Was von Sankt Mauritius zuerst ins Auge fällt, ist der zerstörte Backsteinturm. Er verbirgt mit seiner wuchtigen Gestalt fast die Kirche, wenn man sich ihr von Westen her nähert. Diese ist, wie man bei einem Rundgang erkennen kann, in mehreren Bauphasen entstanden.
Von der um 1200 ganz aus “Granitquadern” erbauten Kirche blieb nur der untere Teil erhalten sowie ein Portal an der Nordseite, das wesentlich tiefer liegt als das Niveau der heutigen Kirche.
Vor dem zugemauerten Südportal liegen einige Bausteine aus der alten Kirche. Wie man sehen kann, sind es keine Quader, sondern ursprünglich rundlich geformte Brocken aus Granit, Diorit, Syenit und Porphyr, die die Eiszeiten aus Mittelschweden in den friesischen Küstenraum transportiert hatten. Sie wurden gespalten und nur an schmalen Kanten und der Vorderfront begradigt. Man vermauerte sie dann in zweischaligem Mauerwerk. Die Zwischenräume füllte man mit Muschelkalkmörtel und Steinabschlägen. Wirkt so eine Mauer auch monumental und stabil, so besteht durch diese “Mogelei” doch die Gefahr, dass sie zusammenbricht. Viele Maueranker müssen dafür sorgen, sie im Gleichgewicht zu halten.
Im 13. Jahrhundert kam es zu einer grundlegenden Erneuerung der Kirche. Mitte des 13. Jahrhunderts entstand der Turm mit zwei gewölbten Geschossen, der im Jahre 1474 einer Fehde zwischen der Gräfin Theda von Ostfriesland aus dem Hause der Cirksena und dem Häuptling Cirk von Friedeburg zum Opfer fiel. Ende des 13. Jahrhunderts wurde die flache Decke der Kirche durch ein Domikalgewölbe mit vier Jochen ersetzt und statt der Apsis entstand ein polygonaler Chor.
Im Raum zwischen der Kirche und dem Turm, „Oll Kark“ genannt, wurde 2002/03 bei einer Absicherung der Turmruine ein stimmungsvoller Andachtsraum eingerichtet. Das Kreuz in der zugemauerten Turmloge besteht aus über 100 Tontäfelchen, die von Menschen zwischen 4 und 90 Jahren gestaltet wurden. Außerdem hat hier ein altes Taufbecken aus Granit seinen Platz gefunden, das aus einer seit langem nicht mehr vorhandenen Kapelle in Abickhafe stammt und dort seit undenklichen Zeiten in einem bäuerlichen Garten lag. In der Wand der „Oll Kark“ sieht man dieselben, schon gotisch anmutenden, Gliederungen der Wandfläche wie im Schiff der heutigen Kirche, das man durch eine Glastür betritt.
Der Kirchenraum ist nun mit einer Holzdecke flach gedeckt, die Gewölbe mussten abgetragen werden, da die Wände ihrem Druck nicht mehr standzuhalten drohten. Das Kirchenschiff wirkt mit seinen hoch liegenden, schmalen Fenstern und seiner Ausmalung aus dem 19. Jahrhundert beim Eintreten dunkel. Steht man jedoch im lichten Chor mit den gotischen Spitzbogenfenstern, hat man einen ganz anderen Eindruck. Aus der Erbauungszeit der Kirche ist nur ein schmuckloses Taufbecken aus Granit im Süden des Chores übrig geblieben. Es bekam um 1650 eine hölzerne Ummantelung mit Eckpilastern und gemalten Tugenden, die nun neben dem Becken ihren Platz gefunden hat.
Der Altar wurde 1647/48 von Jacob Kröpelin aus Esens geschaffen. Seine Ornamente stehen noch unter dem Einfluss des Knorpelstils. Auf der Kreuzigungsszene ist die Silhouette des Himmlischen Jerusalems zu sehen, vor der sich Gebäude erheben, von denen die Überlieferung meint, es handele sich um die Kirche und andere Gebäude Reepsholts.
Die eisenbeschlagene Tür der Sakramentsnische, verziert mit geschmiedeten Ranken, ist nach dendrochronologischer Untersuchung der Eichenbohlen 700 Jahre alt.
Besondere Schmuckstücke sind die Kronleuchter. Der Messingleuchter vorm Altar ist eine verkleinerte Nachbildung des Hezilo-Leuchters von 1061, der im Dom zu Hildesheim hängt. Er wurde der Kirche 1889 von einer Witwe aus Reepsholt gestiftet und zeigt die zwölf Tore und zwölf Türme des himmlischen Jerusalem, frei nach der Offenbarung des Johannes. Der schmiedeeiserne Leuchter im südlichen Querschiff, in dessen Mitte sich ein Hirschgeweih befindet, stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die übrigen Leuchter sind flämische Arbeiten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert.
Auf der Empore an der Nordseite der Kirche steht die zweimanualige Orgel mit angehängtem Pedal und 17 Registern. Johann Friedrich Wenthin, Emden, der von 1774-1805 als Orgelbauer in Ostfriesland lebte, schuf das spätbarocke Instrument 1788/89. Nach ihrer Renovierung 1992/93 ist sie die klangschönste der vier von Wenthin erhalten gebliebenen Orgeln.
Nach dem Verlassen der Kirche sollte man in südliche Richtung über den Friedhof gehen, der mit seinen hohen, alten Bäumen besonders schön ist. Ein Stück weiter die Straße hinunter trifft man auf den Platz, an dem einst die Klosterkirche stand, die noch größer war als St. Mauritius. Ein kleines, eingezäuntes Gärtchen mit einer Gedenktafel erinnert an das Chorherrenstift, das einst hier lag.
Monika van Lengen
Ev.-luth. St.-Mauritius-Kirche
Karkplatz
26446 Friedeburg-Reepsholt