Keine Kirche in Ostfriesland wurde, wie das in anderen Regionen im Mittelalter geschah, als Wehrkirche erbaut. Viele von ihnen haben aber in Fehden und Kriegen als Rückzugsorte für die Truppen oder Zuflucht für die Dorfbewohner gedient und wurden dann wohl auch ringsum mit Wall und Graben befestigt. Die Sengwarder Kirche aus so genannten Granit“quadern“ wurde 1387 vom Häuptling Edo Wiemken aus Rüstringen erobert und 1447 abermals belagert, diesmal vom Häuptling Tanno Düren aus dem Jeverland, der die Südwand und den Chor mit 20 Steinkugeln, aus einer Kanone abgeschossen, traktierte.
Der jetzige Bau stammt in seinen ältesten Teilen aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Südwand wurde stark verändert und hat nun große Fenster und eine Mauer aus Granit und Backsteinen. Die Nordwand ist größtenteils noch ursprünglich mit ihren hoch in die Wand eingelassenen rundbogigen Fenstern und dem zugemauerten Portal. Der Polygonalchor mit seinen hohen gotischen Fenstern wurde Ende des 15. Jahrhunderts angebaut.
Die „Quader“-Wände, nun auch noch mit großen Fenstern und Backsteinflickwerk, sind nicht so stabil, wie es den Anschein hat, denn die großen, gespaltenen Steine liegen nur auf schmalen, behauenen Rändern aufeinander. In der Mauer haben sie ihre natürliche buckelige Gestalt. Die Innenwand wurde dann in Backstein (in manchen Kirchen auch in Granit) hochgezogen und in den Zwischenraum kamen Muschelkalk und Steinabschläge. Welche Sorgen sich die Menschen seit Jahrhunderten um die Stabilität ihrer Kirchen machen mussten, zeigen die vielen Maueranker, die die Wände im Lot halten sollen.
Das ehemals dreijochige Gewölbe des Kirchenschiffs und das Chorgewölbe wurden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch eine mit floralen Mustern bemalte Holzdecke ersetzt, deren farbige Fassung 1903/04 arg mitgenommen war und nach noch vorhandenen Resten rekonstruiert wurde.
Das Altarretabel (um 1670) ist in seinem Aufbau ein Sinnbild der protestantischen Heilslehre. Im Mittelpunkt steht die gemalte Szene der Kreuzigung Christi. Hier sind die auf vielen spätmittelalterlichen Darstellungen gezeigten Personen auf einige wenige reduziert. So fehlen die beiden Schächer zu Seiten Christi. Rechts vom Kreuz stehen Maria und Johannes und am Kreuz kniet Maria Magdalena. Auf der linken Seite befindet sich Longinus, der durch die Blutstropfen aus der Wunde Jesu sehend wird.
Flankiert wird dieses Gemälde von den Figuren des Aaron, erkenntlich an dem Rauchfass und dem Brustschild mit zwölf Kugeln als Sinnbild der zwölf Stämme Israels. Er ist der Bruder Moses, der rechts mit einer Gesetzestafel in den Hand dargestellt ist. Zwischen den beiden steht an sehr auffälliger Stelle die Bundeslade. Diese drei Darstellungen deuten auf das Alte Testament.
Unter dieser Szene ist das Abendmahl zu sehen. Christus sitzt – auf seinem Schoß schlafend sein Lieblingsjünger Johannes – inmitten seiner lebhaft diskutierenden Jünger. Vorn rechts ist auch Judas mit dabei, gekleidet in ein grellrotes Gewand, den Beutel mit den dreißig Silberlingen an der Seite, für die er Jesus verraten hat. Im Vordergrund links drängt sich ein Mundschenk ins Bild, der roten Wein aus einer Kanne in einen Becher gießt. Auf dem Tisch befinden sich eine Platte mit einem schon halb vertilgten Lammbraten und Brote.
Neben dem Abendmahl stehen die vier Evangelisten, hier nicht mit ihren sonst üblichen Symbolen, sondern Matthäus mit einem geschlossenen Buch, Markus mit einem aufgeschlagenen Buch, Lukas mit Pilgerstab und Tasche. Johannes ist als blondgelockter Jüngling dargestellt. Auch er trug etwas in der Hand, was aber verloren gegangen ist. Eine ähnliche Darstellung befindet sich an der Kanzel der St. Matthäus-Kirche in Rodenkirchen, die 1631, also etwas früher als dieser Altar, von dem bekannten Bildschnitzer Ludwig Münstermann geschaffen wurde. In der Bekrönung des Altars sind folgende Szenen dargestellt: die Grablegung (links), die Auferstehung (rechts) und die Himmelfahrt (Mitte). Den oberen Abschluss bildet die Figur eines Mannes, der ein Lamm auf der Schulter trägt. Dieses Motiv geht zurück auf ein Gleichnis Jesu aus dem Lukas-Evangelium: „Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, so er deren eines verliert, … nicht … hingehe, bis daß er’s finde? Und wenn er’s gefunden hat, so legt er’s auf seine Achseln mit Freuden“ (Lukas 15,4-6). Wie die Freude des Hirten über das wieder gefundene Schaf ist auch die Freude im Himmel über jeden Sünder, der Buße tut.
Seitwärts am Altar sind die Wappen der zur Zeit der Altarentstehung regierenden Adelshäuser dargestellt: links das des oldenburgischen Grafen Anton Günther, rechts das seines unehelichen Sohnes Anton I. von Aldenburg, der die Herrschaften Kniphausen und Varel erbte. Gar nicht christlich muten die beiden Meerweibchen mit ihren elegant geschwungenen Fischschwänzen zu beiden Seiten des Retabels an. Ob sie einmal die Wappenmedaillons getragen haben, ist nicht mehr feststellbar. Jetzt jedenfalls fehlen ihnen die Arme.
Der kelchförmige Taufstein zeigt am Fuß Maria mit Jesus und anbetende Männer. Er stammt aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. 1704 wurde die Verzierung des Beckens abgeschlagen und durch Girlanden ersetzt. Auch die Figuren wurden wohl verändert und der Sockel neu gestaltet. Der Taufdeckel ist eine Rekonstruktion von 1963, die Apostelfiguren darauf schnitzte Jacob Kröpelin aus Esens um 1650.
Die Kanzel wurde 1903/04 nach historischen Vorbildern gebaut. Alt sind die vier Sanduhren, die den Prediger ermahnten, die Zeit einzuhalten. Der gestickte Klingelbeutel an der Wand hat schon viele milde Gaben beherbergt. Auf dem Gehäuse, in dem er befestigt ist, steht die Jahreszahl 1667 und „Henricus Roncken hats gemacht u verehret“.
Auch der Sankt Georg daneben ist ein spätgotisches Schnitzwerk, das 1964 antiquarisch erworben wurde.
Die Orgel wurde 1644 von Jodokus Sieburg aus Göttingen gebaut, der von 1624 bis 1653 im norddeutschen Küstenraum zwischen Bremen und Groningen arbeitete. 1747 ergänzte der Orgelbauer Eilert Höhler ihren Prospekt mit Schnitzwerk. Die zweimanualige Orgel mit Rückpositiv und selbständigem Pedal hat 28 Register. Mit ihrer Renovierung wurde vom Orgelbaumeister Alfred Führer 1936 begonnen, die Orgel konnte aber erst 1964 vollständig fertig gestellt werden.
Text: Monika van Lengen
Ev.-luth. St.-Georgs-Kirche Sengwarden
Hauptstraße
26388 Wilhelmshaven-Sengwarden