Beethovens Cello-Sonaten I in Ditzum:
Tanja Tetzlaff und Gunilla Süssmann sowie Ramon Jaffé und Andreas Frölich
Die Gezeitenkonzerte feiern in diesem Jahr ihr erstes kleines Jubiläum. „Wir“ werden fünf. Bis zur Pubertät dauert es zum Glück noch eine Weile. Passend dazu werden in diesem Jahr alle fünf Cello-Sonaten von Beethoven aufgeführt. Heute in Bargebur wird es den zweiten Teil geben, leider ist dieses Konzert genau wie das Konzert in Ditzum seit Wochen ausverkauft. Ob es in fünf Jahren wohl alle Violinsonaten geben wird?
„Zwei Konzerte in einem – toll!“ hörte ich zufällig einen Herrn nach dem gestrigen Konzert sagen. Damit hat er es auf den Punkt gebracht, was sich gestern in der Ditzumer Kirche abspielte.
Den Anfang machten, wie es sich gebührt, die Ladies. Tanja Tetzlaff und Gunilla Süssmann mit der Cello-Sonate Nr. 3 in A-Dur. Auffällig ist, dass es in diesem Werk kaum langsame oder getragene Musik gab. Den Hauptsatz der Sonate (Allegro ma non tanto) fand ich großartig. Er wirkte sehr lang und war fast eine kleine Sonate für sich. Es beginnt mit einem wunderschönen Thema, das zweimal solistisch vorgetragen wird und sich anschließend fortentwickelt. Genau wie bei seiner 5. Sinfonie, die auch etwa zu diesem Zeitpunkt entstanden sein muss, beruht der ganze Satz auf diesen paar Noten, die immer wieder variiert, augmentiert oder diminuiert erscheinen.
Das folgende Scherzo (Allegro molto) funktionert auf ähnliche Weise: Auch hier wurde ein relativ einfaches Thema immer weiter fortenwickelt, allerdings ist dieser Satz relativ kurz. Nach dem überlangen Eröffnungssatz muss man seine Kräfte ja zusammenhalten.
Das einleitende Adagio des letzten Satzes bietet Raum zum Ausruhen für die Künstler. Möchte man denken. Langsame Musik ist am schwersten, denn gerade hier ist Ausdruck und Dynamik gefordert. Gute Musiker zeichnen sich durch ihr piano aus. Die beiden Künstlerinnen setzten dieses mit Bravour um und boten im Allegro vivace noch einmal ihr ganzes virtuoses Können dar. Bereits nach dem ersten Stück setzte lang anhaltender Applaus ein.
Dieser Abend stand neben Beethoven im Zeichen der skandinavischen Musik, von der ich ein großer Fan bin. Als zweites spielte das Duo die „Malinconia“ von Jean Sibelius, in dem er den frühen Tod seiner Tochter zu verarbeiten versuchte. Das habe ich aber erst nach dem Stück im Programmheft gelesen. Auf mich wirkte es erst gar nicht so. Natürlich hörte es sich schwermütig an, aber durch viele schnelle Passagen war es für mich keine Trauermusik. Im Nachhinein erschloss sich mir erst die geniale Interpretation der beiden: Dadurch, dass sie deutlich schneller und härter spielten, zeigten sie die vielen Facetten der Trauer, die nicht nur aus Vor-sich-hin-Jammern besteht, sie wird ruckartig unterbrochen von wilden, verzweifelten Ausrufen. Im Nachhinein kam mir mein obligatorisches „Herzlichen Dank, es war sehr schön!“ bei der Geschenkübergabe ein wenig dämlich vor. Eher schaurig-schön.
Nach einer regenfreien (!) Pause waren die Herren dran: Cellist Ramon Jaffé und Pianist Andreas Frölich interpretierten zunächst die etwas kürzere Cellosonate Nr. 4, die nur aus zwei Sätzen besteht. Es deutet sich der späte Beethoven an, der aus den Formen der Klassik ausbrechen möchte. Beethoven selbst bezeichnete sie schon als „Freie Sonate“. Auch der Aufbau entspricht nicht mehr den klassischen Formen, denn jeder Satz beginnt im langsamen Tempo und steigert sich in ein Allegro vivace. Im zweiten Satz befindet sich ein Rückbezug auf das einleitende Thema des ersten Satzes. Die beiden Künstler trugen das Stück mit einer großen Bandbreite an musikalischem Ausdruck vor. Zudem waren sie perfekt auf einander abgestimmt, die vielen Tempowechsel erfordern eine souveräne Absprache. Pianist Andreas Frölich kam aus dem Nicken gar nicht mehr raus, der lange Vorschussapplaus war berechtigt.
Abgerundet wurde das Konzert von Griegs a-Moll Sonate. Der Komponist selbst bezeichnete sie als nicht so gelungen, da sie keinen Fortschritt in seiner Arbeit darstelle. Auch die Kritik war seinerzeit nicht gerade überschwänglich. Nach der Lektüre des Programmhefts war ich sehr zufrieden und bestätigt in meinem Credo (Ich mag Musik, wenn sie gut ist.), denn ich sah, wie die Leute begeistert waren. Die Künstler boten hochvirtuoses Können und gingen an die Grenzen ihrer Instrumente. Völlig verschwitzt aber zufrieden verbeugten sie sich mehrmals und gaben noch zwei Zugaben: einen Tango und „Guten Abend, gute Nacht“ als Rausschmeißer. Irgendwann wollen die ja auch nach Hause. Am Ende des Abends stand ein schönes Gezeitenkonzert, dass nicht nur uns Lust auf mehr machte. Am Sonntagmorgen sind die Telefonleitungen im Landschaftsforum warm, viele Besucher von gestern bestellen noch weitere Karten.