Unter den 31 Kirchen des Rheiderlandes nimmt dieses Gotteshaus aus dem letzten Drittel der 13. Jahrhunderts eine herausragende Stellung ein. Hoch hinauf streben die Mauern, die auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes mit fast gleichlangen Armen erbaut wurden. Der angebaute Satteldachturm unterstreicht dadurch, dass er das Kirchendach nur wenig überragt, die Höhe der Kirchenwände, die durch romanische Schmuckelemente gegliedert sind. Trotz der später vergrößerten Fenster wirkt der Bau „wie aus einem Guss“. Etwas ganz Besonderes sind die bemalten Gewölbe, die, und das ist in Ostfriesland sehr selten, unbeschadet die Jahrhunderte überstanden haben. Florale und geometrische Formen sowie ein seltsames geflügeltes Wesen lassen erahnen, wie dekorativ und rätselhaft die mittelalterliche Bildersprache war. (Detaillierte Beschreibung siehe unten). Aus der Romanik stammt die Bentheimer Sandsteintaufe, verziert mit einem Rankenfries und Tauornamenten. Die mit Intarsienarbeiten geschmückte Kanzel entstand um 1600.
Noch eine Besonderheit hat die Kirche zu bieten: In einem Gehäuse, das 1848 von dem Papenburger Orgelbauer Eike Schulte, der von 1813-1848 in Ostfriesland wirkte, geschaffen wurde und das mit Hilfe eines alten Fotos 1848 rekonstruiert werden konnte, befindet sich eine „französische Orgel“. Sie wurde 1997 nach dem Vorbild eines Instrumentes erbaut, das der Orgelbauer Louis-Alexandre Clicquot, Mitglied der bedeutendsten Orgelbauerfamilie Frankreichs vor dem 19. Jahrhundert, 1734 in Houdan bei Versailles geschaffen hatte. Das dreimanualige Instrument mit selbständigem Pedal und 23 Registern bauten die Orgelbauer Claude Jaccard, Reinalt Klein und Bartelt Immer. Es ist die erste konsequent im klassisch-französischen Stil gebaute Orgel Deutschlands. Das Besondere des französischen Orgelstils, der zu Beginn des 18. Jahrhundert – nicht zuletzt auch infolge der Hugenotten-Einwanderung – einen großen Einfluss im deutschsprachigen Raum gewann, liegt in den typischen Klangfarben, wie den brillanten Trompetenregistern, dem Solo-Cornet und dem Terzenspiel.
Text: Monika van Lengen
(Aus: Rheiderlands Kirchen. Hrsg. von den Kommunen und Kirchengemeinden des Rheiderlandes. Red. Marianne Gerke u.a. Weener 2000)
Die Gewölbemalereien in der Kirche von Stapelmoor
Romanische Kirchen waren immer innen ausgemalt und besaßen auch außen einen Anstrich. Ohne Malerei zeigt sich uns heute ein romanischer Kirchenbau eigentlich nur noch als „Skelett eines ursprünglichen Organismus“.
Auch die Wände der Kirche in Stapelmoor werden vollständig mit Wandmalereien bedeckt gewesen sein. Vielleicht waren es – wie in vielen Kirchen der damaligen Zeit – Heilige, deren Darstellung die Kirchenwände schmückten. So findet man oft den Heiligen Christophorus mit dem Jesuskind auf den Schultern oder in Italien Sankt Franziskus, den „Lieblingsheiligen“ der Italiener. Oder an der Westwand – der „weltlichen Seite“ der Kirche – die drastische Darstellung des Jüngsten Gerichts, die dem Gläubigen die Folgen seines Tuns im Diesseits mit auf den Weg gab.
In Stapelmoor waren, wie in fast allen ostfriesischen Kirchen, die Malereien an den Wänden und in den Gewölben verschwunden – bis man Reste von ihnen 1964 unter der weißen Tünche wieder fand und anschließend restaurierte. Zwar ist nur noch ein Bruchteil dessen zu sehen, was einst vorhanden war, aber auch diese Reste können uns heute einen Eindruck von dem verschaffen, was das Innere der Kirche einst barg: eine Malerei, die in ihrer Vielfalt und symbolischen Bedeutung voller Spannung war und deshalb auch noch heute die Aufmerksamkeit des Betrachters erheischt.
Was zu sehen ist, scheint sich auf den ersten Blick zu erschließen: verschiedene Muster, die sich in den Gewölben wiederholen und abwechseln und die sich zu einem interessanten farbigen „Patchwork“ ergänzen.
Nun ist es aber so, dass in der mittelalterlichen bildlichen Darstellung eine Symbolik verborgen war, die sich uns nicht mehr erschließt: Pflanzenornamente, geometrische Formen und gar figürliche Darstellungen wurden nicht willkürlich vom Maler gewählt, weil er sie schön fand, sie waren vielmehr „bildliches Echo der Liturgie“. Der mittelalterliche Mensch verstand, was gemeint war, wurde belehrt und gestärkt durch die tiefere Bedeutung der Bilder. Lesen konnte er vielleicht nicht, aber Bilder deuten, die sich uns heute verschließen wie Buchstaben eines Alphabets, das wir nie lernten.
In einigen Beispielen sei hier eine Erklärung gegeben zum tieferen Verständnis oberflächlich gesehener Darstellungen:
Immer wieder, vor allem im südlichen Gewölbe, taucht die stilisierte Lilie auf. Blumen waren beliebte Symbole der mittelalterlichen Malerei. Auch in der Renaissance finden wir auf vielen Gemälden christlicher Themen Darstellungen von Blumen. Was auf den ersten Blick wie Dekoration wirkt, ist in Wirklichkeit mit Bedacht gewählt: In einem Blumenstrauß, der auf einem Gemälde von Maria mit dem Jesuskind dargestellt ist, deutet ein Veilchen z.B. auf die Kreuzigung hin. Und eine Lilie bei der Verkündigung erzählt von der Reinheit und Keuschheit Marias. In der Bauornamentik ist die stilisierte Lilie das Gnadensymbol. Sie erscheint auch als formelhafte Verkürzung des Symbols des Lebensbaumes. Dieses Motiv steht für den „Baum des Lebens“ als Erlösungsmotiv. Er hat aber auch die Bedeutung des „Baumes der Erkenntnis“, der durch den Sündenfall zum „Baum des Todes“ wird. Wenn man die Blätterranken im Gewölbe betrachtet, kann man eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Rankenfries am Taufbecken feststellen. Dort finden sich zwischen den Blättern stilisierte Weintrauben und wenn man genau hinsieht, kann man diese auch zwischen den Ranken im Gewölbe entdecken. Was liegt hier näher, als an das Wort Jesus zu denken: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“. Die einzige figürliche Darstellung in den Gewölben ist eine Gestalt mit menschlichem Kopf und Tierkörper. Sie trägt eine merkwürdige Zipfelmütze und hat Flügel. Diese Figur scheint der griechischen Sagenwelt entliehen zu sein: eine Harpyie vielleicht, eine griechische Unheilsdämonin. Die hat aber eigentlich einen Vogelkörper. Oder ein Silen, ein Mischwesen aus Pferd und Mensch, ein Fruchtbarkeitsdämon. Aber der dürfte dann keine Flügel haben. Aus der antiken Mythologie entlehnte Dämonen finden wir in der mittelalterlichen Darstellung öfter. Auf Taufbecken, im Wandfries der Kirche von Marienhafe, als Wasserspeier an gotischen Kirchen. Sie stellen das Böse dar, das durch das christliche Evangelium überwunden wird. Sicher haben sich in den Gewölben noch andere rätselhafte Wesen getummelt, die nun jedoch auf immer verloren gegangen sind.
Text: Monika van Lengen
Ev.-ref. Kirche Stapelmoor
Hauptstraße 65
26826 Weener-Stapelmoor