Warm, wärmer, Dangast

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Das Ebonit Saxofoonkwartet spielte am 19. Juli im Alten Kurhaus Dangast

Ebonit Saxofoonkwartet
Das Ebonit Saxofoonkwartet im warmen Kurhaus Dangast, Foto: Karlheinz Krämer

Jazz, Pop und Rock ’n’ Roll? Nö, in Dangast spielte das Ebonit Saxofoonkwartet Mozart, Ravel und Debussy! Außerdem noch Piazzolla und Lago, und es war mal wieder sehr warm am Jadebusen.

Schon die Anreise per ÖPNV wurde für mich zum kleinen Abenteuer – mal ganz abgesehen davon, dass ich im Zug zwischen Bremen und Oldenburg zufällig auf einen Cellisten und eine Pianistin traf, die am Wochenende die Langen Nächte in Aurich bereichern sollten. In Varel angekommen, Übergangszeit fünf Minuten, wurde ich a) von Einheimischen auf die Frage nach der offenbar unsichtbaren Bahnhofsbushaltestelle Richtung Dangast in die komplett verkehrte Richtung geschickt und dafür b) anschließend von denselben Einheimischen (nach Abfahrt des Busses in nun unerreichbarer Entfernung) mit deren Auto direkt zum Kurhaus chauffiert! Zum Glück hatte Wiebke Schoon noch drei Karten für den Abend übrig…

Ebonit Saxofoonkwartet im Watt
Das Ebonit Saxofoonkwartet genoss den Nachmittag im Watt vor Dangast – Sonnenbrand inklusive, Foto: Karlheinz Krämer

Es gab selbstverständlich Rhabarberkuchen vor Ort, dazu einen Becher Kaffee – gefolgt von einem kleinen Strandspaziergang. Ab und an fragte interessierte Laufkundschaft, ob es noch Karten gäbe, und es gab Karten, solange der kleine Restvorrat reichte. Nebenan probte das Quartett, dann war Einlass, der Saal ausverkauft. Kurze Ansprachen von Gastgeberin Maren Tapken (unter Hinweis auf die Kunst im schon zweihundert Jahre alten Saal) und von Landschaftspräsident Rico Mecklenburg (mit Dank an die Sponsoren von der Barthel Stiftung und unter Hinweis auf erst sieben Jahre Gezeitenkonzerte). Es wurde wärmer im Kurhaus.

Links, Reihe acht, lässt sich sehr schön die untergehende Sonne spüren, während Vitaly Vatulya (Sopransaxofon), Dineke Nauta (Altsaxofon), Johannes Pfeuffer (Tenorsaxofon) und Paulina Marta Kulesza (Baritonsaxofon) als erstes ein arrangiertes Mozart-Streichquartett (KV 157) spielten.

Schon hier fielen mir zwei Dinge auf: Zum einen saßen die vier Musiker – jetzt einmal korrekt, weil es sonst bei der Wärme anstrengend wird: je zwei Musikerinnen und Musiker – anders als beim Streichquartett. Dort, von links nach rechts (meistens): 1. Geige, 2. Geige, Bratsche, Cello (manchmal auch Cello, Bratsche). In Dangast, von links nach rechts: Tenor-, Bariton-, Alt- und Sopransaxofon. Der Grund, wie mir Johannes Pfeuffer später erklärte, ist zum einen eine bessere klangliche Ausgewogenheit und zum anderen der Schalltrichter des Baritonsaxofons, dessen Sound, wenn das Instrument am Rand des Quartetts platziert wird, entweder voll ins Publikum oder voll gegen die Rückwand tönt.

Zum anderen hört man bei diesen vergleichsweise vibratolosen Blasinstrumenten viel genauer die harmonischen Bezüge innerhalb der einzelnen Sätze, was mich beim folgenden „Tombeau de Couperin“ von Maurice Ravel, das ich eigentlich auswendig zu kennen glaubte, gelegentlich überraschte. Vier Saxofone spielen Streichermusik – das geht prima, macht Spaß und vermittelt Musik wieder einmal neu. Vor allem, wenn so präzise zusammengespielt wird, wie vom Ebonit Saxofoonkwartet in Dangast (wo es jetzt sehr warm war)!

In der Pause wurden natürlich die Fenster geöffnet, denn sonst hätte der Veranstalter statt Sitzkissen besser Sauna-Handtücher ausgegeben. Meine Chauffeurmannschaft zeigte sich immerhin recht zufrieden mit dem Gebotenen. Die zweite Konzerthälfte begann, es wurde wieder wärmer im Saal.

Nun spielten die Ebonits das „Andantino, doucement expressif“, den dritten Satz aus Claude Debussys einzigem Streichquartett – und zwar als wunderbar-träumerisches Saxofonstück, wie ich es mir nicht schmelzender vorstellen kann. Danach gab es noch eine viersätzige „Suite del Ángel“ des argentinischen Tango Nuevo-Meisters Astor Piazzolla und zwei Sätze aus Guillermo Lagos „Ciudades“, mit darin verpackten Solopassagen für jedes einzelne Quartettmitglied. Der brausende Schlussbeifall und das Trampeln auf dem historischen Holzfußboden wollten kaum verstummen, so dass sich die Musiker genötigt sahen, zwei Sätze aus Edvard Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit“ zuzugeben. Es war jetzt eigentlich deutlich zu warm in Dangast – gleichermaßen zum Musikmachen und zum Musikhören!

Dann war Schluss, der Saal mit vereinten Kräften wieder in einen Frühstücksraum zurückverwandelt, es gab eine Getränkerunde. Danach fuhren mich zwei freundliche Teammitgliederinnen dankenswerterweise mit dem Auto zu meiner Schlafgelegenheit nach Aurich – die beiden Langen Nächte warfen ihre Schatten voraus…

Wir bedanken uns bei unseren Festivalförderern