Eine wechselvolle und auch traurige Geschichte hat diese Kirche. In der Mitte des 13. Jahrhunderts als dreischiffige, gewölbte Kreuzbasilika mit sechsstöckigem Turm erbaut, war sie um 1400 Unterschlupf von Seeräubern, denn damals hatte Marienhafe noch Zugang zum Meer. Nach der Reformation verfiel die Kirche und musste im 19. Jahrhundert auf das heutige Maß verkleinert werden. Was von dem “Dom” von Marienhafe erhalten ist, ist auch noch sehr beachtenswert: Der restaurierte Turm zeigt die Vielfalt der Gestaltung von Backsteinmauerwerk, wobei man an den Blendnischen bereits frühgotische Stilmerkmale erkennen kann. Von der Kirche ist nur das Hauptschiff des Langhauses übrig geblieben. Man erkennt deutlich die zugemauerten Doppelarkaden der Mittelschiffwände, deren obere Teile in Fenster verwandelt wurden.
Im Innern der Kirche sind die Kapitelle der einstigen Arkadensäulen mit Blattwerk geziert, in dem sich die Gestalten von kauernden Menschen und Hunden verbergen. Im Chor sind zwei Sandsteinfiguren aufgestellt, Christus und eine Heilige darstellend, übrig geblieben von den einst 46 Plastiken, die in Nischen außen an Querschiff und Chor standen.
Das mit einer Höhe von 1,06 m und einem Beckendurchmesser von 1 m größte Taufbecken aus Bentheimer Sandstein stammt aus der Erbauungszeit der Kirche und trägt die für diesen Taufsteintyp häufigen Verzierungen zwischen Tauornamenten: ein Wellenband mit stilisierten Palmetten, Lilien- und Knospenmotiven sowie ein Bogenmotiv, das mit dem in der Kirche von Uphusen fast identisch ist.
Die Kanzel wurde 1669 in der ostfriesischen Werkstatt von Jakob Kröpelin gebaut.
Im Altarraum ist die moderne Figur des gekreuzigten Christus zu sehen, die der Bildhauer D. Brüggemann 1964 schuf.
Im Turmgemach ist ein kleines Museum eingerichtet mit einer Dokumentation der Kirchengeschichte. Vor allem jedoch sind dort die Überreste eines Sandsteinfrieses aufbewahrt, der sich einst unter der Traufe rund um den gesamten Bau zog. 250 m war er lang und bestand aus etwa 200 Einzelbildern. Sie stellen Szenen aus der Reinecke-Fuchs-Fabel dar, Ungeheuer und Spottwesen sowie Reiterkämpfe, die den Kampf zwischen Gut und Böse symbolisieren. All’ das wurde im Mittelalter von der Gemeinde als Mahnung „gelesen“, ein gottgefälliges Leben zu führen.
Etwas Besonderes ist auch die Orgel. Gerhard von Holy, der von 1709-1718 in Ostfriesland wirkte und vom dem auch die Orgel in Dornum stammt, baute das zweimanualige Instrument mit angehängtem Pedal und 20 Registern 1710-13. Das Hauptwerk der barocken Orgel steht auf einer Empore an der Westwand, an deren Brüstung sich das Rückpositiv befindet. Reiches Schnitzwerk umgibt die Pfeifentürme und -felder. Schriftbänder in den Profilkränzen fordern zum musikalischen Lob Gottes auf.
Die Orgel hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Bereits 1761 musste sie vom Orgelbauer Adam Berner aus Jever technisch instand gesetzt werden. 1781 und 1797 reparierte sie Johann Friedrich Wenthin aus Emden. Als dann die Kirche verkleinert wurde, musste die Orgel vom Orgelbauer Rohlfs abgebaut, eingelagert und 1831 am anderen Ende der Kirche wieder aufgebaut werden, wobei sie noch unverändert blieb. Kleine Veränderungen erfuhr sie erst 1886 bei einer Reparatur durch Johann Diepenbrock aus Norden. Nach gründlicher Restaurierung 1966/69 durch die Werkstatt Ahrend & Brunzema aus Leer-Loga, die schließlich 1988 durch die besonders reine historische Stimmung ergänzt wurde, ist sie als die am vollständigsten erhaltene Barockorgel der Region ein ganz besonderes Kleinod.
Text: Monika van Lengen (Aus: Kulturkarte Ostfriesland, Hrsg.: Ostfriesische Landschaft, Aurich 2006. Mit Ergänzungen)