Wenn ganze Flötenensembles aus Norden, Oldenburg und der gesamten Region in das kleine Dorf Sengwarden anreisen, muss dort etwas Besonderes stattfinden. Sie kamen für einen Mann und ein großartiges Orchester: Der Blockflötist Maurice Steger gastierte mit dem Barockorchester The English Concert zwischen Auftritten in Schleswig-Holstein und dem Rheingau Festival in der Kirche Sengwarden. Während der Probe fragten einige Besucher bereits mit großen Augen, ob sie nicht schon einmal lauschen dürften; sie seien schon so aufgeregt.
Das Konzert war bereits im Vorfeld stark nachgefragt und ausverkauft. So voll wie am Dienstagabend haben wir die Kirche aber noch nicht gesehen; jeder freie Platz wurde genutzt und so fanden über 370 Zuhörer oben, unten und auf dem Gang Platz.
Auch Matthias Kirschnereit, künstlerischer Leiter der Gezeitenkonzerte, kam extra aus Hamburg nach Sengwarden. Er verneigte sich bereits im Vorwort vor Maurice Steger und erzählte von ihrem ersten Aufeinandertreffen bei einem Musikfest in Koblenz. Als Pianist, der sich wenig mit Blockflöten beschäftige, sei er „völlig perplex“ gewesen, was sich aus diesem Instrument herausholen lässt. Daher war Maurice Steger auch ein echter „Wunschkandidat“ für die Gezeiten gewesen. Dass dieser sein Programm an der Seite von The English Concert bestreitet, ist quasi ein doppelter Glücksfall.
Zugegeben: die gemeine Blockflöte kennt man ja aus dem Schulunterricht – was oft keine besonders harmonische Partnerschaft ist, die für manches Instrument irgendwann in der Schublade endet. Was Maurice Steger mit der Flöte anstellte, war jedoch „ohne Worte“, wie es in der Pause überall hieß. Sein Sound flutete die Kirche.
Das Konzert war zugleich eine Zeitreise in den Barock. Händel, Corelli und Vivaldi standen auf dem Programm und das siebenköpfige Orchester spielte auf den Punkt genau, unglaublich lebendig, spritzig und austariert, sodass die Streicher David Gordons Cembalo-Spiel kunstfertig umkreisten. Alte Musik kommt bei den Gezeiten in diesem Jahr vielleicht ein wenig zu kurz. Gestern kamen die Fans aber ganz auf ihre Kosten. Die Musiker mischten sich in der Pause und nach dem Konzert unters Publikum, mussten aber bald abreisen; ihr Terminplan ist rappelvoll.
Eine Besucherin aus dem Oldenburger Flötenensemble meinte, ihr würden ein paar kostbare Minuten der Musik schon reichen und der Abend hätte sich gelohnt. Es hat sich gelohnt. Und wer weiß, vielleicht hat der ein oder andere am Abend noch einmal die Schublade aufgemacht und die alte Blockflöte herausgeholt.