Oll’ Mai zum Thema Musikvermittlung in Engerhafe
Samstagmorgen, 6:30 Uhr. Das ganze Dorf schläft. Das ganze Dorf? Nein! In einem Zimmer brennt schon Licht und zwar in meinem. Es ist der 21. Mai 2016, und ich bin mal wieder spät dran, pünktlich zur Landschaft zu kommen. Heute ist Oll’ Mai, das bedeutet Arbeit am Samstag für das gesamte Team des Landschaftsforums und einige Personen aus der Verwaltung. Dieses Jahr ging es allerdings um Musikvermittlung, also ein auch für mich spannendes Thema. Das soll ja mal mein Job werden.
Irgendwie hab ich es dann doch noch pünktlich geschafft und war um Punkt halb neun mit meinen Kollegen Wiebke Schoon, Irmgard Schoon-Leipe, Wibke Heß, Dirk Lübben, Gert Ufkes, Nicole Brasat und Uwe Pape vor Ort. Letztgenannter hatte noch weniger geschlafen als ich, weil er Amadeus Templeton abends um 23:15 Uhr noch von Leer nach Aurich bringen musste. Vor Ort gab es noch einiges zu tun, der Stand musste aufgebaut werden, die Musikland-Fahne, wir mussten sogar Verkehrsschilder eingraben. Wir waren gerade fertig, als schon die ersten Gäste eintrafen.
Nach einer kurzen Begrüßung durch unseren Präsidenten Rico Mecklenburg und die Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajić begann eine lebhafte Talkrunde mit Christine Schmidt-de Vries von der Ländlichen Akademie Krummhörn (LAK), Hauke Piper, Musiklehrer aus Dornum sowie Komponist und Ideengeber für das 120-Spieluhren-Projekt “loop!“, in das zu Beginn der Veranstaltung ein Einblick gegeben wurde. Das ganze Projekt können Sie aktuell im Wasserschloss von Dornum bewundern. Es lohnt sich wirklich, wenn man sich drauf einlässt. Leider war dies anscheinend nicht jedem im Saal möglich. Weiterer Teilnehmer war Amadeus Templeton, seines Zeichens Cellist und Geschäftsführer von TONALi. An dieser Stelle möchte ich auf ein Konzert am kommenden Mittwoch (25. Mai 2016) aufmerksam machen, das abschließende Triokonzert der diesjährigen TONALi-Tour in Ostfriesland. Karten können Sie für nur 5,00 € unter 04941 179967 bekommen. In vergangenen Blogbeiträgen wurde bereits ausführlich über die Beteiligten berichtet. Doch zurück zum Oll’ Mai. Moderiert wurde diese Talkrunde vom künstlerischen Leiter der Gezeitenkonzerte, Prof. Matthias Kirschnereit. Diskutiert wurde vor allem die Frage, wie man klassische Musik wieder interessanter gestalten kann. Sehr gute Ansätze liefert dabei TONALi, die Schüler damit in ihrer eigenen Lebenswirklichkeit konfrontieren. Dies gelingt zum Beispiel durch Schulkonzerte, wo Schüler abseits des Konzertsaals locker und unverkrampft mit Klassik in Berührung kommen. Näheres dazu findet sich in älteren Beiträgen.
Musikvermittlung im ländlichen Raum gestaltet sich auch schwierig, da es hier nicht die Vernetzung und Struktur wie in der Stadt gibt. Die LAK versucht mit großem Erfolg dem durch Theaterprojekte, Musikgruppen etc. entgegenzuwirken, gerne auch außerhalb des klassischen Bereichs.
Ein weiteres Problem ist das geringe Ansehen des Musikvermittlers in der Gesellschaft. Matthias Kirschnereit erzählte, dass viele junge Pianisten, die sich bei ihm bewerben, eigentlich geeignete Schulmusiker wären, denn das ist ja nun einmal das breit angelegte Studium. Aber das wolle dann auch keiner werden. Die Ministerin kritisierte in dem Zusammenhang, dass die Eignungsprüfungen an den Hochschulen viel zu schwer seien. Damit sprach sie mir aus der Seele. Die Anforderungen sind eigentlich machbar, aber die Konkurrenz ist sehr groß, und es gibt wenige Plätze. In Hamburg waren wir bei der Aufnahmeprüfung über 80 Leute und es ging das Gerücht um, dass es nur 13 Plätze gibt. An anderen Hochschulen sieht es nicht besser aus, und das ist für potenzielle Bewerber nicht gerade motivierend. Die Ministerin würde das aber gerne ändern. Ich hoffe für mich, dass sie das auch innerhalb des nächsten Monats hinbekommt.
Als Fazit äußerten alle Gesprächsteilnehmer ihre Wünsche für die kommenden fünf Jahre in Bezug auf ihre Einrichtung oder die Musikvermittlung. Hier wurde der Geldmangel der künstlerischen Branche mal wieder deutlich. Tolle Ideen gibt es viele, die Umsetzbarkeit ist aber leider begrenzt.
Zum runden Abschluss dieser Veranstaltung wurde noch zweimal die höchste Auszeichnung der Ostfriesen, die Ubbo-Emmius-Medaille, vergeben. Einmal an Gerd Brandt, der sich musikalisch und szenisch für den Erhalt der plattdeutschen Sprache einsetzt. Seine Dankesworte richtete er ebenfalls auf Platt an die Anwesenden. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich als Halbostfriese nicht alles verstanden habe. Umso mehr beeindruckte mich die Rede des emeritierten Pastors Osterwald, der für seine Arbeit gegen das Vergessen in der Gedenkstätte des KZ in Engerhafe geehrt wurde. Er rief in seinem Dankeswort zu mehr Mitgefühl und Mitleid auf. Gerade angesichts der aktuellen politischen Entwicklung sei es wichtiger als je zuvor, damit sich die Geschichte nicht wiederhole.
Nach dieser aufschlussreichen Talkrunde und der Ehrung ging es zu einem abschließenden gemeinsamen Imbiss in den Gulfhof Ihnen. Nachdem wir dann noch alles abgebaut und zurückgebracht hatten, war ich dann zur besten Teezeit ermattet aber zufrieden zuhause. Samstags arbeiten kann doch ganz schön sein!