Die Kirche hatte mehrere Vorgängerbauten, deren letzter aus dem 15. Jahrhundert 1847 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. 1844/45 war bereits ein neuer Turm gebaut worden, 1848-54 errichtete der Baumeister Friedrich August Ludwig Hellner aus Hannover den Backstein-Neubau als dreischiffige Hallenkirche mit Querschiff, Chor und Apsis im strengen Stil des Romantischen Historismus, wie er in Berlin in der Schinkel-Nachfolge aus dem Klassizismus entwickelt worden war und romanische und gotische Formen miteinander verbindet.
Im Innern der Kirche stützen schlanke, gusseiserne Pfeiler das hölzerne Kreuzgewölbe. Es entsteht ein weiter, lichter Raum, der an den Seiten durch Emporen begrenzt wird.

Zu den ältesten Ausstattungsstücken gehört einmal die Bronzetaufe von Hinrik Klinghe (1474). Das Taufbecken ähnelt dem in der Kirche von Uttum sehr. Die Wandung zeigt unter baldachinartigen Verzierungen die Kreuzigung und Heilige. Der ursprüngliche Fuß des Beckens wurde, weil die bronzenen Trägerfiguren verloren gegangen waren, um 1650 von dem Esenser Bildschnitzer Jacob Kröpelin* neu gestaltet, Der Fuß zeigt sogenannte Sphinxen, Fabelwesen mit Löwenkörpern und menschlichen Köpfen. Auch der Deckel ist neueren Datums.
Dann ist da noch der prächtige Sandsteinsarkophag des Häuptlings und Ritters Sibo Attena (✝1473). Der Verstorbene ist als ganze Figur dargestellt, die, bekleidet mit einem Harnisch nebst Umhang, auf der Tumba ruht, das Haupt auf ein Kissen gebettet, die Hände betend zusammengelegt und das Schwert zu seiner Linken. Vier Löwen dienen als Wappenhalter und die Umschrift erklärt, wer hier seine letzte Ruhe fand. Die Seiten der Tumba sind mit gotischem Maßwerk geschmückt.

Von den in der Kirche aufbewahrten Epitaphen ist vor allem das auf der Orgelempore bemerkenswert. Es wurde von Graf Enno III. von Ostfriesland für seine Gemahlin Walpurgis von Rietberg errichtet, die 1586 im Alter von 30 Jahren starb. Man sieht sie, lang ausgestreckt mit betend erhobenen Händen, den Kopf  auf einem Kissen ruhend, daneben ihr Sohn, der nur zehn Tage alt wurde. Links neben ihr liegt eine Grafenkrone und zu ihren Füßen reckt ein kleines Hündchen neugierig den Kopf. Über ihr ist eine lebhafte Darstellung der Auferstehung zu sehen, von Wappenschildern eingerahmt und flankiert von ihren beiden Töchtern. Ein Totenkopf krönt das Epitaph, im Giebel und über der Inschriftentafel schaut ein geflügelter Engel auf den Betrachter herab.

Das Grabmal der Gräfin Walpurgis von Rietberg ist nun an der südöstlichen Seite der Kirche in einer vereinfachten Form zu sehen. Der wohl sehr aufwändig geschmückte Sarkophag wurde 1791 abgebrochen und stückweise verkauft. Sechs Sandstein-Karyatiden standen lange an dem Bürgerhaus in der Jochemstraße 11, ehe sie wieder in die Kirche kamen, nachdem der Kirchenvorstand 1997 die Nachbildung des Grabmals aus Holz hatte bauen lassen. An dem Haus sind jetzt Kopien dieser Trägerfiguren zu sehen.

Der ungewöhnliche, 1714 entstandene Altaraufsatz wurde von zwei Künstlern geschaffen. Das Predellarelief mit der Darstellung des Abendmahls und die Kniebänke stammen, ebenso wie die Kanzel von 1674, von Jacob Kröpelin*. Die Wangen der Kniebänke zeigen Moses und Luther. Wer das Kruzifix geschaffen hat, ist unbekannt. Es steht auf einem Totenkopf, einem Hinweis auf die „Schädelstätte“ Golgatha, und wird begleitet von den Figuren der trauernden Maria und Johannes. Das Kreuz ist von wunderbar geschnitztem Reblaub mit Trauben umrankt. Die Inschrift lautet: „Ich bin der Weinstock, Ihr seyd die Reben”. Nach dem Johannes-Evangelium sprach Jesus auch diese Worte, als er sich in der Gewissheit, am Kreuz zu sterben, an seine Jünger wandte.

Auf der Westempore steht die Orgel, die – und das ist etwas Besonderes in Ostfriesland – zur gleichen Zeit wie die Kirche entstand und sich deshalb auch harmonisch in den klassizistischen Kirchenraum einfügt. Das zweimanualige Instrument mit selbstständigem Pedal und 30 Registern, von denen viele noch original sind, wurde 1848-60 vom Orgelbauer Arnold Rohlffs aus Esens gebaut, der von 1840-82 in Ostfriesland wirkte. Er hielt sich bei der Gestaltung des Prospektes an die Architekturzeichnungen des Kirchenbaumeisters. Auch diese Orgel erfuhr einige zum Teil unsachgemäße Veränderungen, ehe sie von der Orgelwerkstatt Führer aus Wilhelmshaven 1980-83 gründlich restauriert und dabei in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde. So kann man feststellen, wie altes ostfriesisches Orgelhandwerk und die neuen Strömungen der Romantik bei dieser größten Orgel des 19. Jahrhunderts in Ostfriesland zusammenwirken.

Im Turm der Kirche befindet sich das Turmmuseum, in dem auf mehreren Stockwerken Exponate zur Geschichte der größten Kirche Ostfrieslands zu sehen sind. Außerdem kann man das Kirchturmuhrwerk von 1873 bewundern und einen Blick in das Innere der Orgel werfen. Und bei gutem Wetter sieht man nach der Überwindung von 113 Stufen durch die Schallöffnungen ganz oben bis zu den Inseln hinüber.

*Mehr über die Familie Kröpelin, deren Mitglieder viele Altäre und Kanzeln in Ostfriesland schufen, in: Biographisches Lexikon für Ostfriesland, Bd. 4, S. 265-269, Aurich 2007.

Monika van Lengen


St. Magnuskirche Esens
Kirchplatz
26427 Esens

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