Durch einen malerischen Backstein-Torturm aus dem 14. Jahrhundert betritt man den Friedhof, an dessen höchster Stelle die Kirche steht. Dieser Torturm ist der Rest einer Mauer, die die Kirche umgab. Damals bot das Gotteshaus als sogenannte Wehrkirche den Einwohnern Schutz vor den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Oldenburgern.

An ihrem Äußeren kann man ablesen, dass die Kirche in drei Phasen gebaut wurde. Der älteste Teil ist das westliche Kirchenschiff, das noch fast bis zum Dach aus sogenannten Granitquadern besteht.
Dies ist der östliche Rest eines ganz aus Granitsteinen gebauten Apsissaales aus dem frühen 13. Jahrhundert. Um 1300 wurden der westliche Teil und die Apsis abgerissen. Dafür entstanden drei neue Joche im Osten, erkennbar durch die Mauern aus Backstein und Tuff im oberen Teil und die spitzbogigen Fenster mit umlaufenden Rundstäben.
Der Backsteinturm im neugotischen Stil entstand 1897/98 mit einer schlanken Spitze, die von vier kleineren Seitentürmen begleitet wird.

An der Nordwand des Kirchenschiffes sieht man Kette, Halseisen und Podest eines Prangers. Als Mittelpunkt der Landesgemeinde Lengen war Remels Ort der Rechtsprechung. War ein Täter oder eine Täterin verurteilt, so wurde er oder sie „an den Pranger gestellt“. Was für uns heute nur noch eine im übertragenen Sinne gebräuchliche Redensart ist, war für den mittelalterlichen Menschen peinsame Realität: Verachtung und Hohn der vermeintlich Rechtschaffenen ergoss sich über die Verurteilten und sie bekamen wohl auch schon mal Wurfgeschosse von faulem Gemüse oder Schlimmerem zu spüren, ganz abgesehen von der Schande, die ein Weiterleben in der Gemeinschaft fast unmöglich machte.

Noch etwas spricht von der Kirche als Ort der Rechtsprechung: das Lengener Boommaat, ein Granitstein in der Westmauer, der bei Streitigkeiten um die Größe des Stückes vom Gemeindeeigentum in den Meeden, das ein jeder Hofbesitzer mähen durfte, als Maßeinheit diente.

Vor der Kirche ist seit einigen Jahren wieder ein Steinsarkophag aus dem 12. Jahrhundert aufgestellt, der 1911 zufällig im Boden gefunden und ins Heimatmuseum Leer transportiert worden war, ehe er hier seinen Platz fand. In solchen aufwändigen Steinsärgen, die mit ähnlichem Deckel wie dem auch neben der Kirche aufgestellten geschlossen waren, beerdigten die Wohlhabenden der Gemeinde ihre Toten. So war sichergestellt, dass sie bei der Auferstehung noch alle Gebeine beisammen hatten. Später dann endeten diese Sarkophage des Öfteren als Viehtränken auf den Kuhweiden.

Der gewölbte Innenraum ist in vier Joche unterteilt, an der Ostwand des westlichen Joches sind noch die Ansätze der alten Apsis zu erkennen. Von der ornamentalen Ausmalung ist im Chorjoch ein Fries aus Akanthusblättern aus dem 13. Jahrhundert erhalten geblieben. Die Rankenmuster an der Ostwand und im Chorgewölbe entstanden etwas später.

Der gemalte Flügelaltar (1667) zeigt in der Mitte das Abendmahl und seitlich Szenen aus der Jugend Jesu. Er gleicht denen von Strackholt von 1654 und Collinghorst von 1659. Diese beiden Altäre schuf der Tischler, Bildschnitzer und Tafelmaler Tönnies Mahler aus Leer. Da der Altar hier in Remels jedoch erst einige Jahre nach dem Tod des Meisters um 1663 entstand, könnte er aus seiner Werkstatt stammen, die von einem Gesellen fortgeführt wurde. Von Karfreitag bis Ostern werden die Seitenflügel geschlossen und die Gemeinde sieht dann die Passionsgeschichte.

Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt das Taufbecken aus Bentheimer Sandstein. Die Cuppa ruht auf vier Trägerfiguren, die unter ihrer Last zusammenzubrechen scheinen. Sie ist mit einem Fries aus Akanthusblättern geschmückt, der von Taustäben umrahmt ist, oben umwunden von einer Perlenschnur, unten von einem gürtelförmigen Band. Wann der Taufstein seine farbige Fassung in rot und blau bekam, ist nicht bekannt.

Die barocke Kanzel mit gewundenen Ecksäulen und den geschnitzten Figuren der Evangelisten in Bogenfeldern entstand Ende des 17. Jahrhunderts.

Die zweimanualige Orgel mit angehängtem Pedal und 15 Registern baute Hinrich Just Müller, Wittmund, im Jahr 1782. Ihr Rückpositiv ist fünfzig Jahre älter und war ursprünglich ein bis dahin selbstständiges Positiv, das in die Orgelbrüstung eingebaut und in die Gesamtanlage integriert wurde. 1978/79 wurde die Orgel vom Orgelbauer Rudolf Janke aus Bovenden bei Göttingen restauriert, wobei nicht mehr erhaltene Teile weitgehend rekonstruiert wurden. Nun kann sich ihr edler Klang, auch wegen der hervorragenden Akustik in der Kirche, wieder gut entfalten.

Monika van Lengen


St. Martinskirche
Ostertorstraße
26670 Uplengen-Remels

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