Am Freitag fand in der Kirche Timmel das zweite Konzert des Festivals „Neue Bahnen“ in den Gezeitenkonzerten statt. Mehr als die Hälfte aller Veranstaltungen sind nun schon vorbei! Und wie immer ausverkauft! Das Wetter war endlich mal wieder etwas wärmer, was man auch gleich an der Kleidung erkennen konnte: viel mehr Frauen trugen Röcke und Kleider.
Gleich als Erstes ging der Landschaftspräsident Rico Mecklenburg auf das Motto ein, welches Matthias Kirschnereit dann noch weiter erläuterte: der Komponist Johannes Brahms und seine „Neuen Bahnen“ in der Musik, die er laut Schumann einschlug.
Kirschnereit bezeichnete die erste Sonate für Klavier Nr. 3 f-Moll op. 5 von 1853 als das Kernstück dieses Festivals, da es regelrecht „prophetisch-autobiographische Züge“ trage, was insbesondere im ersten und vierten Satz deutlich werde und wurde. Tatsächlich begann der erste Satz auch gleich sehr dramatisch und eindrücklich und fing das Publikum sofort ein. Der zweite Satz „Andante espressivo“ war noch nachdenklicher bzw. träumerischer, sodass man immer mehr Menschen im Publikum beobachten konnte, die die Augen schlossen, um der Musik andächtig zu lauschen. Als Ärgernis stellten sich dabei die Fliegen dar: nicht nur einmal und nicht nur einer im Publikum versuchte sie wegzuscheuchen.
Der dritte Satz kam dann, wie auch der Name „Scherzo“ schon zeigt, scherzhaft und tänzerisch daher. Der „Trauermarsch in der linken Hand“, der schon zu Anfang von Kirschnereit in seiner Rede angekündigt worden war, wurde im kurzen vierten Satz durch immer das gleiche Schema von drei gleichen aufeinanderfolgenden Tönen in der linken Hand deutlich und vorstellbar. Auch dieser vierte Satz trage autobiographische Züge des Komponisten, wie Kirschnereit betonte: der Trauermarsch könnte die „gescheiterte Liebe“ von Johannes Brahms zu der unerreichbaren Clara Schumann symbolisieren. Der fünfte Satz, das Finale stellte sich auch als solches dar, gewaltig und dramatisch. All das wurde gebührend vom Publikum mit großem Beifall belohnt.
Darauf folgte Brahms‘ Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 2 F-Dur op. 99 von 1886 mit Gabriel Schwabe am Cello und Florian Uhlig am Klavier. Auch diese Sonate präsentierte sich sehr eindrücklich und doch noch mal ganz anders durch den jetzt neuen Klangzusatz des Cellos. Mein Vater, der neben mir saß und dem Konzert lauschte, wies mich auf das Schauspiel, das durch die großen Fenster der Kirche zu sehen war, hin: aufgewühlte Bäume durch den aufgekommenen Wind – so konnte man der Musik nochmal ganz anders zuhören bzw. „zuschauen“.
Eine ganz andere Atmosphäre bot die Kirche in der zweiten Hälfte des Konzertes. Es war jetzt erheblich dunkler und anstatt des Sonnenlichtes zu Anfang gaben jetzt die Kronleuchter mit den angezündeten Kerzen Licht und eine heimelige Atmosphäre.
Das im früheren Programm ausgewiesene sehr außergewöhnliche und moderne Stück „Pression“ von Helmut Lachenmann wurde durch das siebte der sieben „Ricercari“ von Domenico Gabrielli in d-Moll ersetzt. Gabrielli passte wesentlich besser zur Atmosphäre Brahms als das eher wilde Stück von Lachenmann.
Und als letztes gab es das Trio für Klarinette (Nicola Jürgensen), Violoncello (Gabriel Schwabe) und Klavier (Matthias Kirschnereit) a-Moll op.114 wieder von Brahms – erst mit einem wehmütigen Charakter, dann aufregend und spannend. Das Publikum war auf jeden Fall vom gesamten Abend schwer begeistert!
Mareike Henninger