Alexandra Conunova (Violine), Andrei Ioniță (Violoncello) und Lilit Grigoryan (Klavier) in Aurich-Schirum
Vor dem großen Showdown am 14.08. (heute!!) begeben sich die Gezeitenkonzerte noch einmal back to the roots: Kammermusik an ungewöhnlichen Spielorten. Gestern waren wir in der Ausstellung der Firma Pollmann & Renken zu Gast. Der Raum war für ein Klaviertrio ideal: groß und sehr tragfähig, selbst oben kam noch alles super an. Wenn man sich stinkende Scheinwerfer (allerdings von uns) vor der eigenen Nase wegdenkt, ist es richtig heimelig-angenehm und man hat an den vielen Türen einiges zu gucken.
Unsere Besetzung für heute Abend darf sich ebenfalls mit Superlativen messen lassen: Alexandra Conunova (Violine), Andrei Ioniță (Violoncello) und eine alte Bekannte, Lilit Grigoryan (Klavier). Zu hören waren ausschließlich russische Werke. Den Anfang machte das erste Klaviertrio von Rachmaninoff, das noch aufgebaut ist wie eine klassische Sonate. Das Stück lebte zwar durchaus von einer großen Diversität was Dynamik und und Ausdruck anbelangte, war aber von einer schwermütigen Grundstimmung geprägt, die sich zwischendurch im Fortissimo entlud. Eine Elegie ist ja nicht umsonst ein Klagelied. Doch wer das schon bedrückend fand wie ich wurde vom folgenden Schostakowitsch umgehauen. Das zweite Klaviertrio ist mit das traurigste und verzweifeltste, was ich je gehört habe. Gerade, wenn man das erste Klaviertrio vom Donnerstag noch im Ohr hat. Dieses war geprägt von der Hoffnung des jungen Komponisten und vom Verliebt-sein, also wirklich einfach schön. Das zweite Trio hingegen ist 1944 entstanden und Schostakowitsch hatte selbst mit einem tragischen Schicksal zu hadern, denn sein engster Freund ist völlig überraschend gestorben. Viel kann ich dazu nicht mehr schreiben, denn die Emotionen, die das Stück (besonders im Largo) hervorruft, lassen sich nicht in Worte verpacken. Nur so viel: Hören Sie das Stück nicht an einem glücklichen, sonnigen Nachmittag an.
In der Pause herrschte auch eine gedrückte Stimmung. Aufheiternd waren einige nette Gespräche und die schöne Ausstellung.
Nach der Pause sollte es etwas fröhlicher werden: Tschaikowskys einziges Klaviertrio, was zum Gedenken an den verstorbenen Rubinstein aufgeführt wurde. Mit der Erinnerung der ersten Hälfte erwartete ich ein erneutes Klagelied. Tschaikowsky beleuchtete in seinem Werk jedoch eher das Leben und Wirken des großen Pianisten. Geige und Cello nahmen eher die Rolle eines Begleiters ein. Der erste Satz war sehr dramatisch und von Trauer erfüllt, ohne jedoch in solch grauenhafte Rhythmen wie Schostakowitsch zu verfallen. Im zweiten Variationssatz nimmt uns Tschaikowsky mit auf eine Reise durch Rubinsteins Leben. Wie es eben so ist, manchmal fröhlich-beschwingt, manchmal verhalten, manchmal auch sehr traurig. Vor allem sein pianistisches Schaffen wird beleuchtet, die fünfte und die siebte Variation ließen mich spontan an Mozart denken. Warum das wahrscheinlich Quatsch ist, können Sie im Blogbeitrag von Ulf Brenken nachlesen. Der Höhepunkt dieses zweiten Satzes war für mich eine sehr groß angelegte Fuge, eine relativ überkommene und komplizierte Kompositionstechnik zu dieser Zeit. Das Fugenthema hätte genauso gut von Bach sein können, die Durchführung jedoch nicht. Mit virtuoser Kraft schienen die sonst kontrapunktisch angelegten Stimmen zu verschwimmen, nur beim Einsatz des Fugenthemas konnte man sich wieder reinfinden. Eine ruhige Variation im Anschluss bildete die Überleitung zur riesigen 12. Variation, die man auch als eigenständigen Satz betrachten kann. Laut und majestätisch wurde alsbald zu leise und ruhig und das Trio endete mit dem Ableben des Widmungsträgers in der Stille, die man dank eines sehr sensiblen Publikums noch eine Weile genießen durfte. Der folgende Applaus war umso berechtigter, ebenso wie die Standing Ovations. Mit dieser Meinung stehe ich offensichtlich nicht alleine da, denn wir haben es mal wieder geschafft: Wir waren nicht nur ausverkauft, es waren sogar Personen da, die eigentlich gar nicht da sein könnten. „Endlich Sommer in Ostfriesland!“, möchte man bei einer solch gelungenen Handreichung ausrufen, doch leider waren nur 17 Grad und Regen, königliches Wetter sieht anders aus.
Nachdem die vermeintlichen Musikkenner beim Zugabenraten grandios danebenlagen (nochmal das Scherzo aus dem Schostakowitsch) fuhren wir nach einigen Aufräumarbeiten zurück nach Aurich. Jetzt geben wir uns die Sporen und machen uns auf zum Finale con molto furioso.