Auf dem Marktplatz von Norden, einem der ausgedehntesten Deutschlands, steht der heute größte Sakralbau Ostfrieslands. Das aus heimischem Backstein und aus Tuff, einem Stein vulkanischen Ursprungs aus der Eifel, erbaute Gotteshaus wurde 1980-85 umfassend restauriert. Ursprünglich eine Tuffsteinkirche aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, dann im frühen 13. Jahrhundert in Backstein erneuert und später um den freistehenden Glockenturm ergänzt, war sie noch eine einfache, ungewölbte Saalkirche mit halbrunder Apsis. An deren Stelle trat dann 1445 ein gewölbtes Querschiff, dessen Ostabschluss wiederum in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch den spätgotischen Chor ersetzt und erweitert wurde.
Über dem Portal des nördlichen Querschiffes befindet sich ein frühgotisches Relief mit der Darstellung der Heiligen Drei Könige. Es stammt vermutlich aus der einst nördlich der Kirche gelegenen Andreas-Kirche. →Weiterlesen… “Ludgerikirche Norden”
Sakramentshaus
St. Bonifatius-Kirche in Arle
Schon von weitem sichtbar ist die stolze, auf einer hohen Warf thronende ev.-luth. St. Bonifatius-Kirche in Arle, die im Volksmund aufgrund ihrer imposanten Größe auch liebevoll „Bauerndom“ genannt wird. Der Ort gehört zur Gemeinde Großheide und zum Kirchenkreis Norden. Für mich ist sie eine der schönsten und interessantesten Kirchen Ostfrieslands. 2013 freut sich Klarinettistin Sharon Kam darauf, gemeinsam mit ihrem Bruder Ori (Bratsche) und Matan Porat (Klavier), genau hier zu spielen.
Entstehung der Kirche in Arle
Am Ende des 12. Jahrhunderts wurde in Arle, das damals durch ein Tief mit der Nordsee verbunden war, eine Einraumkirche mit Apsis aus Tuffstein gebaut. Tuffstein ist zu Stein gewordener Vulkanasche, die per Schiff von Andernach am Rhein hierher transportiert wurde. Im Laufe der Jahrhunderte musste der weiche Stein immer wieder mit Backsteinen ausgeflickt werden.
Um Licht in die Kirche zu bringen, wurden in der Südwand große, gotische Fenster eingebrochen. Gut erhalten in ihrer Gliederung ist die Nordwand, obwohl die Eingänge an den Längswänden der Kirche zugemauert sind. Die später aufgestockte Apsis zeigt romanische Zierformen: Lisenen und Rundbogenfries. Der neoromanische Turm wurde 1886 an die Kirche angebaut. Die Kirche ist flach gedeckt.
Der Innenraum
Qualitätvolle Ausstattungsstücke aus mehreren Jahrhunderten schmücken den Innenraum. Aus der Romanik stammen die vier Sarkophagdeckel an der Nordwand mit späteren Inschriften und der Taufstein aus Bentheimer Sandstein (13. Jahrhundert) mit ornamentalen Verzierungen und einem Sockel mit Löwendarstellungen.
Der geschnitzte Passionsaltar (um 1480) zeigt nordniederländisch-friesische Einflüsse in der lebendigen Bewegung der Figuren. Besonders in der figurenreichen Kreuzigungsszene gibt es viele Details zu entdecken. So zum Beispiel Judas mit dem Geldbeutel um den Hals, der sich an einem Baum aufgehängt hat und die Szene um Pilatus vorne rechts. Während ein Soldat den römischen Statthalter auf Jesus am Kreuz hinweist, neckt ein anderer mit einem Stock ein Äffchen, das hinter Pilatus auf dem Pferd hockt. Der Affe ist nach dem mittelalterlichen „Physiologus“ das Sinnbild für den Teufel. Andere Deutungen gehen davon aus, dass der Affe das Sinnbild menschlicher Torheit ist und in diesem Fall eine Satire auf die Autorität des Pilatus sein soll. Ob die Eidechse auf dem Fels über den um den Rock Jesu würfelnden Soldaten ein Genremotiv ist oder wiederum nach dem „Physiologus“ gedeutet werden kann als Symbol für den Menschen, der durch die Sonne der Gerechtigkeit Christi wieder sehend wird (wie die Eidechse, die im Alter erblindet und sich dann einen Platz in Richtung Sonne sucht), darüber lässt sich keine Klarheit gewinnen. Die Altarflügel wurden im 17. Jahrhundert ausgemalt. Die beiden Reliefs mit Szenen aus der Kindheit Jesu, Geburt und Beschneidung, die jetzt in der Nische des zugemauerten Nordportals untergebracht sind, stammen vermutlich von der verloren gegangenen Predella des Altars.
An der Nordwand ist auch das ehemals im Kirchenschiff aufgehängte Triumphkreuz befestigt, das der Burggraf J.A. Ferar der Kirche 1677 stiftete. In den Vierpässen an den Kreuzenden sind die vier Evangelisten dargestellt.
Besonders beeindruckend
Das Prunkstück der Kirche ist das spätgotische Sakramentshaus aus Baumberger Sandstein (um 1500). Während die Löwen im Unterbau, die den Besucher mit geöffneten Mäulern anzubrüllen scheinen, original sind, wurden die anderen Figuren im 19. Jahrhundert erneuert.
Die Kanzel wurde 1675 in der Werkstatt Jacob Kröpelins in Esens geschaffen. Am Aufgang sind die Erzväter Abraham, Isaak und Jacob zu sehen, auf dem Kanzelkorb die vier Evangelisten und der Apostel Paulus, umgeben von gedrechselten Säulen und Rankenwerk. Auch der Schalldeckel ist mit ornamentalem Schnitzwerk und Heiligenfiguren reich geschmückt.
Die Orgel, die eine Vorgängerin eines anonymen Orgelbauers aus dem 17. Jahrhundert hatte, wurde 1799 von Hinrich Just Müller aus Wittmund und Johann Gottfried Rohlfs aus Esens gebaut. Sie hat ein Manual, zwölf Register und ein angehängtes Pedal.
Die barocken Messingkronleuchter werden auch heute noch bei besonderen Gelegenheiten mit Kerzen bestückt. Der mittlere, besonders reich verzierte, ist 1696 der Kirche gestiftet worden.
Text nach Monika van Lengen
Ev.-luth. St. Bonifatius-Kirche Arle
Am Friedhof 1
26532 Großheide-Arle