Dampfnudels Hochzeit

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Sharon Kam, Danae Dörken und Johannes Peitz, Gezeitenkonzert Bockhorn 2014, Foto: Karlheinz Krämer
Sharon Kam, Danae Dörken und Johannes Peitz, Gezeitenkonzert Bockhorn 2014, Foto: Karlheinz Krämer

Gutes Essen ist auch eine hohe Kunst. Felix Mendelssohn Bartholdy muss ein Genießer dieser Kunst gewesen sein. Immerhin lautete die Abmachung mit Heinrich Baermann und dessen Sohn Carl: „Carl kocht Felix’ Leibgericht Rahmstrudel und Dampfnudel, dafür komponiert Felix den beiden ein Concertino für Klarinette, Bassetthorn und Klavier.“ (zitiert nach Brenken, Ulf: Abendprogramme. Das Gesamtwerk. Band 14. Hamburg 2014)
So ist das komponierte Werk auch mit allerlei kulinarischen Geschmacksverstärkern versehen. Die Widmung lautet: „Die Schlacht bei Prag! Ein großes Duett für Dampfnudel oder Rahmstrudel, Clarinett und Bassetthorn.“


Lustig muss es zugegangen sein bei den Baermanns. Allzu ernst geht es auch in Bockhorn nicht zu. Kanonenschussmäßig startet das Allegro di molto und Sharon Kam (Klarinette), Johannes Peitz (Klarinette und diverse Variationen) und Danae Dörken (Piano) sind ganz bei der Sache. Als Ouvertüre dieses besonderen Abends gibt es ein Klatschkonzert erster Sahne. Schon beim Gang zur Bühne und der ersten Verbeugung ist klar: Sharon Kam ist und bleibt der Publikumsliebling bei den Gezeitenkonzerten. Niemand bekommt schon vor dem ersten Ton eine solche Empathie zugeworfen wie die israelische Klarinettistin, die diesmal mit dem Alleskönner Johannes Peitz und der jungen Danae Dörken da ist, die man noch in frischer Erinnerung aus Timmel hat.

Auch für die kulinarische Unterstützung ist schon vorher gesorgt. Seit Bockhorn liegen jetzt auf jedem Platz Bonbons. Jetzt wird etwas geraschelt, aber immerhin weniger gehustet.

Sharon Kam, Gezeitenkonzert Bockhorn 2014, Foto: Karlheinz Krämer
Sharon Kam, Gezeitenkonzert Bockhorn 2014, Foto: Karlheinz Krämer

Das Stück von Mendelssohn Bartholdy ist humorvoll und tiefgründig zugleich, wie das schöne Andante zeigt. Ein wunderbares 3-Gänge-Menü, das alle Instrumente aufeinander abstimmt. Schon hier wird deutlich: Da hat sich ein Trio gefunden. Sharon Kam kennt man mittlerweile gut, da ist eigentlich kaum noch was der Begeisterung der letzten Jahre hinzuzufügen. Ihr Klang ist meisterlich, ihre Ausstrahlung sympathisch, das Publikum hängt an ihren Lippen. Johannes Peitz’ einziger Nachteil ist höchstens, dass er nicht so nette Kleider trägt, wie seine Kolleginnen. Musikalisch ist er eine Ausnahme, spielt er doch völlig selbstverständlich Klarinette und Bassetthorn und entlockt den Instrumenten wundersame Töne. Wie perfekt die beiden aufeinander eingestimmt sind, zeigt nicht nur die ECHO-Auszeichnung ihrer Einspielungen von Mendelssohn.

Höhepunkt in Bockhorn ist für mich die Sonate für zwei Klarinetten FP 7 von Francis Poulenc, eines der wenigen Stücke für diese Besetzung. Kam und Peitz spielen jeweils A- und B-Dur, sind also nur einen Halbton voneinander entfernt. Die beiden Stimmen umgarnen sich, fliegen in luftige Höhen, schnell im Presto, noch lebendiger im dritten Satz Vite avec joie. Zärtlich dagegen wieder das Andante, das alle Schattierungen von weich und getragen auslotet.

Alle möglichen Besetzungen eines Trios werden in Bockhorn ausgelebt. Danae Dörken begeistert mit Mozarts Sonate KV 280. Gemeinsam mit Johannes Peitz spielt sie Schumanns Adagio und Allegro für Klarinette und Klavier op. 70, das auch feurig endet. Mit Sharon Kam gibt es drei Verdi Lieder und eine Mozart Arie. Gerade die Verdi Lieder fegen wie ein Gassenhauer durch die Kirchenbänke. Verspielt und keck tanzen sich Klarinette und Klavier durch die Ohrgänge und verzögern immer wieder das Finale, das sich dann irgendwann krachend entlädt. Die Oper spielt auf Sharon Kams aktueller CD die Hauptrolle und so liegt es nahe, dass sie auch die bearbeiteten Versionen für ihr Instrument spielt.

Übrigens: Im Moment ist das Wort „Laufleistung“ ja in aller Munde, wenn es um Thomas Müller & Co. geht. In der langen Bockhorner Kirche kommen die drei Musiker auch auf eine stolze Laufleistung. Hin und zurück und hin und zurück durch das lange Kirchenschiff. Aber bei dem ständigen Applaus macht das bestimmt Spaß.

Mit einem Rondo aus einer Mozart Oper endet der Abend, der so prall gefüllt und abwechslungsreich wie eine luftige Oper war und perfekt zu Ort, Uhrzeit, Wetter und Stimmung passte. Sollten Sharon Kam, Johannes Peitz und Danae Dörken nächstes Jahr wieder kommen, sie würden mit Standing Ovation begrüßt.

Sharon Kam, Danae Dörken und Johannes Peitz, Gezeitenkonzert Bockhorn 2014, Foto: Karlheinz Krämer
Sharon Kam, Danae Dörken und Johannes Peitz, Gezeitenkonzert Bockhorn 2014, Foto: Karlheinz Krämer

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