180 Plätze und mehr: Auch gestern war das Konzert wieder restlos ausverkauft. Selbst der offene Nebenraum im Alten Kurhaus Dangast wurde geöffnet, um weiteres Publikum unterzubringen. Und das hat sich gelohnt: Das „vision string quartet“ rockte auch dieses Jahr wieder die Bühne. Nur nicht bei der „Langen Nacht der Gipfelstürmer“ wie letztes Jahr, sondern im Kurort Dangast am Jadebusen, dem alljährlichen Shooting-Ort fürs nächste Titelblatt der Gezeitenkonzerte. Dieses Mal durften sich die vier Männer in Position stellen. Die Fotos dafür waren schnell im Kasten, trotz erschwerter Umstände durch das unglaublich stürmische Wetter, durch das sich die Musiker kämpfen mussten. Andererseits machte das natürlich auch die Fotos wesentlich interessanter. Man darf also schon auf das Titelfoto im nächsten Jahr gespannt sein!
Die restliche Zeit probten die vier: Jakob Encke (Violine), Daniel Stoll (Violine), Leonard Disselhorst (Violoncello) und Sander Stuart (Viola). Schon in den Proben wurde deutlich wie viel Spaß und Freude es ihnen einfach macht zusammen zu spielen.
Das Programm bestand in der ersten Halbzeit aus Alberto Ginasteras Streichquartett Nr. 1 op. 20 von 1948 und Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 c-Moll op.110 von 1960. Mit Ginastera fühlte man sich sofort in eine aufregende Zeit und Gegend versetzt. Das „allegro violento ed agitato“ als Erstes forderte vom Publikum sofortige Aufmerksamkeit, und stimmte es ein. Der tänzerische Charakter der Sätze wurde andächtig belauscht und am Ende mit tosendem Beifall belohnt.
Schostakowitschs Streichquartett war im Gegensatz zu der lockeren Atmosphäre die Ginasteras Tänze verbreitet hatten, melancholisch und traurig. Der erste Satz war schwermütig und fing sofort mit der Tonfolge „D-Es-C-H“ an, „die musikalische Entsprechung seiner Initialen D. Sch.“. Dieses Motiv war das ganze Stück über immer wieder erkennbar. Durch den fließenden Übergang in den zweiten Satz, das „allegro molto“ wurde das Publikum aufgeschreckt: die Stimmung war plötzlich ganz anders, kämpferisch und stürmisch.
In der zweiten Halbzeit gab es einen „krassen Stilumbruch“, Eigenbearbeitungen, wie z.B. von „Come Together“ von den Beatles, „Riders In The Sky“ von Big High Wire Hop, Gershwin mit „Fascinating Rhythm“ und Carol Coates mit „London by Night“. Dabei moderierten sie die folgenden Stücke immer selber an und ernteten für die lustigen und lockeren Überleitungen wie mit einem selbstkreiierten Gedicht und einer norddeutschen Dialektimitation viele Lacher und Applaus. Außerdem liebten sie es, ihr Publikum durcheinander zu bringen, indem es so aussah als würden sie die Stücke beenden wollen und die Leute begeistert anfingen zu klatschen, bevor es dann doch noch weiterging.
Bedankt wurde mit tosendem Applaus, Gestampfe und Pfiffen, was wiederum das Quartett zum Anlass nahm, noch Zugaben zu spielen wie „samba“ und die deutsche Nationalhymne in einer eigenen rockigeren Bearbeitung. Das Publikum war begeistert, und wie auch eine Besucherin des Konzertes das Quartett inständig bat: „Kommt bald wieder!“
Mareike Henninger