Mit Nils Mönkemeyer und Wiliam Youn begann unsere letzte Festivalwoche der diesjährigen Gezeitenkonzerte. Seit Mitte Juni fahren wir und viele unserer treuen Besucher nun schon durch ganz Ostfriesland zu den unterschiedlichsten Konzertstätten. Viele Musiker feierten ihr Debüt bei den Gezeitenkonzerten, aber es gab auch durchaus eine Reihe von bekannten Gesichtern.
So war es auch bei Nils Mönkemeyer und Wiliam Youn, die dieses Jahr nun schon zum dritten Mal bei uns waren. Ein sehr abwechslungsreiches Programm mit zwei großen Höhepunkten – einmal die Sonate für Violine und Klavier in A-Dur von César Franck, am Dienstag in der Fassung für Viola und Klavier zum Ende der ersten Hälfte und zum Abschluss des Konzertes eine Violasonate von Rebecca Clarke, die zwar zum Repertoire eines jeden Bratschers gehört, aber sonst eher unbekannt ist. Beide Stücke haben wir jedoch schon bei den Gezeitenkonzerten gehört, die Franck-Sonate sogar in dieser Spielzeit von dem Geiger Daniel Hope. Die andere Sonate hat Nils Mönkemeyer persönlich schon bei uns gespielt, als er das erste Mal bei uns gastierte.
Nils Mönkemeyer zählt man zu den größten Bratschisten unserer Zeit. Als Kammermusiker und Solist gastiert er in den großen Konzerthäusern dieser Welt. Doch gerade so einen Weltstar mal in so einer kleinen Kirche erleben zu dürfen, hat seinen ganz besonderen Charme. Durch die unmittelbare Nähe und ein viel kleineres Publikum, ist es in den ostfriesischen Kirchen eine viel intimere und spannungsvollere Atmosphäre. Von den Künstlern bekommen wir immer wieder die Rückmeldung, was wir für ein tolles Konzertpublikum haben und wie gerne sie an den außergewöhnlichen Spielstätten konzertieren. Unter anderem ist dies sicherlich ein Grund, warum so viele Musiker immer wieder gerne zu unserem Festival zurückkehren.
Vor dem Konzert war unser Team halbverzweifelt auf der Suche nach mobilem Netz.
Dem 21. Jahrhundert entsprechend, wollten wir nämlich beginnen, die Karten vor Ort erst zu buchen und auszudrucken. An den allermeisten Flecken sollte dies kein Problem darstellen … doch das kleine Dorf Detern hat uns da leider einen Strich durch die Rechnung gemacht, und wir mussten wieder ganz konventionell Platz und Reihennummer auf eine provisorische, selbstgeschriebene Eintrittskarte schreiben.
Begonnen hat das Konzert mit einem kurzen Eingangsstück von Claude Debussy. „Beau Soir“, ist die Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Paul Bourget. Sehr romantisch beschreibt das Gedicht einen lauen Sommerabend, einen in Abendlicht getauchten Fluss, eine Stimmung, die das Herz eines Jeden erhellen soll, bevor es dunkel wird, der Strom ins Meer fließt und der Mensch ins Grab getragen wird.
Das Original ist ein Lied für Sänger und Klavier. Doch gute Kompositionen erkennt man unter anderem daran, dass die Stimmung und die intendierten Gefühle auch ohne den Text den Zuhörer und den Interpreten erreichen und es nicht der sprachlichen Beschreibung bedarf. Dieses Lied ist schon in sehr jungen Jahren von Debussy komponiert worden und obwohl der Text wirklich hochromantisch ist, hört man in der Musik schon deutlich Debussys persönlichen Stil heraus. Nils Mönkemeyer und William Youn haben uns eine ganz wunderbare Fassung dieses Stückes gespielt. Gerade der Bratschenklang passt meines Erachtens nach wunderbar zu diesem melancholischen Stück Musik.
Das folgende Stück war das Lachrymae für Viola und Klavier op. 48 – eine Reflektion über Dowlands Lied: If my complaints could passions move (Wenn meine Klagen die Leidenschaften erregen könnten). Das ganze Stück beginnt freitonal. Die unterschiedlichen Variationen sind alle sehr unterschiedlichen Charakters und enden in der letzten Variation in der Pavane Lachrymae von Dowland in einem fast banalen, wunderschönen C-Dur. Alle Spannungen fallen damit ab und alles Dissonante löst sich auf. Der letzte Satz des Zyklus‘ von Dowland ist überschrieben mit “Lachrimæ Veræ” („wahre Tränen“). So wie Tränen innere Schmerzen aus dem Körper spülen können und wieder eine innere Balance herstellen können, ist auch diese Musik angelegt. Zunächst viele Turbulenzen, bis sich alles im friedlichen C-Dur löst.
Ich war vor allem sehr gespannt auf die Franck-Sonate, die zum Ende der ersten Hälfte gespielt werden sollte. Die Version von Daniel Hope und Matthias Kirschnereit hat mir außerordentlich gut gefallen und ich denke noch immer sehr häufig an diesen Konzertabend zurück. Am 07.08. bekamen wir eine wirklich ganz andere Version zu hören. Nils Mönkemeyer und Daniel Hope spielen wirklich sehr unterschiedlich und so sind auch die Interpretationen nicht mit “besser” oder “schlechter”, sondern nur mit „anders“ zu bewerten. Während Daniel Hope und Matthias Kirschenreit eine sehr virtuose, aufgeladene Fassung uns präsentierten, die durch die sprühende Energie lebte, die sich in der Lambertikirche bis in die hinterste Reihe ausbreitete, spielten Nils Mönkemeyer und William Youn sehr viel introvertierter, feiner und weniger explosiv, doch dafür nicht weniger intensiv.
Eine atemberaubende Stille war in der Kirche zu erleben, die Musik füllte den Raum und die Hitze war nicht mehr so erdrückend, obwohl es nicht kühler wurde. Mit einem virtuosen Abschluss riss die Musik das Publikum schon nach der ersten Hälfte aus den Bänken und die Musiker mussten mehrfach nach vorne kommen, bis sie von den Zuhörern in die Pause entlassen wurden.
Der zweite Teil begann mit zwei Solostücken für Klavier. Hier konnten wir William Youns solistisches Können nochmal erleben. Technisch wie musikalisch ist sein Spiel brillant.
Als letztes Stück spielten die beiden nun wieder gemeinsam eine Bratschensonate von Rebecca Clarke. Die Ende des 19. Jahrhunderts geborene Bratschistin komponierte diese Sonate im Zuge eines Kompositionswettbewerbs. Die Teilnehmer blieben während des Wettbewerbes anonym und es ging das Gerücht herum, dass Maurice Ravel diese Sonate eingesendet habe. An vielen Stellen kann man Ravels Kompositionsstil auch hineininterpretieren, wenn flirrende Klangteppiche erklingen. Die Komposition ist so genial, obwohl sie nach wie vor eher unbekannt ist, dass sie in diesem Wettbewerb eigentlich den ersten Preis hätte gewinnen sollen. Doch als rauskam, dass die Komposition aus der Feder einer Frau stammt, wurde die Platzierung kurzerhand geändert und sie bekam nur einen zweiten Preis, während ihr Zeitgenosse Ernest Bloch auf den ersten Platz vorrücken durfte. Auch ich kannte die Sonate bisher noch nicht und war sehr angetan von diesem Werk. Ich fand, dass dieses Stück sehr passend für Mönkemeyer und Youn war, da es eine gute Mischung aus Virtuosität und melodiösen Passagen ist. Anklang in diesem Werk finden wie gesagt Klangelemente von dem Franzose Maurice Ravel, aber auch schottische Volkslieder sind hier verarbeitet worden.
Die Bratscher leiden ja oftmals unter dem Ruf „die schlechteren Geiger“ zu sein. Nils Mönkemeyer liefert hierfür das perfekte Gegenbespiel. Wenn ich ihn mit Daniel Hope nochmal vergleichen darf, dann hat man zwei fantastische Musiker, die sich das richtige Instrument ausgesucht haben. Während Daniel Hopes Spiel sehr von seiner unglaublichen Bühnenpräsenz, Virtuosität und Spielfreude lebt, sehr extrovertiert spielt, ist Nils Mönkemeyer in gewisser Weise introvertierter. Sein Klang ist voll und weich, er spielt mit einer tiefen inneren Freude, die einen auf ganz andere Weise berührt, als Daniel Hope.
So hatten wir einen weiteren wunderschönen Konzertabend, an dem ich persönlich einige neue Stücke kennengelernt habe, die ich mir auch in Zukunft erneut anhören werde.
Nochmal nachzuhören gibt es das ganze Konzert auf Deutschlandfunk. Der genaue Sendetermin wird von uns bekannt gegeben.