Zwei Wochen vor dem Konzert mit dem Amaryllis Quartett und der Pianistin Annika Treutler überschlugen sich die Nachrichten. Erst kam die frohe Botschaft, dass das Quartett den hochdotierten Kammermusikpreis der Jürgen Ponto Stiftung erhalten wird. Wenig später ging die bedeutende Nachricht ein, dass der ECHO Klassik Preis 2012 für die Kammermusikeinspielung des Jahres ebenfalls an das Quartett gehen wird.
„Sind das überhaupt noch Gipfelstürmer?“, fragte mich ein Besucher in Pewsum dann auch zu Recht. Die vier jungen Musiker haben die Gipfel jedenfalls in Rekordzeit erstürmt. Dementsprechend aufgeregt war man, die vier „in Action“ und zusammen mit Annika Treutler zu erleben. Die 21-jährige Pianistin machte den Anfang und war großartig. Sie spielte die sieben Fantasien für Klavier op. 116 von Johannes Brahms. Die Stücke wechseln von ruhigen und zärtlich-ernsten Momenten zum „agitato“ und gegenläufigen Arpeggien. In der Kirche herrschte eine fast magische Stille.
Das Amaryllis Quartett spielte Ravels Quatuor F-Dur. Wie diese vier Musiker gemeinsam kommunizieren und aufeinander eingespielt sind, ist wirklich unbeschreiblich. Tosender Applaus bereits zur Pause. Schön, dass nun auch endlich hier der Sommer angekommen ist und die Pause mit Gesprächen, Getränken und Essen den lauen Sommerabend voll ausfüllte.
Mein persönliches Highlight des Abends war das Klavierquintett von Brahms, bei dem man endlich alle fünf Musiker gemeinsam erleben konnte. 43 Minuten voll intensiver Musik, Emotionalität und Konzentration, sodass am Ende einige spürbar aufatmeten und nur noch „Großartig“ raunen konnten.
Auf der preisgekrönten CD spielt das Quartett Streichquartette von Haydn und Webern. Da waren wir fast ein wenig enttäuscht, dass von den ausgezeichneten Stücken keines im regulären Programm vorgesehen war. Aber zum Glück gibt es ja die Zugaben. Und bei denen wurde bei den Gezeitenkonzerten ja bislang nicht gespart. Man durfte also hoffen. Dann aber kam die schlechte Nachricht des Tages: die Noten lagen noch in Emden! Was tun? Zum Glück gibt es Uwe Pape, der in Rekordzeit (natürlich korrekt der Geschwindigkeitsbegrenzung folgend!) hin und zurück fuhr und so die Zugabe rettete.
Haydns Schlusssatz aus dem Reiterquartett geriet dann auch zu dem, was die Ehrenrunde bei Olympia ist: eine große Verbeugung vor den Meistern. Das Pewsumer Publikum verbeugte sich mit riesigem Applaus. „Unser weißes Album“, nannte Gustav Frielinghaus die neue CD. Leider war das Quartett in den letzten Tagen so viel unterwegs gewesen, dass die „weißen Alben“ ausverkauft waren. Machte nichts, denn es gab noch das Vorgänger Album mit dem schönen Blumenmotiv als Cover. Was dann auch einige Nachfragen zum Namen aufklärte.
Annika Treutler entließ die Besucher mit modernen und sakralen Klängen von Messiaen in die Sommernacht. Der Besucher hatte Recht: Diese fünf Musiker haben den Gipfel längst erstürmt.