach dem Schumann) überzeugte: Hier in Ditzum, am äußersten Rand der Republik konnte man ein wunderbares Duo erleben, das uns noch durch das klassische Musikleben begleiten wird, ganz sicher.
Nach zwei lautstark geforderten Zugaben (zuerst von Jules Massenet die Meditation aus Thaïs und dann von Fritz Kreisler Tambourin chinois op. 3) begaben sich 70 Zuhörer entzückt zur Fähre und setzten über. Der Rest war direkt nach Ditzum gefahren. Man kann nur hoffen, dass der Weg dieser großartigen Violinistin steiler nach oben geht. Sie ist auf jeden Fall bei der richtigen Agentur (Konzertdirektion Schmid), sie hat die richtige Geige (Stefan Peter Greiner) und sie hat eines hinter sich: das Publikum der Gezeitenkonzerte.