“Wenn jemand eine Reise tut…”

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“Wenn jemand eine Reise tut…”
oder: Musikland Niedersachsen Jahreskonferenz reduced

Jährlich lädt Musikland Niedersachsen alle Akteure, deren Arbeit und Leben sich um die Musik drehen, zu einer Jahreskonferenz ein. In diesem Jahr fand sie erneut im November wieder im Pavillon Hannover statt. Auf dem straff durchstrukturierten Programm zum Thema „Vielfalt, die ankommt“ standen zahlreiche Angebote, aus denen sich die Teilnehmenden ihren Interessen entsprechend wählen konnten. Aber bis es soweit war, mussten noch einige Hürden überwunden werden…

Anfahrtschwierigkeiten

Witterungsbedingte Zugausfälle: Der Schnee kommt immer so plötzlich!
Witterungsbedingte Zugausfälle: Der Schnee kommt immer so plötzlich!

Glücklicherweise konnten die beiden Teilnehmenden der Gezeitenkonzerte statt in Ostfriesland in Oldenburg in den Zug steigen. Der stand sogar schon parat. Nach kurzer Fahrt kam bereits die erste Durchsage, dass die Gäste, die geplant hatten, in Bremen in den schnelleren ICE umzusteigen, bitte sitzen bleiben mögen, da dieser erst ab Hannover im Einsatz sei. Gut, dann ist man eben nicht ganz pünktlich im Pavillon. Der Kaffee fällt schon einmal aus. In Delmenhorst verhinderte eine „Türstörung“ die Weiterfahrt. Interessant fand ich, dass die entsprechenden Zettel (schön auf Klebefolie aufgezogen, richtig professionell) bereits vorbereitet waren. Hier waren es dann schon etwa 15 Minuten Verspätung. Diejenigen, die mit den ICE nach München fahren wollten (eine Dame war in Varel gestartet), wurden langsam nervös, ob sie diesen zumindest in Hannover noch erreichen würden. Der Zugbegleiter war sehr freundlich und erkundigte sich hilfsbereit. Als er den ICE nach 14 Uhr als Option erwähnte, wurden einige blass. In Nienburg gab es „aufgrund der extremen Witterungsbedingungen“ eine halbstündige Wartezeit. „Wir bitten um Verständnis!“ Tatsächlich waren ab Bremen die ersten Schneeflocken erkennbar gewesen. Ein wenig später kam die Durchsage: „Der Zug endet hier! Ein Schienenersatzverkehr wird eingerichtet.“ Dementsprechend stürmten fast alle leicht genervt, aber friedlich auf den Bahnhofsvorplatz zum ZOB. Ein kurzer Blick durch das Fenster der Wartehalle gab Aufschluss: Kein Bus zu sehen. Man kann auch im Warmen warten. Auf den Anzeigetafeln im Nienburger Bahnhof waren entweder die innerstädtischen Busverbindungen angeschlagen oder „Bitte beachten Sie die Lautsprecherdurchsagen!“. Letztere gab es nicht. Es waren viele ausländische Mitbürger unter den Wartenden, die teilweise sehr ratlos waren. Laut Smartphone sollten acht Busse bis Wunstorf fahren. Nach etwa einer halben Stunde kam der Zugbegleiter aus dem Bahnhof und versuchte sich an einer Durchsage. Die Strecke sei doch frei, die Zugreisenden werden gebeten, sich zu Gleis 4 zu begeben. (Auf dem Nachbargleis stand bereits ein Zug. Da wurde fleißig eingestiegen. Wohin dieser fahren sollte, stand nicht dran.) Irgendwann ging es tatsächlich weiter.

Wenn der vorbei ist, geht es vielleicht weiter....
Wenn der vorbei ist, geht es vielleicht weiter….

Allerdings wurde so gut wie jede Haltestelle angesteuert, was die Fahrtzeit zusätzlich verlängerte. In Linsburg brachen fast alle lachend zusammen, als es wiederum hieß, dass sich die Weiterfahrt aufgrund der extremen Witterungsbedingungen verzögern würde, weil der Zugverkehr nur eingleisig führe. Der Zugbegleiter versuchte es mit ein wenig Humor: „Wenn der [Gegenzug] durch ist, dann könnte das wohl klappen mit der Weiterfahrt!“
Die Durchsage bei jedem Halt, dass man doch beim Aussteigen auf die nicht geräumten Bahnsteige achten möge, hörten wir mehrfach und überlegten bereits, ob wir uns in Hannover ggf. freigraben müssten, falls wir im nicht überdachten Teil des Bahnhofs aussteigen müssten. Mit ca. zwei Stunden Verspätung trafen wir ein wenig verfrüht zum Mittagessen statt zum Kaffee im Pavillon ein und hörten, dass wir nicht die einzigen seien, die sich verspätet hatten. In und um Hannover ging nicht viel in Sachen Bahnverkehr. #Thankyoufortravelling und „Niedersachsen ist am Zug“!

Gute Gespräche
Um sich für die letzten Minuten noch in die Vorträge und/oder Workshops einzubringen, war es nun zu spät. Glücklicherweise trudelten aber weitere Gäste ein, mit denen man rasch ins Gespräch kam. Schon oft waren Musikland-Tagungen für uns sehr fruchtbar, weil sich Kontakte neu ergaben oder alte vertieft werden konnten. Im letzten Jahr haben wir beispielsweise unsere Ideen für unser Familienprogramm noch einmal kurzfristig über den Haufen geworfen und stattdessen mit Concerto Foscari neu überlegt und das Ensemble ins Boot geholt. Uns war und ist es ganz wichtig, möglichst viele Kinder und sehr gerne auch die neuangekommenen aktiv ins Geschehen einzubinden. Da kamen uns die Ideen von Sonja, Alon und Rafael gerade recht.
In diesem Jahr hatten wir einen Arbeitsauftrag: Beim Oll‘ Mai zum Thema „Musikvermittlung in Ostfriesland“ sprach uns Hauke Piper, Teilnehmer an der Podiumsdiskussion“ an, ob wir als Ostfriesische Landschaft nicht die Musikakteure in Ostfriesland zusammenbringen und vielleicht auch noch Unterstützung von außen hinzuziehen könnten. Da lag es nahe, den Dienst für Musikvermittlung von Musikland Niedersachsen als Partner der Gezeitenkonzerte anzusprechen. Und wir stießen bei Anne Benjes mal wieder auf sehr offene Ohren!

Welcome Board
img_1933Schon bei der letzten Musikland-Jahreskonferenz wurde überlegt, wie man Geflüchtete am besten in die eigenen Projekte einbinden oder welche Angebote man für sie machen kann. Diese Thematik stand auch 2016 wieder im Vordergrund. Seit dem Sommer ist Jamila Al-Yousef neu im Musikland-Team und koordiniert das sogenannte Welcome Board. Ziel ist, geflüchtete Musiker zum einen zu identifizieren und sie mit den verschiedenen Akteuren aus dem Musikland Niedersachsen in Kontakt zu bringen, sie untereinander mit anderen Musikern zu vernetzen und ihnen möglichst auch Auftritte zu vermitteln. Bei einer solchen Jahreskonferenz geht das natürlich prima. Und Jamila scheint eine gute Besetzung und Ergänzung zu sein. In den vier Monaten wurde schon einiges auf die Beine gestellt! Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur unterstützt die Initiative und hat offenbar auch schon signalisiert, dass die Förderung auch über den zu Beginn angedachten Zeitraum hinaus weitergehen soll.

Vielfalt vermitteln

Pferdekopfgeigen und andere spannende Instrumente
Pferdekopfgeigen und andere spannende Instrumente

Wer am Ende der Musikland-Konferenz noch nichts vom Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ am Center for World Music in Hildesheim gehört hatte, muss auf seinen Ohren gesessen haben. Der berufsbegleitende Master-Studiengang, für den kein Bachelor-Abschluss oder ähnliches erforderlich ist, wendet sich an Musikbegeisterte allen Alters und Herkunft und öffnet Ohren und bildet in Sachen Musikvermittlung weiter. Morena Piro hat zusammen mit aktuellen und ehemaligen Studierenden einen interessanten und musikalischen Einblick gegeben. Und durch die zahlreichen studierenden Musiker, die überall bei der Konferenz auftauchten und vom Studiengang schwärmten, kam man eigentlich nicht um ihn herum. Auch, dass die Stiftung Niedersachsen ein maßgeblicher Förderer und Initiator ist, wurde immer wieder deutlich.

Vielfalt feiern
Nach einem Tag voller Informationen und wichtiger Gespräche kommt ein bisschen Abwechslung gerade recht. Das frisch gegründete Ensemble aus geflohenen und alteingesessenen Musikern spielte auf teilweise uns unbekannten Instrumenten und sang in ihrer eigenen Sprache, aber auch englisch und ließ uns Vielfalt erleben und feiern. Zwei der Akteure auf der Bühne leben in Papenburg, einer von ihnen ist zurzeit Praktikant beim Welcome Board in Hannover. Und der in Oldenburg lebende Rami Chahin hatte eigens für diesen Abend eine Komposition geschrieben. Zur Einstimmung gab es Podiumsgespräche u. a. mit Michael Dreyer vom Morgenland Festival Osnabrück, der vor zehn Jahren aus Syrien geflohenen Autorin Luna Ali und Jamila Al-Yousef vom Welcome Board.

Festivals in Niedersachsen
Am zweiten Tag kamen vormittags die Festivalmacher zusammen. Mittlerweile gibt es fast 100 unterschiedliche Musikfestivals in Niedersachsen. Immerhin rund 40 Vertreter trafen sich, um über die nächste Auflage der Festival-Broschüre, Themen des nächsten Fachtages und weitere für Festivalmacher wichtige Themen zu sprechen. Moderiert wurde das Treffen von Gunnar Geßner und Jakob Hermens vom Musikland-Team.

Noch viele da bei der Schlussrunde!
Noch viele da bei der Schlussrunde!

Zum Abschluss gab es noch ein Podiumsgespräch mit einem kurzen Rückblick auf die ersten vier Monate des Welcome Boards und einem Ausblick auf die weitere Arbeit. Es gibt noch viel zu tun. Das wurde auch deutlich durch eine Rückmeldung aus dem Publikum, verbunden mit der Bitte, doch irgendwie eine größere Akzeptanz für Berufe aus dem Kulturbereich herzustellen. Es sei doch traurig, wenn einer aus Syrien geflüchteten Dramaturgin mit den entsprechenden Abschlüssen geraten werde, eine Ausbildung zur Frisörin zu machen.

Nach weiteren intensiven Gesprächen und einem Mittagessen ging es für uns beide zurück in den Norden über das Drehkreuz Hauptbahnhof Hannover. Gut, dass wir nicht nach Hamburg wollten: Da ging aufgrund der extremen Witterungsverhältnisse (drei Schneeflocken) immer noch nichts. Unser Zug kam, war relativ leer und fuhr. Die viertelstündige Verspätung wurde mit einem Achselzucken allerseits quittiert. Bei Verden gab es dann doch die gefürchtete Ansage: Aufgrund einer Streckensperrung gebe es ab Bremen Schienenersatzverkehr. Na Mahlzeit. Mitten im Feierabendverkehr verspricht das Spaß. Zehn Minuten vor Bremen kam die Entwarnung: Die Instandsetzungsarbeiten seien abgeschlossen, sodass der Zug planmäßig bis nach Emden durchfahren könne. Aufatmen, ankommen, aussteigen. „Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen!” Dieses Zitat stammt übrigens aus der Feder von Matthias Claudius in “Urians Reise um die Welt”.

Das Welcome Board
Das Welcome Board und Jamila Al-Yousef

Herzlichen Dank an das Team von Musikland Niedersachsen und den Pavillon als Gastgeber!

 

 

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Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern